Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXII. Jahrgang, 1911. (22)

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* Die drahtlose Telegraphie in den deutschen 
Kolonien. 
Für alle Kolonialstaaten ist die technische 
Weiterentwicklung der drahtlosen Tele- 
graphie von höchstem Interesse, weil bei der 
weiten Entfernung der meisten Kolonien vom 
Mutterlande die Herstellung von Kabelverbin- 
dungen infolge der außerordentlich hohen Anlage- 
kosten — die Herstellungskosten von 1 km Fern- 
sprechkabel betragen durchschnittlich 5000 bis 
6000 — meistens erst mit zunehmender wirt- 
schaftlicher Entwicklung der Kolonialgebiete ren- 
tabel wird. Die drahtlose Telegraphie ist also 
wegen ihrer bedeutend geringeren Anlage= und 
Unterhaltungskosten bestimmt, namentlich für junge 
und vom Weltverkehr abgelegene Wirtschaftsgebiete 
die wünschenswerte Ergänzung zur Kabeltelegraphie 
zu bilden. Voraussetzung hierbei ist dann natür- 
lich, daß der drahtlose Betrieb auch auf inter- 
kontinentale Reichweiten technisch sicher, pünktlich 
und regelmäßig arbeitet. 
Die bisherigen Systeme der drahtlosen Tele- 
graphie haben sich auch dem Problem der Über- 
brückung großer Entfernungen von 4000 km und 
mehr mit großem Eifer gewidmet. Sie benutzen 
als Mittel, die Kraft einer Dynamomaschine in 
elektrische Wellen umzusetzen, den elektrischen 
Funken bzw. Lichtbogen. Hierbei ist ein größerer 
Energieverlust unvermeidlich. Neuerdings hat 
Professor Dr. Goldschmidt die Lösung des Pro- 
blems auf anderem Wege versucht: ohne den 
Kraft verzehrenden Funken und Lichtbogen nur 
mit einer Dynamomaschine Wechselströme von so 
schnellem Wechsel zu erzeugen, wie sie die draht- 
lose Telegraphie zur Speisung ihrer Luftleiter 
bedarf, und diese Ströme dem Luftleiter un- 
mittelbar zuzuführen. 
Über seine Theorie und deren Bedeutung für 
die praktische Weiterentwicklung der inter- 
kontinentalen drahtlosen Telegraphie hat 
sich Professor Goldschmidt bei den jüngst statt- 
gehabten Verhandlungen der ko lonialtechnischen 
Kommission des Kolonial-Wirtschaftlichen 
Komitees folgendermaßen geäußert: 
Man hat schon früher gehört, daß Entfernungen 
wie von Deutschland nach Kamerun von etwa 6000 ## 
drahtlos überbrückt worden sind. Solche Mitteilungen 
sind mehrfach aufgetaucht, jedoch bald wieder dementiert 
worden. Wenn es wirklich möglich gewesen ist, viele 
Tausende Kilometer zu überbrücken, so waren das aus 
irgendeinem Grunde nur Augenblickserfolge. Man 
wußte selbst nicht weshalb, — aus sehr weiter Ferne 
hatte man eben eine Botschaft aufgefangen. 
Es handelt sich, wenn wir von einer drahtlosen 
Verbindung zweier Punkte der Erde sprechen, nicht um 
eine augenblickliche Verbindung und nicht um einen 
wissenschaftlichen Erfolg, sondern darum, eine ständige 
  
