Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIX. Jahrgang, 1908. (19)

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noch frei, nördlich vom Kampoparallel seinen 
Besitzstand über den 15. Meridian in das Innere 
Afrikas weiter auszudehnen. Die, durch die Ex- 
peditionen von Kund, Zintgraff, Morgen, 
von Stetten u. a. in dieser Richtung unter- 
nommenen Versuche scheiterten aber an der 
Schwierigkeit der Erschließung des damals noch 
völlig unerforschten Urwaldgebietes und an dem 
Widerstand der Eingeborenen. Die deutschen 
Forscher mußten teils krank, teils verwundet zur 
Küste zurückkehren oder sie wurden bei dem Vor- 
dringen gegen Osten nach Norden in der Rich- 
tung auf Yola am Benue abgedrängt. Keinem 
einzigen gelang es, den 15. Meridian ostwärts 
zu überschreiten. Die französischen, um die gleiche 
Zeit einsetzenden Expansionsbestrebungen hatten 
viel leichteres Spiel, da die ihnen dienenden 
Reisenden für ihren Zweck den Congo und seine 
nördlichen Nebenflüsse, wie den Ssanga und 
Ubangi benutzen konnten, mit deren Hilfe sie ohne 
große Schwierigkeiten in das jenseits des 15.9 
5. Gr. gelegene Hinterland von Kamerun ein- 
zudringen und sich dort festzusetzen vermochten. 
Da dieses erfolgreiche und zielbewußte Vor- 
dringen der französischen Reisenden Deutschland 
vom Benue und den Tschadsee-Ländern gänzlich 
abzuschließen drohte, entschloß sich die Reichs- 
regierung 1893 zu weiteren Grenzverhandlungen 
mit Frankreich. Das Abkommen vom 15. März 
1894 setzte, den mittlerweile erfolgten französischen 
Besitzergreifungen im Osten dieses Meridians ent- 
sprechend, im allgemeinen den 15. als Ostgrenze 
Kameruns fest. Um jedoch den Südosten des 
Schutzgebietes für die kaufmännische Erschließung 
vom Congo her zu öffnen und ihm einen Zu- 
gang von dieser Seite frei zu halten, mußte es 
für Deutschland das wesentlichste Ziel bei den 
damaligen Verhandlungen sein, an dem schif- 
baren Ssanga jenseits des 15. festen Fuß zu 
sassen, auf welchen Fluß Deutschland an sich 
keinen Anspruch hatte, da er in das schon längst 
von französischen Emissären für Frankreich erwor- 
bene Gebiet fiel. Als damals Frankreich trotzdem 
einen 30 km langen Uferstreifen am rechten 
Ssangaufer an Deutschland abtrat, verlangte und 
erhielt es dafür als Gegenleistung einen Zutritt 
zum Mao Kabi, einem rechten schiffbaren Neben- 
sluß des Benue, um sich auf diese Weise einen 
Zugang zu seinen Besitzungen vom Niger-Benue 
her zu sichern. Nur nördlich vom 10. Breiten- 
grad gelang es damals Deutschland, über den 
15. Grad hinaus bis zum Schari seinen Besitz an 
den Tschadsee-Ländern auszudehnen, und zwar 
unter dem Hinweis auf den Umstand, daß es 
wesentlich deutsche Forscher gewesen waren, die 
in den fünfziger und sechziger Jahren des vorigen 
Jahrhunderts jene Gebiete zuerst mit Erfolg be- 
reist hatten. 
  
So kam auf dem Wege eines gegenseitigen 
Kompromisses jene auf den Karten seltsam aus- 
sehende, aber in den Verhältnissen begründete 
Gestaltung der Ostgrenze Kameruns zustande, 
deren Umänderung und Anpassung an natürliche 
Grenzlinien nach entsprechender genauerer karto- 
graphischer Erforschung der Grenzgebiete die 
beiden vertragschließenden Mächte sich schon da- 
mals ausdrücklich vorbehielten. 
Mit der Vollendung der Congobahn zwischen 
Matadi und Stanley-Pool (1898) setzte bald die 
Erschließung von Südost-Kamerun für den Handel 
vom Congo her ein. Die an der Küste von 
Südkamerun alteingesessenen und neu hinzu- 
tretenden Firmen drängten ihrerseits lebhaft nach 
Osten und Südosten zur Ausbeutung der reichen 
Kautschukschätze in den Urwaldgebieten des oberen 
Kampo, Ivindo, Dscha usw. So stießen in den 
Gebieten der nur theoretisch festgelegten Grenzen 
bald die Kameruner Handelsinteressen mit denen 
der neu gegründeten großen französischen Kon- 
zessionsgesellschaften lebhaft zusammen; Konflikte 
und Grenzstreitigkeiten waren an der Tages- 
ordnung. 
Ein in den Jahren 1900 bis 1902 unter- 
nommener Versuch der beteiligten Regierungen, 
durch Festlegung des sog. Kampoparallels wenigstens 
für die Südgrenze klarere Verhältnisse zu schaffen, 
hatte nur teilweise Erfolg, weil es auf Grund 
der außerordentlich schwierigen örtlichen Umstände 
und der zahlreichen Erkrankungen unter den Ex- 
peditionsmitgliedern nicht gelang, die ganze Süd- 
grenze astronomisch festzulegen, die Kommission 
vielmehr ihre Arbeit auf die Grenzecke zwischen 
Dscha und Ssanga beschränken mußte. Die 
deutsche Anregung, alsbald wenigstens an dieser 
beschränkten Grenzstrecke den für eine leicht er- 
kennbare Scheidung namentlich in einem Urwald- 
gebiet sehr wenig geeigneten Kampoparallel durch 
eine natürliche Grenze zu ersetzen, fand in Paris 
keinen Anklang. Die französische Regierung ver- 
trat den Standpunkt, daß eine allgemeine Grenz- 
regelung erst in Erwägung gezogen werden könne, 
wenn die Süd= und Ostgrenze ganz erforscht sei, 
und somit beide Grenzteile dann bei etwaigen 
Grenzverhandlungen als ein Ganzes behandelt 
werden könnten. 
So dauerten die ungeordneten Zustände und 
mit ihnen die Reibereien und Streitigkeiten 
zwischen den Privatinteressenten fort; es bedurfte 
erst des bedauerlichen Zwischenfalles bei Missum- 
Missum (1905), um allseitig der Überzeugung 
zum Durchbruch zu verhelfen, daß eine baldige 
Regelung der gesamten Grenze von Süd= und 
Ostkamerun unabweisbar sei. 
Die im Herbst 1905 zum Zwecke einer voll- 
ständigen Aufnahme der Grenzstrecke von der
	        
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