Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXII. Jahrgang, 1911. (22)

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Preise ein größeres Areal bepflanzt werden würde; 
und in der Tat schätzte die amerikanische Re- 
gierung die Zunahme in dieser Richtung im Juni 
auf 2,8 v. H. im Vergleich zum Vorjahr. Es 
waren aber schon vor dieser Schätzung beängsti- 
gende Berichte über Dürre in Texas eingelaufen, 
denen sich mit mehr oder weniger Berechtigung 
weitere Hiobsposten aus den Baumwollstaaten 
anschlossen, so daß die Angst vor zwei aufeinander- 
folgenden knappen Ernten viel zur Festigung der 
hohen Preise beitrug. Zudem waren die jüngsten 
Erfahrungen mit ägyptischen Baumwollernten auch 
nicht vertrauenerweckend. Gerade an den hohen 
Preisen scheiterte anfänglich das Geschäft mit dem 
fernen Osten, dessen Kaufkraft einer der wichtigsten 
Faktoren des Baumwollhandels in Lancashire ist. 
Der Osten hatte sich von einer mehrjährigen De- 
pression nach und nach erholt; die ungeheuren 
Vorräte, welche spekulativ nach dort geschafft 
worden waren, lichteten sich endlich und mußten 
in absehbarer Zeit erschöpft sein. Auch die Spuren 
finanzieller Krisen in östlichen Märkten schwanden 
allmählich. Die Ausführung der infolgedessen 
einlaufenden neuen Orders wurde jedoch durch 
die hohen Preisforderungen unmöglich gemacht. 
Erst gegen Ende des Jahres entschloß sich dieses 
Absatzgebiet, die verlangten Preise anzulegen und 
so in nicht zu unterschätzendem Maße zu der 
Besserung mit beizutragen, welche seitdem im 
hiesigen Markte um sich gegriffen hat. Ein weiterer 
Umstand, welcher zu dem unerquicklichen Ergebnis 
des Jahres mit beigesteuert hat, ist die gegen 
früher bedeutend erhöhte Produktionsfähigkeit, die 
sich natürlich angesichts der schwachen Beschäfti- 
gung doppelt fühlbar machen mußte. Auch die 
Mißhelligkeiten in den Arbeiter= und Lohnfragen 
haben, in allerdings geringerem Maßstabe, nach- 
teilige Einflüsse ausgeübt. 
Zusammenfassend ließe sich also sagen, daß, 
während im Jahre 1909 die Baumwollindustrie 
hauptsächlich durch ungenügende Nachfrage und 
rücksichtslose Spekulation beeinträchtigt wurde, es 
in den letzten zwölf Monaten in erster Linie die 
hohen Preise waren, welche, zu den Nachwehen 
von 1909 gesellt, wiederum eine Periode der 
Depression zeitigten. 
  
Arbeitseinschränkungen. 
Die Verkürzung der Arbeitszeit in Fabriken, 
die amerikanische Baumwolle verspinnen, begann 
am 10. Juli 1909 und kam Ende April 1910 
zum Abschluß. Diese Einschränkung ist gleich- 
bedeutend mit 651 Arbeitsstunden und hat es 
der Industrie ermöglicht, die lange Depressions- 
periode zu überdauern, ohne daß eine Finanz- 
krise eintrat, welche mit mehr oder weniger 
Heftigkeit bei allen in der Baumwollindustrie be- 
  
tätigten Firmen nachteilige Reflexwirkungen hätte 
auslösen müssen. Das Ende April vorliegende 
Geschäft berechtigte zwur noch kaum zu einer 
Wiederaufnahme der vollen Arbeitszeit. Angesichts 
des von den Arbeitern geplanten Widerstandes 
gegen die vorgeschlagene Lohnerniedrigung kamen 
aber die Weber in verstärktem Maße um Garn- 
lieferungen ein, und man sah sich unter diesen 
Umständen veranlaßt, die Arbeit wieder in vollem 
Umfang aufzunehmen, so lange die Gefahr eines 
Streiks bestehen blieb. Der Aufschub der beab- 
sichtigten Lohnreduklion reagierte nun sofort negativ 
auf die im Markte herrschende Kauflust, und die 
Spinner sahen sich abermals gezwungen, zur 
Verkürzung der Arbeitszeit ihre Zuflucht zu 
nehmen, um sich den Rücken zu decken. Einige 
Fabriken schlossen ganz und gar, andere arbeiteten 
nur eine Woche um die andere. 
1 * 
Nachfolgende Tabellen, welche offiziellen und 
anderen Aufstellungen entnommen sind, mögen 
das Gesagte näher präzisieren und erläutern: 
1. Netto-Gewinne und -Verluste (seit 
1884) einer Anzahl Spinnereien, die Bilanzen 
veröffentlichen: 
Abzabi a De 
Jahr Gesell. Gewmm Verlust pro Gese Jscocst Jabres- 
schaften Gewinn Verlust durch- 
schnlit 
1 +n. 8 2 
1881: 60 125 000 — 2088 — 5 
1885: 87 — 2730 — 81 2 
1886: 90 — 61718 — 686 8 
1887: 88 86 8109 — 9886 — 4¾ 
1888: 85 250 982 — 2925 — 5 
1889: 86 220 537 — 2565 — 5 
1890: 91 84 05 — 4220 — 7 
1891: 101 38 7608 — 388 — 5¼ 
1892: 99 — 94770 — 957 ¼¾ 
1898: 99 — 60 7900 — 613 
1894: 94 4401 — 48 — 1½ 
1895: 94 63 167 — 672 — 154 
896: 49 631 — 528 — 1¾ 
1897: 94 157570 — 1676 — 8 
1898: 90 271804 — 8 020 — 4—1|3 
1899: 86 381 176 — 4432 — 6—1/6 
1900: 80 344 548 — 4307 — 7¼ 
1901: 380 279 545 — 3494 — 7—1/6 
1902: 85 — 1 436 — 16 4—2/3 
1908: 90 — 45 3822 — 503 3 
1904: 90 31729 — 352 — 2½ 
1905: 90 693070 — 7701 — 7 
1906: 90 590 002 — 6555 — 9—2|3 
1907: 100 1 321 17 — 13211 — 15—7/8 
1908: 100 5686 511 — 5866 — 11¾ 
1909: 100 — 272072 — 2720 7½⅞ 
1910: 100 — 368 006 — 3680 5—38 
Es erhellt hieraus, daß auf ein gesamtes 
Aktienkapital von 3 543 223 ein Nettoverlust 
von 368 006 KK entfällt, also von 10⅝ v. H., 
während er im vorhergehenden Jahre nur knapp 
8 v. H. betrug. Von den 100 Gesellschaften,
	        
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