Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXII. Jahrgang, 1911. (22)

634 ꝛ 
wohl von den Leuten zugesteckt wurden. Hier in 
Kuntunge hatten wir auch einige Stunden leichten 
Regen, den einzigen auf der ganzen Reise. Die 
Leute waren überaus freundlich, und es erboten 
sich auch gleich Führer, die mit uns zum „nächsten“ 
Dorf gehen wollten. Sie bedeuteten uns zwar, 
daß es dahin sehr weit sein solle, und man 
zweimal schlafen müßte; wir gaben aber nichts 
darauf und hofften abends wieder ein Dorf zu 
erreichen. Nicht sehr weit vom Dorfe entfernt 
begann der Wald, und unser Weg zog sich über 
einen Höhenrücken hin, allmählich ansteigend. 
Um 10 Uhr erreichten wir 2100 m, und die 
Temperatur betrug 19 Grad Celsius; das Schwitzen 
hatte für uns aufgehört. Es war kein klarer 
Tag und zeitweilig etwas Nebel. Wenn hier 
auch Bäume von so riesigen Dimensionen wie 
auf 600 m nicht mehr vorkommen, so war es 
doch immer noch ein prächtiger Hochwald, durch 
den wir marschierten, und namentlich hohe Nadel- 
hölzer waren ziemlich häufig. Merkwürdig war 
auch, daß hier soviele mit Stacheln bewehrte 
Gewächse vorkamen. Wir bedauerten lebhaft, 
daß kein Botaniker bei uns war; ein solcher hätte 
sicher reiche Ausbeute an interessanten Sachen 
machen können. Auch in bezug auf Tier= und 
Vogelwelt wäre da wohl manches zu entdecken 
gewesen; allein wollten wir einmal auf einen 
unbekannten Vogelruf hin näher zusehen, dann 
drängten unsere Führer sofort zum Weitergehen. 
Mit der Jagd ist auf Expeditionen, die sich nicht 
eigens zu diesem Zwecke aufhalten wollen, über- 
haupt wenig los, wir konnten kaum einige Vögel 
für den Kochtopf erbeuten. Unser Weg ging 
ziemlich gerade und stetig bergan, die Marsch- 
richtung war Nordwest. Ohne einmal gerastet 
zu haben, marschierten wir bis abends ½5 Uhr 
durch, wo wir eine Höhe von 2700 m erreicht 
hatten. Wir machten nun im Wald Lager und 
kochten ab. Die Temperatur war 18 Grad Celsius 
und für uns und unsere Begleiter reichlich kalt. 
Die Eingeborenen waren kaum noch vom Feuer 
weg zu bekommen. Sie bauten auch ihre Schutz- 
hütte ungenügend und waren trotz allen Zu- 
redens nicht zu bewegen, sich reichlich Brennholz 
zu sammeln, obschon es in Menge in nächster 
Nähe herumlag. Wir sagten ihnen, daß sie das 
in der Nacht büßen müßten, und so kam es auch. 
Um 9 Uhr war das Thermometer schon auf 
15 Grad Celsius gefallen, und früh um 6 Uhr 
zeigte es 11 Grad Celsius. Die Leute froren 
ganz erbärmlich und uns ging es nicht besser, 
obschon wir alles dreifach angezogen, die leichte 
Tropenkleidung war hier vollkommen unzureichend. 
Unsere Hoffnung war, daß es am anderen Tage 
wieder abwärts — wie wir annahmen, auf der 
Markhamseite — gehen würde. Wir ließen als 
  
Extrazugabe für die Leute morgens Erbswurst- 
suppe kochen, und das brachte sie bald auf die 
Beine. Es ging zunächst auch etwa 100 m 
bergab, und nach anderthalb Stunden kamen wir 
auch aus dem Wald heraus. Wir befanden uns 
auf einer sehr schönen Bergwiese, welche sich lang 
in einem Tal hinzog. Hier waren fast alle 
europäischen Wiesenblumen zu sehen, für uns ein 
wunderbarer Anblick. Die beiderseitigen Hänge 
waren mit Zypressen und verschiedenen Fichten- 
und Tannenarten bestanden. Nur die über die 
ganze Grasfläche hin zerstreut stehenden eigen- 
tümlichen Baumfarne mit dicken Stämmen und 
verhältnismäßig kurzen Blättern erinnerten daran, 
daß man sich noch in den Tropen befand. Dabei 
war bei hellem Sonnenschein eine angenehme 
Temperatur von 20,5 Grad Celsius. Gegen 
11 Uhr kamen wir dann in einen abgebrannten 
Wald, der sich über einige Tausend Hektar er- 
strecken mochte. Soviel wir aus unseren Be- 
gleitern herausbringen konnten, werden die Wälder 
von den Eingeborenen zu Jagdzwecken angezündet. 
Es muß also dort oben bedeutende Trockenperioden 
geben. Um 4 Uhr machten wir in einem Gras- 
tale auf 2720 m zum zweiten Male Lager, ohne 
das ersehnte Dorf erreicht zu haben. Ein frisches 
Wasser und in der Nähe befindliches Gehölz be- 
stimmten uns dazu. Diesmal waren unsere Jungen 
vorsorglicher; sie bauten sich eine gute Grashütte 
und schleppten so viel Holz herbei, daß sogar 
am anderen Tage noch welches übrig geblieben 
war. Die Temperaturverhältnisse waren nahezu 
die gleichen wie in der vorhergehenden Nacht: 
früh 6 Uhr 10 Grad Celsius. Am anderen Tage 
trafen wir gegen 9 Uhr auf ein schönes, klares 
Flüßchen, das ziemlich reichlich Wasser führte 
(etwa 2 chm pro Sekunde), und wir dachten 
schon, vielleicht einen Nebenfluß des Markham 
vor uns zu haben. Allein statt nach Westen floß 
er nach Nordost, und unsere Begleiter belehrten 
uns bald, daß das der Bulong sei. Nach einigen 
Stunden wurde uns auch die ganze Situation 
klar. Vor uns hatten wir genau im Westen 
einen 4000 m hohen Gebirgszug, auf welchem 
offenbar der Bulong entspringt. Hinter diesem 
Höhenzug wurden noch andere, höhere Kuppen 
sichtbar, und namentlich eine charakteristische, 
mächtige Kuppe stieg in nicht allzu großer Ferne 
empor, der wir zu Ehren Seiner Königlichen 
Hoheit des Prinzregenten von Bayern den Namen 
„Luitpoldberg" gaben. Es war dies der einzige 
Punkt, den wir benannt haben. Bis 4000 m 
steht noch üppiger Wald, die höheren Züge und 
Kuppen aber sind mit Gras bestanden, dazwischen 
sind nackte Felswände ziemlich zahlreich sichtbar. 
Der Luitpoldberg ist reichlich 5000 m hoch; wir 
hatten uns allmählich eine ziemliche Fertigkeit im
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.