W 425 20
noch frei, nördlich vom Kampoparallel seinen
Besitzstand über den 15. Meridian in das Innere
Afrikas weiter auszudehnen. Die, durch die Ex-
peditionen von Kund, Zintgraff, Morgen,
von Stetten u. a. in dieser Richtung unter-
nommenen Versuche scheiterten aber an der
Schwierigkeit der Erschließung des damals noch
völlig unerforschten Urwaldgebietes und an dem
Widerstand der Eingeborenen. Die deutschen
Forscher mußten teils krank, teils verwundet zur
Küste zurückkehren oder sie wurden bei dem Vor-
dringen gegen Osten nach Norden in der Rich-
tung auf Yola am Benue abgedrängt. Keinem
einzigen gelang es, den 15. Meridian ostwärts
zu überschreiten. Die französischen, um die gleiche
Zeit einsetzenden Expansionsbestrebungen hatten
viel leichteres Spiel, da die ihnen dienenden
Reisenden für ihren Zweck den Congo und seine
nördlichen Nebenflüsse, wie den Ssanga und
Ubangi benutzen konnten, mit deren Hilfe sie ohne
große Schwierigkeiten in das jenseits des 15.9
5. Gr. gelegene Hinterland von Kamerun ein-
zudringen und sich dort festzusetzen vermochten.
Da dieses erfolgreiche und zielbewußte Vor-
dringen der französischen Reisenden Deutschland
vom Benue und den Tschadsee-Ländern gänzlich
abzuschließen drohte, entschloß sich die Reichs-
regierung 1893 zu weiteren Grenzverhandlungen
mit Frankreich. Das Abkommen vom 15. März
1894 setzte, den mittlerweile erfolgten französischen
Besitzergreifungen im Osten dieses Meridians ent-
sprechend, im allgemeinen den 15. als Ostgrenze
Kameruns fest. Um jedoch den Südosten des
Schutzgebietes für die kaufmännische Erschließung
vom Congo her zu öffnen und ihm einen Zu-
gang von dieser Seite frei zu halten, mußte es
für Deutschland das wesentlichste Ziel bei den
damaligen Verhandlungen sein, an dem schif-
baren Ssanga jenseits des 15. festen Fuß zu
sassen, auf welchen Fluß Deutschland an sich
keinen Anspruch hatte, da er in das schon längst
von französischen Emissären für Frankreich erwor-
bene Gebiet fiel. Als damals Frankreich trotzdem
einen 30 km langen Uferstreifen am rechten
Ssangaufer an Deutschland abtrat, verlangte und
erhielt es dafür als Gegenleistung einen Zutritt
zum Mao Kabi, einem rechten schiffbaren Neben-
sluß des Benue, um sich auf diese Weise einen
Zugang zu seinen Besitzungen vom Niger-Benue
her zu sichern. Nur nördlich vom 10. Breiten-
grad gelang es damals Deutschland, über den
15. Grad hinaus bis zum Schari seinen Besitz an
den Tschadsee-Ländern auszudehnen, und zwar
unter dem Hinweis auf den Umstand, daß es
wesentlich deutsche Forscher gewesen waren, die
in den fünfziger und sechziger Jahren des vorigen
Jahrhunderts jene Gebiete zuerst mit Erfolg be-
reist hatten.
So kam auf dem Wege eines gegenseitigen
Kompromisses jene auf den Karten seltsam aus-
sehende, aber in den Verhältnissen begründete
Gestaltung der Ostgrenze Kameruns zustande,
deren Umänderung und Anpassung an natürliche
Grenzlinien nach entsprechender genauerer karto-
graphischer Erforschung der Grenzgebiete die
beiden vertragschließenden Mächte sich schon da-
mals ausdrücklich vorbehielten.
Mit der Vollendung der Congobahn zwischen
Matadi und Stanley-Pool (1898) setzte bald die
Erschließung von Südost-Kamerun für den Handel
vom Congo her ein. Die an der Küste von
Südkamerun alteingesessenen und neu hinzu-
tretenden Firmen drängten ihrerseits lebhaft nach
Osten und Südosten zur Ausbeutung der reichen
Kautschukschätze in den Urwaldgebieten des oberen
Kampo, Ivindo, Dscha usw. So stießen in den
Gebieten der nur theoretisch festgelegten Grenzen
bald die Kameruner Handelsinteressen mit denen
der neu gegründeten großen französischen Kon-
zessionsgesellschaften lebhaft zusammen; Konflikte
und Grenzstreitigkeiten waren an der Tages-
ordnung.
Ein in den Jahren 1900 bis 1902 unter-
nommener Versuch der beteiligten Regierungen,
durch Festlegung des sog. Kampoparallels wenigstens
für die Südgrenze klarere Verhältnisse zu schaffen,
hatte nur teilweise Erfolg, weil es auf Grund
der außerordentlich schwierigen örtlichen Umstände
und der zahlreichen Erkrankungen unter den Ex-
peditionsmitgliedern nicht gelang, die ganze Süd-
grenze astronomisch festzulegen, die Kommission
vielmehr ihre Arbeit auf die Grenzecke zwischen
Dscha und Ssanga beschränken mußte. Die
deutsche Anregung, alsbald wenigstens an dieser
beschränkten Grenzstrecke den für eine leicht er-
kennbare Scheidung namentlich in einem Urwald-
gebiet sehr wenig geeigneten Kampoparallel durch
eine natürliche Grenze zu ersetzen, fand in Paris
keinen Anklang. Die französische Regierung ver-
trat den Standpunkt, daß eine allgemeine Grenz-
regelung erst in Erwägung gezogen werden könne,
wenn die Süd= und Ostgrenze ganz erforscht sei,
und somit beide Grenzteile dann bei etwaigen
Grenzverhandlungen als ein Ganzes behandelt
werden könnten.
So dauerten die ungeordneten Zustände und
mit ihnen die Reibereien und Streitigkeiten
zwischen den Privatinteressenten fort; es bedurfte
erst des bedauerlichen Zwischenfalles bei Missum-
Missum (1905), um allseitig der Überzeugung
zum Durchbruch zu verhelfen, daß eine baldige
Regelung der gesamten Grenze von Süd= und
Ostkamerun unabweisbar sei.
Die im Herbst 1905 zum Zwecke einer voll-
ständigen Aufnahme der Grenzstrecke von der