Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXII. Jahrgang, 1911. (22)

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Über die wirtschaftliche Lage der Kap- 
provinz während des abgelaufenen Jahres im 
besonderen ist folgendes zu erwähnen. Mit lang- 
samen, doch sicheren Schritten bewegt sich die 
Landwirtschaft in den neuen Bahnen moderner 
Wirtschaftsmethoden. Die saumselige Tätigkeit 
bgenügsamer Farmer scheint einem emsigen Streben 
nach nutreicher ökonomischer Betätigung zu weichen. 
Moderne Prinzipien bürgern sich ein, wissenschaft- 
lche Theorien finden ihre gebührende Berücksich- 
tigung, und dementsprechend sind auch auf fast 
allen Gebieten der Landwirtschaft wesentliche Fort- 
schritte zu verzeichnen. 
Durch Anlegung bedeutender Irrigationswerke 
werden bisher öde Landstriche dem Ackerbau 
nutzbar gemacht. In den letzten drei Jahren 
wurden etwa 100 000 Acker') neuen Landes 
unter Kultur gebracht. Die Getreide= und Mais- 
selder im Osten und Westen der Kapprovinz 
ehnen sich immer mehr aus. Durch Einführung 
edleren Zuchtviehs sucht man die Qualität tierischer 
rzeugnisse zu heben, um mit den Produkten 
anderer Länder auf dem europäischen Markte er- 
folgreich konkurrieren zu können. 
Die Tabakkultur hat im wesentlichen Teile 
der Provinz sicheren Fuß gefaßt, und wenn auch 
zur Zeit noch die Qualität des Tabaks zu wünschen 
übrig läßt, so berechtigen doch die ersten Versuche 
zu Hoffnungen auf günstigere Resultate in der 
Zukunft. Die Weinfarmer wenden der Wein- 
bereitung größere Sorgfalt zu; hierin werden sie 
von der Regierung wirksam unterstützt. Diese 
sucht besonders durch Errichtung von Muster- 
kellereien und Versuchsstationen belehrend zu 
wirken. Ein bedeutender Export südafrikanischer 
Weine ist jedoch für die nächste Zeit noch nicht 
zu erwarten, da es noch vieler Neuerungen be- 
darf, um sie für den europäüschen Konsum geeignet 
zu machen. 
Sehr günstig scheint sich der Obstbau zu ent- 
wickeln. Wie nachstehende Zahlen ergeben, nimmt 
die Ausfuhr frischer Früchte merklich zu. Es 
wurden ausgeführt während der Fruchtsaison: 
1904/05: 24 000, 1905/06: 60 000, 1906//07: 
82 000, 1907/08: 173 000, 1908/09: 174 000 
und 1909/10: 202 000 Kisten. Auch getrocknete 
Früchte, deren Zubereitung einen wesentlichen 
Industriezweig der Westprovinz bildet, finden nicht 
nur in Südafrika, wo sie den importierten Artikel 
allmählich von der Einfuhr verdrängen, sondern 
auch in Europa einen willigen Markt. 
Im Molkereiwesen sind bedeutende Fortschritte 
zu verzeichnen. Zwar werden noch große Mengen 
australischer Butter eingeführt, die ihres billigen 
reises wegen vielfach begehrt wird, doch ver- 
— — 
  
*) 1 Acker = 40,5 a. 
  
drängt die einheimische Produktion die fremde 
Einfuhr immer mehr. Ahnlich verhält es sich 
mit der kolonialen Käsefabrikation. Auch konden- 
sierte Milch wird jetzt im Lande hergestellt. Die 
Regierung sucht nach Möglichkeit, z. B. durch Ge- 
währung finanzieller Unterstützungen, auf diesem 
Gebiete fördernd zu wirken. 
Es werden neuerdings Versuche gemacht, in 
der Kapprovinz neue Kulturen einzubürgern, 
vornehmlich handelt es sich dabei um die An- 
pflanzungen von Olivenbäumen sowie den Baum- 
woll= und Zuckerrübenbau. Mit der Olivenkultur 
ist im Westen der Kapprovinz begonnen worden, 
und die bisherigen Ergebnisse geben vielfach zu 
optimistischen Erwartungen Anlaß. Im Osten 
der Provinz, namentlich an den Küstenstrichen 
von East London, sollen ausgedehnte Baumwoll- 
felder angelegt werden, während im Nordosten 
Versuche gemacht werden, Zuckerrüben anzupflanzen. 
Bei einem Zuckergehalt der Rüben von 15 und 
16 v. H. glaubt man neben der in Natal be- 
stehenden Rohzuckerindustrie eine lohnende Rüben- 
zuckerkultur in der Kapprovinz entwickeln zu können. 
Die südafrikanische Landwirtschaft hat noch 
ein großes Arbeitsfeld vor sich. Dafür spricht 
allein der Umstand, daß von einem ertragsfähigen 
Boden von 177 000 000 Acker in der Kapkolonie, 
von denen sich 134 000 000 in Privatbesitz be- 
finden, nur eine Million bewirtschaftet wird. In 
ganz Südafrika sind nur etwa 3 Millionen Acker 
unter Kultur. Nicht nur sind es die ärmeren 
Bodenstriche der Karoo, welche kostspielige Irri- 
gationswerke bedürfen, um lohnenden Ertrag zu 
liefern, oder die nur unter einem System der 
Trockenkultur sich bebauen ließen, sondern selbst 
in der fruchtbaren Westprovinz liegen noch weite 
Strecken von reichem Ackerboden brach. 
Ahnlich dem noch wenig entwickelten Zustand 
der Landwirtschaft verhält es sich auch mit dem 
Bergbau in der Kapkolonie. Abgesehen von den 
Kimberley-Diamantminen und den Kupferminen 
im Namagqualande ist bisher noch wenig geschehen, 
um die in der Kapkolonie vorhandenen, angeblich 
reichen Minerallager der verschiedensten Arten 
(Kohlen, Zinn, Asbest usw.) in Abbau zu nehmen. 
Rühriger sieht es auf dem Gebiete des übrigen 
Industrie= und Gewerbewesens aus. Es zeigt 
sich allseitig das Bestreben, solche Waren von der 
Einfuhr allmählich auszuschließen, deren lohnende 
Fabrikation in Südafrika möglich ist. Außer den 
verschiedensten Nahrungsmitteln, wie Mollkerei- 
waren, Mehl, Zuckerwaren, Weine und dergleichen, 
sind es namentlich Haushaltungsartikel, wie Möbel, 
Kerzen, Seife, Leder= und auch Textilwaren, die 
man anfängt, im Lande selber herzustellen. Die 
verschiedenen südafrikanischen Fabrikantenvereini- 
gungen sind eifrig bemüht, von der Regierung
	        
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