Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXII. Jahrgang, 1911. (22)

S 
würde mich freuen, wenn Libebe mich besuchte. 
Die Zeit bis zu Libebes Besuch benutzte ich, mich 
über Gegend und Verhältnisse zu orientieren. 
Am Nachmittag fuhr ich in einem von Libebe 
gesandten Boote den Okavango ein Stück hinauf 
und dann zu einer verlassenen Missionsstation. 
Durch den Fluß gehen hier sehr viele Felsriffe, 
die nordsüdlich streichen und den Fluß mit einem 
Gewirr von Blöcken und Felsinseln anfüllen. 
Vor der großen Insel Tahoe, auf der Libebe 
wohnt, liegt östlich eine zweite Insel Gumkue, 
westlich sind unmittelbar bei Libebes Werft zwei 
kleinere Inseln vorhanden. Wie wir wieder zu- 
rückfuhren, ging es durch die Schnellen sausend 
hinab. Über Felsblöcke und zwischen Felsen 
schäumt der Fluß dahin; nur ein kleiner Fehler 
im Steuern und das Boot ist dahin. Stolz er- 
zählten mir die Mambukuschu, daß Niangamas 
Leute hier stets ihre Boote verlören, sie zeigten 
mir verschiedene zerschmetterte Boote, die auf den 
Felsenriffen lagen. Wir hielten uns an der 
Südseite des Flusses und sahen aus dem Fels- 
gewirr auftauchend Libebes Kraal, am Fuße eines 
steilen 10 m hohen Felsgrates malerisch gelegen. 
Nachdem wir einen Kanon passiert, kamen wir 
in einen breiten ruhig fließenden Arm. Hier 
hatten wir zur Linken Libebes Insel Tahoe, 
zur Rechten das Festland und sahen gleich die 
Missionsstation vor uns. Sie machte einen recht 
traurigen Eindruck. In einem kleinen Garten 
fand ich zwei Gräber. Am nächsten Morgen 
ging ich am Ostufer des Flusses entlang bis zur 
Insel, wo der verstorbene Häuptling Andara- 
Libebe wohnte. Der Name der Andaraschen 
Insel ist Tsibanana. 
Als ich zurückkam, brachten mir die zu Libebe 
gesandten Boten die Nachricht, daß der Häuptling 
gleich kommen würde. Und er kam — der große 
Zauberer und Regenmacher, dessen Name bis an 
die Grenze des Kongostaats mit Scheu genannt 
wird. 
Libebe ist ein mittelgroßer, schlank gebauter 
Mann von etwa 35 bis 40 Jahren. Die hoch- 
gewölbte Stirn, fein geschnittene Nase, die wenig 
gewulsteten Lippen und der Blick verraten hohe 
Intelligenz. Das würdige Auftreten und die 
kleinen Füße und Hände zeigen sofort einen 
Mann aus vornehmer Familie. Dagegen ver- 
rieten seine recht abgetragene Jacke und sein Hut, 
das Fehlen des Hemdes, der Beinkleider und 
Stiefel Libebes geringe staatliche Einkünfte. 
Unsere erste Unterredung dauerte etwa zwei 
Stunden. Aus dieser und aus späteren Unter- 
redungen gewann ich folgendes Bild über die 
politische Lage: 
Andara hatte bei seinen Lebzeiten Libebe 
als Nachfolger bestimmt und Munkoya, der 
  
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nach Geburtsrecht mehr Anspruch hatte, von der 
Nachfolge ausgeschlossen, weil Munkoya ein schlech- 
ter Charakter war. Dies führte zur Spaltung 
des Mambukuschu-Stammes. Ein Teil zog fort 
mit Munkoya, der jetzt am Luyana sitzt, ein Teil 
blieb bei Libebe. Der ehrgeizige Munkoya intri- 
gierte nun häufig gegen Libebe und suchte den 
Häuptling Niangama für sich zu gewinnen, um 
alleiniger Häuptling der Mambukuschu zu werden 
und in den Besitz der Regen bringenden Zauber- 
mittel zu gelangen, die Andara an Libebe über- 
geben hatte. So hat Libebe an Niangama 
und Munkoya zwei Gegner, die ihn fortgesetzt 
bedrohen. Aber von Süden her trat eine noch 
größere Gefahr für seine Selbständigkeit auf; 
nämlich die Eroberungsgelüste der Botanana am 
Ngami. Hier war der Häuptling Moremi auf 
Veranlassung seines ehrgeizigen Neffen Sechome 
1893 von dem Großmann Rampuru vergfftet 
worden. Da Moremi nur einen minderjährigen 
Sohn Matibi hatte, eignete sich Sechome die 
Häuptlingswürde an und überließ dem Rampurn 
als Lohn für die Beseitigung Moremis den 
Mambukuschu-Stamm Libebe zur Eroberung. 
Rampuru unterwarf nun den Mambukuschu- 
Stamm, ohne weiteren Widerstand zu finden, 
führte die meisten Leute in Haussklaverei ab und 
siedelte sie bei Kangara an. Libebe verlegte 
seinen Wohnsitz von der Andara-Insel nach 
Tahoe, wo er, umgeben von Stromschnellen, 
verhältnismäßig sicher sitzt. Er machte jetzt den 
Eindruck eines Fürsten ohne Volk und Macht. 
Libebe übersieht seine Lage klar, und das ist der 
Grund, weshalb er Anlehnung an uns sucht. 
Libebe bat mich um Rükkgabe seines Volkes. Ich 
sagte ihm, ich würde seine Worte dem Gouver- 
neur weitergeben. " 
Ich blieb nun bei Libebe einige Zeit. Täglich 
ausgesandte Jagdpatrouillen hatten zuerst Erfolg, 
die letzten drei Tage brachten sie nichts, und nur 
mit Mühe erstand ich etwas Korn und Milch, 
um den Leuten überhaupt etwas zu geben. Ich 
fuhr in dieser Zeit einmal den Okavango etwa 
15 km stromauf. Oberhalb Andaras Insel Tsi- 
banona fließt der etwa 150 bis 200 m breite 
Fluß ohne Schnellen in einem Bett dahin, unter- 
halb teilt er sich, bildet zuerst die Inseln Sikuyn 
und Tsibonana, die ein Stück weit neben- 
einanderliegen, dann die große Insel Mukwe, 
an deren Ostseite die kleinere Insel Libuyu liegt. 
Hierauf ist der Fluß durchsetzt von kleinen Inseln. 
Dann kommen die recht großen Inseln Kaku- 
munga, Schamgongo und Tangelimba. Wenn 
man nun ein etwa 300 bis 400 m langes un- 
unterbrochenes Gewirr von Felsblöcken, kleinen 
Inseln und Schnellen hinter sich hat, sieht man 
Libebes Werft auf Tahoe vor sich. Bis zu diesem
	        
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