Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXII. Jahrgang, 1911. (22)

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noch tiefstehenden, so doch sehr entwicklungsfähigen 
und zahlreichen Volksstamm. 
In den Gebieten, welche die Mittelland- 
bahn durchschneiden wird, sind die Eingeborenen 
auch schon verständig genug, um die Bedeutung 
der Bahn zu würdigen und die für sie sich aus 
dem neuen Zustande ergebenden Folgerungen zu 
ziehen. Der Anbau von Kulturen aller Art, die 
jetzt noch keinen Absatz finden können, wird aller 
Voraussicht nach in großem Umfange von ihnen 
aufgenommen werden. Es ist Sache der Re- 
gierung, dieses Bestreben durch Rat und Tat zu 
unterstützen und es in die richtigen Bahnen zu 
lenken. Es wird deshalb alsbald an die Ein- 
setzung von landwirtschaftlichen Beamten 
und die Errichtung von Versuchsstationen, 
besonders in dem Edea= und Jaunde-Bezirk, 
herangegangen werden müssen. Im erstgenannten 
Bezirke, der wohl als der ölreichste des ganzen 
Schutzgebiets bezeichnet werden kann, kommt vor 
allem die sachgemäße Behandlung und die Reini- 
gung der ausgedehnten Olpalmenbestände in Frage, 
während in Jaunde neben der Erweiterung der 
Olpalmenbestände noch eine Reihe anderer Kulturen, 
wie die der Erdnüsse, Planten, Kassada, Mais usw., 
eine rationelle Behandlung und bedeutende Ver- 
mehrung erfahren müssen. In den weiter binnen- 
wärts gelegenen Distrikten wird es mit Rücksicht 
auf die großen Entfernungen zunächst wohl noch 
vorwiegend bei der Kautschukkultur verbleiben. 
ch habe, wie oben bereits erwähnt, das im 
östlichen Dume-Bezirk gelegene Haupthandels- 
gebiet für Gummi bereist, um mir möglichst 
aus eigener Anschauung ein Bild über die weiteren 
Aussichten des Gummihandels und über die Größe 
der noch vorhandenen Gummibestände machen 
zu können. Ich betone, daß ich nicht in der 
Lage war, selbst in die eigentlichen Produktions-= 
stellen des Kautschuks, die meist tief im Innern 
der Urwälder liegen, zu kommen. Immerhin 
habe ich Gelegenheit gehabt, sowohl durch eigene 
Beobachtungen wie durch Besprechungen mit den 
Kaufleuten und den Beamten der Gummi- 
inspektion einen Überblick zu gewinnen. Besonders 
wertvoll waren für mich die Erfahrungen des 
Gummüünspektors Treichel, den ich auf dem 
Djahposten traf und der in langen und mühe- 
vollen Reisen die Gummibestände im Lomie= und 
Molundu-Bezirke festgestellt und auch kartographisch 
festgelegt hat. 
Ich bin hiernach zu der Uberzeugung gelangt, 
daß die vorhandenen Bestände selbst bei Fort- 
setzung der jetzigen Produktionsart noch auf eine 
Reihe von Jahren hinaus ausreichen werden, um 
die angenblickliche Ausfuhr von Gummi zu ge- 
währleisten. Die gegenteiligen Anschauungen, daß 
Gummi höchstens noch für einige wenige Jahre 
  
da sei, entbehren jedenfalls einer irgendwie exakten 
Unterlage und sind ja, da sie schon seit länger 
als zehn Jahren von manchen Seiten geäußert 
wurden, durch die Tatsachen bereits widerlegt. 
Es hat sich ferner auch herausgestellt, daß Be- 
stände in den inzwischen vom Handel verlassenen 
Gebieten sich teilweise wieder erholt haben. 
Immerhin ist schwer zu sagen, wie lange der 
jetzige Vorrat noch reichen wird; es wird aber 
nicht zu optimistisch gerechnet sein, wenn man 
noch einen Zeitraum von etwa zehn Jahren hier- 
fer annimmt. 
Hiernach steht die Verwaltung vor der Auf- 
gabe, mindestens den jetzigen Export an Kautschuk, 
der an eigenem Werte und dementsprechenden 
Einfuhrwerte die Hauptrolle in der Handelsstatistik 
der Kolonie spielt und auf dem fast die Hälfte 
der jetzigen Zolleinnahmen beruht, auch für die 
späteren Jahre sicherzustellen. Dieses Ziel auf 
dem Wege einer pfleglichen Behandlung der Be- 
stände durch die Eingeborenen erreichen zu wollen, 
ist ausgeschlossen. Wenn die Bevölkerung auch 
infolge der fortgesetzten Belehrungen allmählich zu 
der Einsicht kommt, daß sie durch die Vernichtung 
der Bäume sich selbst in erster Linie schädigt und 
demgemäß das Umschlagen wohl gegen früher 
nachgelassen hat, so wird sie doch schwerlich dazu 
veranlaßt werden können, die Anzapfungen in 
wirklich rationeller und den Baum erhaltender 
Weise vorzunehmen, so lange das übliche starke 
Anzapfen in derselben Zeit die vielfachen Erträge 
liefert. Eine wirksame Kontrolle der Produktion 
würde bei den riesigen Entfernungen und der 
Untbersichtlichkeit der Urwälder ein Heer von 
Beamten beanspruchen, dessen Kosten zu dem zu 
erzielenden Nutzen in gar keinem Verhältnis stünde. 
Der einzige gangbare und Erfolg versprechende 
Weg besteht in der Neuanlage von Pflanzungen 
durch die Eingeborenen in großem Maßstabe. Es 
bedarf nach vorsichtiger Berechnung der Anpflan- 
zung von etwa zwei Millionen Kickrien pro Jahr, 
um nach zehn Jahren den jetzigen Export daraus 
allein zu decken. Die Beschaffung des erforder- 
lichen Samens und die Anzucht in Saatbeeten auf 
den verschiedenen Stationen der Kautschukinspektion 
läßt sich verhältnismäßig leicht durchführen, wie 
die jetzige Tätigkeit der einzelnen Stationen, die 
sich im wesentlichen hierauf konzentrierte, bereits 
gezeigt hat. Größere Schwierigkeiten bereitet da- 
gegen das Auspflanzen der Pflänzlinge durch die 
Eingeborenen und die Reinhaltung und über- 
wachung der Pflanzungen in der ersten Zeit. 
Dieser Teil der Aufgabe kann nur gelöst werden 
durch energische Unterstützung der Gummibeamten 
seitens der lokalen Verwaltungsbehörden. Ich 
glaube aber annehmen zu dürfen, daß diese jetzt 
von der Überzeugung durchdrungen sind, daß nur
	        
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