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würde mich freuen, wenn Libebe mich besuchte.
Die Zeit bis zu Libebes Besuch benutzte ich, mich
über Gegend und Verhältnisse zu orientieren.
Am Nachmittag fuhr ich in einem von Libebe
gesandten Boote den Okavango ein Stück hinauf
und dann zu einer verlassenen Missionsstation.
Durch den Fluß gehen hier sehr viele Felsriffe,
die nordsüdlich streichen und den Fluß mit einem
Gewirr von Blöcken und Felsinseln anfüllen.
Vor der großen Insel Tahoe, auf der Libebe
wohnt, liegt östlich eine zweite Insel Gumkue,
westlich sind unmittelbar bei Libebes Werft zwei
kleinere Inseln vorhanden. Wie wir wieder zu-
rückfuhren, ging es durch die Schnellen sausend
hinab. Über Felsblöcke und zwischen Felsen
schäumt der Fluß dahin; nur ein kleiner Fehler
im Steuern und das Boot ist dahin. Stolz er-
zählten mir die Mambukuschu, daß Niangamas
Leute hier stets ihre Boote verlören, sie zeigten
mir verschiedene zerschmetterte Boote, die auf den
Felsenriffen lagen. Wir hielten uns an der
Südseite des Flusses und sahen aus dem Fels-
gewirr auftauchend Libebes Kraal, am Fuße eines
steilen 10 m hohen Felsgrates malerisch gelegen.
Nachdem wir einen Kanon passiert, kamen wir
in einen breiten ruhig fließenden Arm. Hier
hatten wir zur Linken Libebes Insel Tahoe,
zur Rechten das Festland und sahen gleich die
Missionsstation vor uns. Sie machte einen recht
traurigen Eindruck. In einem kleinen Garten
fand ich zwei Gräber. Am nächsten Morgen
ging ich am Ostufer des Flusses entlang bis zur
Insel, wo der verstorbene Häuptling Andara-
Libebe wohnte. Der Name der Andaraschen
Insel ist Tsibanana.
Als ich zurückkam, brachten mir die zu Libebe
gesandten Boten die Nachricht, daß der Häuptling
gleich kommen würde. Und er kam — der große
Zauberer und Regenmacher, dessen Name bis an
die Grenze des Kongostaats mit Scheu genannt
wird.
Libebe ist ein mittelgroßer, schlank gebauter
Mann von etwa 35 bis 40 Jahren. Die hoch-
gewölbte Stirn, fein geschnittene Nase, die wenig
gewulsteten Lippen und der Blick verraten hohe
Intelligenz. Das würdige Auftreten und die
kleinen Füße und Hände zeigen sofort einen
Mann aus vornehmer Familie. Dagegen ver-
rieten seine recht abgetragene Jacke und sein Hut,
das Fehlen des Hemdes, der Beinkleider und
Stiefel Libebes geringe staatliche Einkünfte.
Unsere erste Unterredung dauerte etwa zwei
Stunden. Aus dieser und aus späteren Unter-
redungen gewann ich folgendes Bild über die
politische Lage:
Andara hatte bei seinen Lebzeiten Libebe
als Nachfolger bestimmt und Munkoya, der
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nach Geburtsrecht mehr Anspruch hatte, von der
Nachfolge ausgeschlossen, weil Munkoya ein schlech-
ter Charakter war. Dies führte zur Spaltung
des Mambukuschu-Stammes. Ein Teil zog fort
mit Munkoya, der jetzt am Luyana sitzt, ein Teil
blieb bei Libebe. Der ehrgeizige Munkoya intri-
gierte nun häufig gegen Libebe und suchte den
Häuptling Niangama für sich zu gewinnen, um
alleiniger Häuptling der Mambukuschu zu werden
und in den Besitz der Regen bringenden Zauber-
mittel zu gelangen, die Andara an Libebe über-
geben hatte. So hat Libebe an Niangama
und Munkoya zwei Gegner, die ihn fortgesetzt
bedrohen. Aber von Süden her trat eine noch
größere Gefahr für seine Selbständigkeit auf;
nämlich die Eroberungsgelüste der Botanana am
Ngami. Hier war der Häuptling Moremi auf
Veranlassung seines ehrgeizigen Neffen Sechome
1893 von dem Großmann Rampuru vergfftet
worden. Da Moremi nur einen minderjährigen
Sohn Matibi hatte, eignete sich Sechome die
Häuptlingswürde an und überließ dem Rampurn
als Lohn für die Beseitigung Moremis den
Mambukuschu-Stamm Libebe zur Eroberung.
Rampuru unterwarf nun den Mambukuschu-
Stamm, ohne weiteren Widerstand zu finden,
führte die meisten Leute in Haussklaverei ab und
siedelte sie bei Kangara an. Libebe verlegte
seinen Wohnsitz von der Andara-Insel nach
Tahoe, wo er, umgeben von Stromschnellen,
verhältnismäßig sicher sitzt. Er machte jetzt den
Eindruck eines Fürsten ohne Volk und Macht.
Libebe übersieht seine Lage klar, und das ist der
Grund, weshalb er Anlehnung an uns sucht.
Libebe bat mich um Rükkgabe seines Volkes. Ich
sagte ihm, ich würde seine Worte dem Gouver-
neur weitergeben. "
Ich blieb nun bei Libebe einige Zeit. Täglich
ausgesandte Jagdpatrouillen hatten zuerst Erfolg,
die letzten drei Tage brachten sie nichts, und nur
mit Mühe erstand ich etwas Korn und Milch,
um den Leuten überhaupt etwas zu geben. Ich
fuhr in dieser Zeit einmal den Okavango etwa
15 km stromauf. Oberhalb Andaras Insel Tsi-
banona fließt der etwa 150 bis 200 m breite
Fluß ohne Schnellen in einem Bett dahin, unter-
halb teilt er sich, bildet zuerst die Inseln Sikuyn
und Tsibonana, die ein Stück weit neben-
einanderliegen, dann die große Insel Mukwe,
an deren Ostseite die kleinere Insel Libuyu liegt.
Hierauf ist der Fluß durchsetzt von kleinen Inseln.
Dann kommen die recht großen Inseln Kaku-
munga, Schamgongo und Tangelimba. Wenn
man nun ein etwa 300 bis 400 m langes un-
unterbrochenes Gewirr von Felsblöcken, kleinen
Inseln und Schnellen hinter sich hat, sieht man
Libebes Werft auf Tahoe vor sich. Bis zu diesem