Full text: Deutsches Kolonialblatt. XX. Jahrgang, 1909. (20)

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Landungsgeschäft in Lüderitzbucht verknüpft wird, 
ein solcher Zuschuß, mindestens solange noch er- 
hebliche Truppen im Süden sind, überhaupt ge- 
spart werden kann. 
Wegen der Nord-Südbahn habe ich aus- 
führliche Konferenzen gehabt. Die Kosten stehen 
außer Verhältnis zu der im militärischen Inter- 
esse erwünschten Bewegungsfreiheit und den zu 
machenden Ersparnissen; die aus ihr entstehende 
Belastung würde das Schutzgebiet schwer drücken. 
Schon in der Kapkolonie habe ich eigenartige 
Beobachtungen gemacht. Das Budget der Kap- 
kolonie leidet schwer unter einem üÜbereilten 
Bahnbau, besonders von Nebenbahnen, die durch 
schwach besiedelte Gegenden führen. Hauptsächlich 
für die Bahnen hat die Kapkolonie eine Staats- 
schuld von jetzt über einer Milliarde Mark auf- 
genommen. Trotzdem die Abschreibungen und 
Ernenerungen in den letzten Jahren nicht in das 
Budget eingestellt worden sind, beträgt das jährliche 
Defizit etwa 20 Millionen Mark. Die Konkur- 
renz des Ochsenwagens mit der Bahn ist manchen 
Orts so fühlbar, daß ernsthaft gesetzliche Maß- 
nahmen erwogen werden, um die Konkurrenz 
dieses Beförderungsmittels mit den Bahnen aus- 
zuschließen. Ahnliche Erwägungen hat man mir 
im Schutzgebiet bei der Erörterung der Bahn 
Keetmanshoop- Windhuk entgegengehalten. Man 
fürchtet sich vor dem Betriebszuschuß und der 
Zinslast, die auf 2½ Millionen Mark pro Jahr 
angenommen werden. Der für die Erschließung 
hauptsächlich in Betracht kommende Bezirk Gibeon 
und Maltahöhe hat mir durch eine Farmer- 
deputation erklären lassen, daß gegenüber dem 
üblichen Weg von Gibeon über Maltahöhe nach 
Aus per Ochsenwagen der Umweg von 500 km 
über Keetmanshoop die Frachten so verteuern 
müsse, daß auch späterhin dem Ochsenwagen der 
Vorzug gegeben werde. Da dieser Bezirk sich 
auf den Wollexport einrichtet, genügt zur Be- 
gründung dieser Ansicht die Erwägung, daß die 
Wolle von etwa 1000 Schafen auf einem Ochsen- 
wagen befördert werden kann, wobei der Farmer 
noch die Fracht selbst verdient, indem er sein 
ohnehin gehaltenes Zugvieh zu dieser Beförderung 
heranzieht. 
Ich habe demnach die Idee dieses Bahnbaues 
vorläufig fallen lassen. Es wird erwogen, den 
in Kamerun jetzt nicht notwendigen Dampfer 
„Nachtigal“ nach Lüderitzbucht zu dirigieren, damit 
etwaige Truppenbewegungen aus dem Norden 
mit Hilfe der Bahn Karibib — Windhuk und 
Otavi — Swakopmund sowie der Linie Lüderitz- 
bucht — Keetmanshoop — Kalkfontein durchgeführt 
werden können, was nur eine Verzögerung von 
wenigen Tagen bedeuten würde. 
Dagegen scheint der Norden nach und nach 
  
für verschiedene Stichbahnen reis zu werden, für 
welche die Initiative allerdings aus der Be- 
völkerung zu kommen haben wird. 
Ich wende mich nunmehr der militärischen 
Lage des Schutzgebietes zu. Wenn man von der 
durch den Krieg dem Schutzgebiet auferlegten 
Versorgungslast absieht, betragen die Militär- 
ausgaben des Reiches nach dem Etat für 1909 
immerhin noch 12½ Millionen Mark. Es ist 
selbstverständlich, daß in der Beurteilung der 
Lage die Berliner Zentralverwaltung den Sach- 
verständigen-Ansichten der Schutztruppenführung 
und des Gouverneurs, welche beide für die Ruhe 
und Ordnung im Lande verantwortlich sind, in 
ausgedehntem Maße Rechnung tragen muß. Die 
Zentralverwaltung hat aber in der Vergangenheit 
bewiesen, daß sie es auch an Nachdruck nicht hat 
fehlen lassen, wenn es galt, gegenüber diesen 
Interessen die Reichsinteressen auf das energischste 
zu wahren. Nun ist die Lage folgende. Der 
Süden ist nur sehr unvollkommen befriedet. Noch 
in der letzten Zeit haben größere Banden Zu- 
sammenstöße mit Farmern und Truppe gehabt. 
Die Aufräumungsarbeiten sind noch im Gange. 
Aber die geographische Lage des Südens ist nicht 
bequem; sowohl im Westen wie im Süden liegt 
jenseits des Oranje ein dünn befiedeltes englisches 
Gebiet mit geringer Machtentfaltung, im Osten 
die lange englische Grenze, zum Teil durch die 
dünn besiedelte Karoo, zum Teil durch absolute 
Wüste. Die internierten Hottentotten sind un— 
ruhig und unzufrieden, wie dies ja der Aus- 
bruch des Klein-Jakobus und seiner Leute noch 
vor kurzem bewiesen hat, und wie auch der 
oberflächlichste Eindruck zeigt. Simon Kopper sitzt 
im Betschuanaland mit seiner Bande. Ringsum 
sind kleinere, keinen regelmäßigen Erwerb be- 
sitzende Gruppen an der Grenze. Die Grenze 
selbst ist gebirgig. Im Süden liegen die beiden 
großen unzugänglichen Bergstöcke der großen und 
kleinen Karrasberge. Nun ist letzthin manches 
besser geworden. Die Verabredungen, die in 
Kapstadt getroffen sind, sichern ein freundnachbar- 
liches Verhältnis mit der Kapkolonie nach Maßgabe 
ihrer bereiten Mittel. Der Glaube, daß im deutschen 
Gebiet verfolgte Hottentotten nur die Grenze zu 
überschreiten brauchen, um sicher zu sein, ist durch 
die Auslieferung der Ortmannleute, durch den 
Tod des Klein-Jakobus, die Entwaffnung der 
Bande des Joseph Morenga erschüttert und zer- 
stört. Simon Kopper hat sich weiter nach dem 
Innern hingezogen, und ich habe auch Veran- 
lassung, zu glauben, daß ein von englischer und 
deutscher Seite gemeinschaftlich geübter Druck ihn 
zur Ruhe bringen wird. 
Die intelligenten Hottentotten gewöhnen sich 
an regelmäßige Arbeit. Das wirtschaftliche Leben
	        
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