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* Die drahtlose Telegraphie in den deutschen
Kolonien.
Für alle Kolonialstaaten ist die technische
Weiterentwicklung der drahtlosen Tele-
graphie von höchstem Interesse, weil bei der
weiten Entfernung der meisten Kolonien vom
Mutterlande die Herstellung von Kabelverbin-
dungen infolge der außerordentlich hohen Anlage-
kosten — die Herstellungskosten von 1 km Fern-
sprechkabel betragen durchschnittlich 5000 bis
6000 — meistens erst mit zunehmender wirt-
schaftlicher Entwicklung der Kolonialgebiete ren-
tabel wird. Die drahtlose Telegraphie ist also
wegen ihrer bedeutend geringeren Anlage= und
Unterhaltungskosten bestimmt, namentlich für junge
und vom Weltverkehr abgelegene Wirtschaftsgebiete
die wünschenswerte Ergänzung zur Kabeltelegraphie
zu bilden. Voraussetzung hierbei ist dann natür-
lich, daß der drahtlose Betrieb auch auf inter-
kontinentale Reichweiten technisch sicher, pünktlich
und regelmäßig arbeitet.
Die bisherigen Systeme der drahtlosen Tele-
graphie haben sich auch dem Problem der Über-
brückung großer Entfernungen von 4000 km und
mehr mit großem Eifer gewidmet. Sie benutzen
als Mittel, die Kraft einer Dynamomaschine in
elektrische Wellen umzusetzen, den elektrischen
Funken bzw. Lichtbogen. Hierbei ist ein größerer
Energieverlust unvermeidlich. Neuerdings hat
Professor Dr. Goldschmidt die Lösung des Pro-
blems auf anderem Wege versucht: ohne den
Kraft verzehrenden Funken und Lichtbogen nur
mit einer Dynamomaschine Wechselströme von so
schnellem Wechsel zu erzeugen, wie sie die draht-
lose Telegraphie zur Speisung ihrer Luftleiter
bedarf, und diese Ströme dem Luftleiter un-
mittelbar zuzuführen.
Über seine Theorie und deren Bedeutung für
die praktische Weiterentwicklung der inter-
kontinentalen drahtlosen Telegraphie hat
sich Professor Goldschmidt bei den jüngst statt-
gehabten Verhandlungen der ko lonialtechnischen
Kommission des Kolonial-Wirtschaftlichen
Komitees folgendermaßen geäußert:
Man hat schon früher gehört, daß Entfernungen
wie von Deutschland nach Kamerun von etwa 6000 ##
drahtlos überbrückt worden sind. Solche Mitteilungen
sind mehrfach aufgetaucht, jedoch bald wieder dementiert
worden. Wenn es wirklich möglich gewesen ist, viele
Tausende Kilometer zu überbrücken, so waren das aus
irgendeinem Grunde nur Augenblickserfolge. Man
wußte selbst nicht weshalb, — aus sehr weiter Ferne
hatte man eben eine Botschaft aufgefangen.
Es handelt sich, wenn wir von einer drahtlosen
Verbindung zweier Punkte der Erde sprechen, nicht um
eine augenblickliche Verbindung und nicht um einen
wissenschaftlichen Erfolg, sondern darum, eine ständige
2.
Verbindung, eine Aulage herzustellen, die unter den
ungünstigsten Verhältuissen sunktioniert. Wir müssen
einen Sicherheitsgrad haben von 100 oder 200%% oder
wie man es sonst ausdrücken will.
Es ist eigentsich zu verwundern, daß wir noch
nicht mehr als bisher mit Bezug auf die Über-
brückung von Entfernungen erreicht haben. Der
innere Ausbau ist in letzter Zeit ganz außerordent-
lich fortgeschritten. Aber man hat gewissermaßen
eine Grenze in der sicheren Überbrückung von Ent-
fernungen gefunden. Anderseits sagt sich vielleicht
er Laie: unsere Leuchttürme haben ja auch nur
einen bestimmten Wirkungskreis. Warum kann man
denn nicht einen Leuchtturm bauen, der Hunderte von
km weit leuchtet? Man braucht ja nur ein genügend
starkes Licht hineinzusetzen! Dabei findet man aber
seine Grenze darin, dieses starke Licht zu erzeugen.
Oder warum sollte es unmöglich sein, mit einer
Glocke, wenn sie nur groß und stark genug ist, ein
Zeichen über sehr weite Entfernungen zu geben.
Aber man findet eben auch dort seine Grenze. So
hat man bisher auch bei der drahtlosen Telegraphie
eine Grenze gefunden.
Eine drahtlose Station besteht hauptsächlich aus
der sogenannten Antenne, d. h. aus einem Draht-
gebilde, das weit in die Luft hinaus gespannt ist. und
durch welches die elektrischen Wellen aus der Station
in die Luft hinein geschickt werden. Ein derartiges
Gebilde wird wie eine Glocke angestoßen und „tönt"
elektrisch. Wie die Schallwellen sich in der Luft fort-
pflanzen, so gehen von diesem Gebilde aus die elek-
trischen Wellen in den #ther, in die Welt hinaus.
Je stärker man nun die elektrischen Wellen macht,
um so weiter reichen sie. Bei zwei gegebenen Sta-
tionen — 3Z. B. von hier nach Straßburg, um irgend-
eine Entfernung zu nehmen — braucht man bei un-
günstigsten Verhältnissen so und soviel Ampdre Strom,
den man in Form von elektrischen Wellen hinausgeschickt,
um eine sichere Verbindung herzustellen. Um doppelt
so weit zu reichen, ist etwa der doppelte Strom
erforderlich. Darnach, sollte man meinen, könnte man
ungefähr ausrechnen, wieviel Pferdestärken mehr man
entsprechend der großen Entfernung braucht, um von
ier nach Afrika zu kommen. »
Aber ähnlich wie die Widerstandsfähigkeit der
Glocke selbst ihre Grenzen hat, verhält es sich bei der
elektrischen Antenne. Wenn man zuviel elektrische
Spannung anwendet, so geht die Isolierung entzwei;
denn man hat keine Antenne von solcher Widerstands-
fähigkeit, daß sie jede Kraft aushällt. »
Wenn man starke Schallwellen erzeugen will, so
nimmt man eine Sirene und verzichtet auf die Glocke.
Wenn man eine Glocke angeschlagen hat, so tönt sie
aus. Einen Moment tritt ein sehr starkes Ausstrahlen
von Schallwellen ein, die dann abklingen. Dann
kommt ein zweiter Schlag. Genau so ist es bei dem
elektrischen Funken. Der elektrische Funke entspricht
dem Schlag des Klöppels gegen die Glocke; in dem
Moment, wo der Funke übergeht, wird die Elektrizität
angestoßen, gewissermaßen genau so, wie die Luft an
dem Glockenrand in Bewegung gesetzt wird, und die
elektrische Welle klingt aus. Man nutzt nur einen
Teil der Zeit aus, die zur Verfügung stände. Man
muß sich gewissermaßen in einer Kurve die Zeit und
die Stärke der elektrischen Wellen dargestellt denken.
Die Stärke der elektrischen Wellen darf ein gewisses
egebenes Maximum nicht überschreiten, weil sonst die
Hlanon entzweigeht, und dann klingt diese Welle ab.
Um die Zeit voll auszunutzen, ist man dazu ge-