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Erstens: daß die im Jahre 1885 vom Land-
messer Mr. Wrey vollzogene Absteckung der Süd-
grenze des Walfischbai-Gebietes für Deutschland
nicht verbindlich ist, insofern diese Macht weder
an ihrer Ausführung teilgenommen noch nachher
derselben ihre Zustimmung gewährt hat;
Zweitens: daß, da besagte Absteckung die
erwähnte Südgrenze genau und richtig festsetzt,
sie fortan, auf Grund dieses Schiedsspruches, als
genaue Bestimmung der streitigen Grenze ange-
nommen werden muß, welche daher den Ausgangs-
punkt und den Endpunkt, die Mr. Wrey bezeich-
net, haben soll, indem sie, zwischen beiden, durch
die übrigen Punkte hindurchgeht, an denen er die
gegenwärtigen dazwischen liegenden Grenzmale
errichtete."“
Der Schiedsspruch rechtfertigt die deutsche
Auffassung über die Wreysche Grenzvermarkung
insofern, als durch denselben anerkannt wird, daß
die von dem Genannten im Jahre 1885 einseitig
und ohne Hinzuziehung der deutschen Behörden
vorgenommene Grenzfeststellung für Deutschland
als nicht verbindlich erklärt wird. Andererseits
aber wird im zweiten Teil des Schiedsspruches
zu Recht erkannt, daß die von dem genannten
Landmesser festgesetzten Grenzpunkte tatsächlich die
zukünftige Grenze des britischen Walfischbai-Gebietes
zum Ausdruck bringen. Materiell ist also Deutsch-
land in dem Schiedsverfahren unterlegen.
Um die Streitfrage kurz zu skizzieren, sei be-
merkt, daß sich dieselbe — abgesehen von der
Frage, ob der südlichste Punkt der Westgrenze des
Walkfischbai-Gebietes an der Küste 15 Seemeilen
—27,8km, wie England behauptete, oder 15 Statute
miles = 24,1 km südlich vom Pelican Point
liege, wie deutscherseits angenommen wurde —
in der Hauptsache um die Auslegung des Sinnes
der drei Worte ineluding the plateaue drehte.
Der Landmesser Wrey hatte angenommen, daß
Capt. Dyer unter „Plateau“ das Flußtal des
Kuisib von der Missionsstation Scheppmansdorf
aufwärts bis zu den Wasserstellen von Ururas
gemeint habe und diese Auffassung hatte die bri-
tische Regierung zu der ihrigen gemacht. Deut-
scherseits war stets die Ansicht vertreten worden,
daß das nördlich von der Hochfläche der Namib
und südlich von hohen Sanddünen eingeschlossene
Flußbett des Kuisib östlich von Scheppmansdorf
im Vergleich zu seiner Umgebung keineswegs als
ein „Plateau“ bezeichnet werden könne und daß
die Ostgrenze des britischen Territoriums demge-
mäß von der Missionsstation im Flußbett des
Kuisib keine weitere Ausbiegung bis Ururas nach
Osten machen dürfe, sondern direkt nach Norden
zum Rooikop“) zu verlaufen habe und daß Capt.
Dyer mit den Worten »ineluding the plateau«
einen Teil der Namib nordwestlich von Schepp-
mansdorf gemeint habe. Zur Begründung dieser
Ansicht wurde deutscherseits auf verschiedene Vor-
kommnisse und Zeugenaussagen Bezug genommen,
die nach Auffassung der deutschen Regierung ge-
eignet erschienen, darzutun, daß bis zur Wrey-
schen Grenzvermarkung die Ansicht der britischen
Beamten in Walfischbai und die communis opinio
der dortigen Ansiedler dahin gegangen sei, daß
die Grenze von Scheppmansdorf direkt nach Norden
zu dem auf der Namib gelegenen Rooikop oder
der Roten Kuppe verlaufe. Der Schiedsrichter
hat nach sehr eingehender Prüfung aller von den
Parteien gelieferten Unterlagen, Beweise, Einwände
und Gegeneinwände sowie nach persönlicher In-
augenscheinnahme des Streitobjektes das fragliche
Gebiet von Rechts wegen Großbritannien zu-
gesprochen.
Der Grenzstreit hatte im wesentlichen nur
eine prinzipielle Bebeutung, materiell ist der Ver-
lust des strittigen Gebietes, das etwa 85 qakm
umfaßt, für das Schutzgebiet von geringer Be-
deutung. Denn von diesen 85 akm entfällt der
größere Teil auf wertlosen Namibboden, und nur
ein kleiner, etwa 15 bis 20 qklm, auf das mit
etwas Gras und Anabäumen, deren Schoten als
Viehfutter dienen, bestandene Kuisibtal zwischen
Scheppmansdorf und Ururas.
Vom Bahnbau Karibib—heetmanshoop.“")
(Erstes Halbjahr 1911.)““#)
Auf dem Südstück wurden die ausführlichen
Vorarbeiten ungefähr bis Marienthal gefördert;
betriebsfähig waren Ende Juni 182 km.
Die gesundheitlichen Verhältnisse waren
ständig gut. Die Arbeiterzahl ließ sich wieder
auf die normale Höhe bringen. Ende Junie
waren etwa 180 weiße Handarbeiter ohne die
Soldaten, 1915 Kapjungen und 275 Eingeborene
beschäftigt.
Auf dem Nordstück wurde die Bauachse bis
zum Kilometer 110 südlich von Windhuk abgesteckt.
Auf der Umbaustrecke lag das neue Gleis
*) Hinsichtlich des „Rooikop“ hatte man sich schon
früher dahin geeinigt, daß Capt. Dyer in seiner Prokla-
mation statt „Rooibank“ offenbar „Rooikop“ hatte
sagen wollen.
"*““) Vgl. „D. Kol. Bl.“ 1911, Nr. 20, S. 759.
*“ Uber das vorhergehende Halbjahr vgl. „D. Kol.
Bl.“ 1911, Nr. 9,