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die Krankheit an die tropische Erde gebunden sei
und durch Ausdünstungen der Erde, durch Miasmen,
mit der Atmung in den Körper gelange. Diesen
Miasmen konnte man nicht entgehen, und wenn
auch der einzelne Fieberanfall durch Chinin ge-
heilt werden konnte, mußte doch die stetige Neu-
ansteckung die Widerstandskraft des Körpers schließ-
lich aufzehren. Bei solchen Anschauungen war
es nur eine logische Schlußfolgerung, wenn man
die Akklimatisation des Europäers in den Tropen
für ausgeschlossen erklärte.
Heute wissen wir, daß die fieberhaften Er-
krankungen in den Tropen, die in der Regel als
die Erscheinung einer bestimmten Krankheit, der
Malaria, zu betrachten sind, nicht etwas von
dem Klima Untrennbares sind. Die Malaria
wird durch Parasiten hervorgerufen, welche im
Blute des Menschen leben; die Übertragung von
einem Menschen auf den anderen geschieht durch
bestimmte Stechmücken, in den Tropen gewöhnlich
Moskitos genannt. Die Erkenntnis dieser Tat-
sachen hat uns zugleich die Möglichkeit gegeben,
in den Tropen zur Ansiedlung für Europäer
solche Gegenden auszusuchen, die frei von Malaria
sind. Wenn die übertragenden Moskitos in einer
tropischen Gegend fehlen, so sind die Europäer,
die sich dort ansiedeln, von Malaria nicht ge-
fährdet. Nun ist es allerdings nicht immer leicht,
die Anwesenheit oder Abwesenheit der gefährlichen
Moskitos an einem bestimmten Orte festzustellen,
da sie je nach der Jahreszeit zahlreich oder sehr
selten sein können. Aber Robert Koch hat uns
in der Blutuntersuchung der Kinder der
Eingeborenen einen Weg gezeigt, auf dem wir
in kürzester Zeit und mit Sicherheit zu erkennen
vermögen, ob in einem tropischen Orte Malaria
herrscht oder nicht. Haben die Kinder der Ein-
geborenen keine Malariaparasiten in ihrem Blute,
so dürfen wir sicher sein, daß diese Tropengegend
frei von Malaria ist. Solche Untersuchungen
sollten besonders bei Neuanlage von Stationen
in malariaverdächtigen Ländern nie versäumt
werden. Was eine solche Feststellung bei der
Auswahl eines Platzes für eine Ansiedlung in
den Tropen zu bedeuten hat, können wir daraus
ersehen, daß noch vor wenigen Jahren an der
Kamerunküste 80 bis 90 v. H. aller Erkrankungen
der Europäer durch Malaria bedingt waren.
Aber auch da, wo wir einen malariafreien
Ort zur Anfiedlung nicht finden, wie z. B. im
Bereich der meisten Küstenstriche des tropischen
Afrikas, stehen wir dieser Krankheit nicht mehr
so machtlos gegenüber wie früher. Durch ver-
schiedene Maßnahmen, die im einzelnen zu er-
läutern hier zu weit führen würde, ist es schon
an zahlreichen Orten gelungen, die Malaria aus-
zurotten oder sie wenigstens auf ein erträgliches
Maß herabzudrücken.
Diese Erfolge haben der früher so berechtigten
Furcht vor dem tropischen Klima zum großen
Teil den Boden entzogen und unsere Anschau-
ungen gründlich geändert. Bei weitem die meisten
Todesfälle waren früher direkt oder indirekt durch
Malaria verursacht. Außer dieser Krankheit bleiben
in den Tropen nur noch wenige Krankheiten,
welche uns Europäer gefährden. Es ist haupt-
sächlich die Ruhr zu nennen, aber auch sie läßt
sich durch hygienische Maßregeln nicht allzu schwer
vermeiden. Im übrigen fehlen aber in den
Tropen ganz oder nahezu viele Krankheiten, von
denen wir in der Heimat gefährdet sind, wie
Tuberkulose, Lungenentzündung, Diphtherie und
andere. Es ist daher nicht zu viel gesagt, wenn
ich behaupte, daß der Europäer in den Tropen
bei Auswahl eines malariafreien Ortes und bei
hygienischer Lebensweise weniger von Krankheiten,
insbesondere von Infektionskrankheiten gefährdet
ist als in seiner Heimat. Unter diesen veränderten
Verhältnissen mußten notwendig auch die früheren
Ansichten über die Möglichkeit der Akklimatisation
von Europäern in den Tropen neu geprüft
werden, und die Freude an dem errungenen
schönen Erfolg mag vielleicht den einen oder
anderen verleitet haben, allzu enthusiastisch an
einen bereits endgültigen Sieg gegenüber dem
europäerfeindlichen tropischen Klima zu glauben.
Wir dürfen nicht vergessen, daß, abgesehen
von den tropischen Krankheiten, auch das tro-
pische Klima an und für sich ungünstig auf
unseren Körper einwirkt und daß wir diese
Wirkung des Klimas vorläufig noch nicht aus-
schalten können. Das tropische Klima veranlaßt
allerdings, abgesehen von dem Sonnenstich, der
sich durch zweckmäßige Kopfbedeckung leicht ver-
hindern läßt, keine plötzlichen Todesfälle, aber es
verursacht in dem feinen Mechanismus unseres
Körpers nicht unbedeutende Veränderungen. Die
Wärmeabgabe und damit die Festhaltung der für
unseren Körper notwendigen konstanten Tem-
peratur von etwa 36½ C ist im tropischen
Klima erschwert. Die Schweißdrüsen müssen
dauernd in angestrengte Tätigkeit treten, um
durch Wasserverdunstung an der Körperoberfläche
die Wärmeabgabe zu erleichtern. Die verdunstete
Körperflüssigkeit muß wieder ersetzt werden; das
Herz, welches die Flüssigkeitsmenge in dem bald
stark gefüllten, bald halbleeren Blutgefäßsystem
in steter Bewegung halten muß, ermüdet unter
dieser gesteigerten Arbeit. Auch das Verdau-
ungssystem leidet unter der unregelmäßigen
Wasserentziehung. Kurz eine ganze Reihe unserer
Körperorgane haben eine vermehrte Arbeit zu
leisten, während andere Organe, z. B. die Schleim-