2. 
Verbindung, eine Aulage herzustellen, die unter den 
ungünstigsten Verhältuissen sunktioniert. Wir müssen 
einen Sicherheitsgrad haben von 100 oder 200%% oder 
wie man es sonst ausdrücken will. 
Es ist eigentsich zu verwundern, daß wir noch 
nicht mehr als bisher mit Bezug auf die Über- 
brückung von Entfernungen erreicht haben. Der 
innere Ausbau ist in letzter Zeit ganz außerordent- 
lich fortgeschritten. Aber man hat gewissermaßen 
eine Grenze in der sicheren Überbrückung von Ent- 
fernungen gefunden. Anderseits sagt sich vielleicht 
er Laie: unsere Leuchttürme haben ja auch nur 
einen bestimmten Wirkungskreis. Warum kann man 
denn nicht einen Leuchtturm bauen, der Hunderte von 
km weit leuchtet? Man braucht ja nur ein genügend 
starkes Licht hineinzusetzen! Dabei findet man aber 
seine Grenze darin, dieses starke Licht zu erzeugen. 
Oder warum sollte es unmöglich sein, mit einer 
Glocke, wenn sie nur groß und stark genug ist, ein 
Zeichen über sehr weite Entfernungen zu geben. 
Aber man findet eben auch dort seine Grenze. So 
hat man bisher auch bei der drahtlosen Telegraphie 
eine Grenze gefunden. 
Eine drahtlose Station besteht hauptsächlich aus 
der sogenannten Antenne, d. h. aus einem Draht- 
gebilde, das weit in die Luft hinaus gespannt ist. und 
durch welches die elektrischen Wellen aus der Station 
in die Luft hinein geschickt werden. Ein derartiges 
Gebilde wird wie eine Glocke angestoßen und „tönt" 
elektrisch. Wie die Schallwellen sich in der Luft fort- 
pflanzen, so gehen von diesem Gebilde aus die elek- 
trischen Wellen in den #ther, in die Welt hinaus. 
Je stärker man nun die elektrischen Wellen macht, 
um so weiter reichen sie. Bei zwei gegebenen Sta- 
tionen — 3Z. B. von hier nach Straßburg, um irgend- 
eine Entfernung zu nehmen — braucht man bei un- 
günstigsten Verhältnissen so und soviel Ampdre Strom, 
den man in Form von elektrischen Wellen hinausgeschickt, 
um eine sichere Verbindung herzustellen. Um doppelt 
so weit zu reichen, ist etwa der doppelte Strom 
erforderlich. Darnach, sollte man meinen, könnte man 
ungefähr ausrechnen, wieviel Pferdestärken mehr man 
entsprechend der großen Entfernung braucht, um von 
ier nach Afrika zu kommen. » 
Aber ähnlich wie die Widerstandsfähigkeit der 
Glocke selbst ihre Grenzen hat, verhält es sich bei der 
elektrischen Antenne. Wenn man zuviel elektrische 
Spannung anwendet, so geht die Isolierung entzwei; 
denn man hat keine Antenne von solcher Widerstands- 
fähigkeit, daß sie jede Kraft aushällt. » 
Wenn man starke Schallwellen erzeugen will, so 
nimmt man eine Sirene und verzichtet auf die Glocke. 
Wenn man eine Glocke angeschlagen hat, so tönt sie 
aus. Einen Moment tritt ein sehr starkes Ausstrahlen 
von Schallwellen ein, die dann abklingen. Dann 
kommt ein zweiter Schlag. Genau so ist es bei dem 
elektrischen Funken. Der elektrische Funke entspricht 
dem Schlag des Klöppels gegen die Glocke; in dem 
Moment, wo der Funke übergeht, wird die Elektrizität 
angestoßen, gewissermaßen genau so, wie die Luft an 
dem Glockenrand in Bewegung gesetzt wird, und die 
elektrische Welle klingt aus. Man nutzt nur einen 
Teil der Zeit aus, die zur Verfügung stände. Man 
muß sich gewissermaßen in einer Kurve die Zeit und 
die Stärke der elektrischen Wellen dargestellt denken. 
Die Stärke der elektrischen Wellen darf ein gewisses 
egebenes Maximum nicht überschreiten, weil sonst die 
Hlanon entzweigeht, und dann klingt diese Welle ab. 
Um die Zeit voll auszunutzen, ist man dazu ge- 
 
	        
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