Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXII. Jahrgang, 1911. (22)

W 382 20 
Koamerun. 
Zu den Geriüchten über Unruhen in Süd-Ramerun. 
Ülber das bereits in der Tagespresse kurz 
mitgeteilte Einschreiten der Station Dume 
gegen den Oberhäuptling Betugge ist nun- 
mehr ein Bericht des Bezirksleiters von Dume 
eingegangen, dem wir die nachstehenden Einzel- 
heiten entnehmen: 
Am Abend des 9. Februar traf anf der Station 
ein Brief des Kaufmanns Greve, Vertreters der 
Firma Randad und Stein (Pagenstecher u. Co.) 
in Betugge (an der Straße Dume—Bertua— 
Dengdeng), ein. Greve meldete, er fühle sich 
nicht mehr sicher und bat den Stationschef, rasch 
zu kommen; alles Weitere werde dieser an Ort 
und Stelle erfahren. 
Sofort verließ der Kompagnieführer Ober- 
leutnant Wegelin mit den augenblicklich ver- 
fügbaren Soldaten — 2 Dienstgraden und 
23 Mann — die Station, erreichte in elfstündigem 
Nachtmarsche Bertua, am gleichen Tage Jangelli 
und am 11. Februar morgens Betugge, das 
etwa 100 km von Dume entfernt ist. Er gewann 
den Eindruck, daß die Bevölkerung bei und 
nördlich Betugge bis Belongo, wo ebenfalls 
ein europäischer Kaufmann sitzt und wohin am 
12. Februar ein Orientierungsmarsch gemacht 
wurde, ruhig war. Dagegen mußte der Ober- 
häuptling Betugge am 13. Februar mit zwei 
Beratern festgenommen werden. Dies geschah in 
seinem Dorfe und in Anwesenheit seiner Unter- 
häuptlinge und eines Teils seiner Leute. 
Aus der gegen Betugge geführten dreitägigen 
Verhandlung gewann der Kompagnieführer zwar 
den sicheren Eindruck, daß Betugge die Ermordung 
des Kaufmanns Greve in der allernächsten Zeit 
beabsichtigt hatte, daß jedoch die Ausführung 
seines Plans an der Nichteinwilligung seiner 
Großleute und der Bevölkerung gescheitert war. 
Ein einwandfreier Beweis konnte jedoch nicht 
erbracht werden. Dagegen ist einwandfrei fest- 
gestellt, daß der Oberhäuptling Betugge sich dem 
letzten Aufstand der Nord-Makas anschließen 
wollte. Wenn der Anschluß tatsächlich nicht er- 
  
folgte, so war dies begründet in den Miberfolgen 
der aufständischen Maka und darin, daß die 
Unterhäuptlinge Betugges und die Bevölkerung 
sich — in Erinnerung an die früheren, im Kampfe 
gegen Major Dominik und Polizeimeister Müller 
erlittenen großen Verluste — seinen Aufreizungen 
gegenüber zunächst passiv, wenn nicht ablehnend 
verhielten. Betugge wurde wegen versuchten 
Hoch= und Landesverrats zu 15 Jahren Ketten- 
haft, zwei seiner Berater und Helfershelfer wurden 
zu 8 und 7 Jahren Kettenhaft unter Überführung 
nach Molundu verurteilt. Zugleich wurde die 
dauernde Verbannung der Verurteilten beantragt. 
Die Untersuchung gegen Betugge gab ein lehr- 
reiches Beispiel von der Denkart des Negers. 
Als Betugge sah, daß seine Leute in der Mehr- 
zahl auf seine Pläne nicht eingehen wollten, 
sagte er ihnen: „Ich bin ein alter Mann, ich 
werde bald sterben; mir kann alles gleich sein. 
Aber ein Weißer muß mit mir in die Grube. 
Ihr wißt ja, wie es der Weiße macht. Er packt 
dann mich nicht allein als den Schuldigen, sondern 
er bekriegt den Stamm in seiner Gesamtheit, 
und dann müßt Ihr wohl oder übel auch mit- 
tun. Schlagt also lieber sofort mit mir los.“ 
Und so wäre es wohl auch gekommen, wenn 
nicht rasch eingegriffen worden wäre. Man sieht, 
wie ein übles Element einen ganzer Stamm ins 
Verderben ziehen kann. 
Das überraschende Erscheinen der, wenn auch 
schwachen, Truppe und die Verurteilung Betugges 
und seiner nächsten Berater haben bei der Be- 
völkerung sichtlich großen Eindruck gemacht; es ist 
kaum anzunehmen, daß sie in nächster Zeit feind- 
lich wird. Sie zahlt ihre Kopfsteuern und hält 
die Wege im Stande, ist aber im übrigen furcht- 
sam und vor allem arbeitsschen. Zur Beruhigung 
des Kaufmanns Greve und zur Sicherung der 
Karawanenstraße im Bereiche von Betugge wurden 
3 Soldaten dort belassen. Der Kompagnieführer 
kehrte am 20. Februar nach der Station zurück.
	        
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