Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXII. Jahrgang, 1911. (22)

G 803 20 
Erstens: daß die im Jahre 1885 vom Land- 
messer Mr. Wrey vollzogene Absteckung der Süd- 
grenze des Walfischbai-Gebietes für Deutschland 
nicht verbindlich ist, insofern diese Macht weder 
an ihrer Ausführung teilgenommen noch nachher 
derselben ihre Zustimmung gewährt hat; 
Zweitens: daß, da besagte Absteckung die 
erwähnte Südgrenze genau und richtig festsetzt, 
sie fortan, auf Grund dieses Schiedsspruches, als 
genaue Bestimmung der streitigen Grenze ange- 
nommen werden muß, welche daher den Ausgangs- 
punkt und den Endpunkt, die Mr. Wrey bezeich- 
net, haben soll, indem sie, zwischen beiden, durch 
die übrigen Punkte hindurchgeht, an denen er die 
gegenwärtigen dazwischen liegenden Grenzmale 
errichtete."“ 
Der Schiedsspruch rechtfertigt die deutsche 
Auffassung über die Wreysche Grenzvermarkung 
insofern, als durch denselben anerkannt wird, daß 
die von dem Genannten im Jahre 1885 einseitig 
und ohne Hinzuziehung der deutschen Behörden 
vorgenommene Grenzfeststellung für Deutschland 
als nicht verbindlich erklärt wird. Andererseits 
aber wird im zweiten Teil des Schiedsspruches 
zu Recht erkannt, daß die von dem genannten 
Landmesser festgesetzten Grenzpunkte tatsächlich die 
zukünftige Grenze des britischen Walfischbai-Gebietes 
zum Ausdruck bringen. Materiell ist also Deutsch- 
land in dem Schiedsverfahren unterlegen. 
Um die Streitfrage kurz zu skizzieren, sei be- 
merkt, daß sich dieselbe — abgesehen von der 
Frage, ob der südlichste Punkt der Westgrenze des 
Walkfischbai-Gebietes an der Küste 15 Seemeilen 
—27,8km, wie England behauptete, oder 15 Statute 
miles = 24,1 km südlich vom Pelican Point 
liege, wie deutscherseits angenommen wurde — 
in der Hauptsache um die Auslegung des Sinnes 
der drei Worte ineluding the plateaue drehte. 
Der Landmesser Wrey hatte angenommen, daß 
Capt. Dyer unter „Plateau“ das Flußtal des 
Kuisib von der Missionsstation Scheppmansdorf 
aufwärts bis zu den Wasserstellen von Ururas 
gemeint habe und diese Auffassung hatte die bri- 
tische Regierung zu der ihrigen gemacht. Deut- 
scherseits war stets die Ansicht vertreten worden, 
daß das nördlich von der Hochfläche der Namib 
und südlich von hohen Sanddünen eingeschlossene 
Flußbett des Kuisib östlich von Scheppmansdorf 
im Vergleich zu seiner Umgebung keineswegs als 
ein „Plateau“ bezeichnet werden könne und daß 
die Ostgrenze des britischen Territoriums demge- 
mäß von der Missionsstation im Flußbett des 
Kuisib keine weitere Ausbiegung bis Ururas nach 
Osten machen dürfe, sondern direkt nach Norden 
  
zum Rooikop“) zu verlaufen habe und daß Capt. 
Dyer mit den Worten »ineluding the plateau« 
einen Teil der Namib nordwestlich von Schepp- 
mansdorf gemeint habe. Zur Begründung dieser 
Ansicht wurde deutscherseits auf verschiedene Vor- 
kommnisse und Zeugenaussagen Bezug genommen, 
die nach Auffassung der deutschen Regierung ge- 
eignet erschienen, darzutun, daß bis zur Wrey- 
schen Grenzvermarkung die Ansicht der britischen 
Beamten in Walfischbai und die communis opinio 
der dortigen Ansiedler dahin gegangen sei, daß 
die Grenze von Scheppmansdorf direkt nach Norden 
zu dem auf der Namib gelegenen Rooikop oder 
der Roten Kuppe verlaufe. Der Schiedsrichter 
hat nach sehr eingehender Prüfung aller von den 
Parteien gelieferten Unterlagen, Beweise, Einwände 
und Gegeneinwände sowie nach persönlicher In- 
augenscheinnahme des Streitobjektes das fragliche 
Gebiet von Rechts wegen Großbritannien zu- 
gesprochen. 
Der Grenzstreit hatte im wesentlichen nur 
eine prinzipielle Bebeutung, materiell ist der Ver- 
lust des strittigen Gebietes, das etwa 85 qakm 
umfaßt, für das Schutzgebiet von geringer Be- 
deutung. Denn von diesen 85 akm entfällt der 
größere Teil auf wertlosen Namibboden, und nur 
ein kleiner, etwa 15 bis 20 qklm, auf das mit 
etwas Gras und Anabäumen, deren Schoten als 
Viehfutter dienen, bestandene Kuisibtal zwischen 
Scheppmansdorf und Ururas. 
Vom Bahnbau Karibib—heetmanshoop.“") 
(Erstes Halbjahr 1911.)““#) 
Auf dem Südstück wurden die ausführlichen 
Vorarbeiten ungefähr bis Marienthal gefördert; 
betriebsfähig waren Ende Juni 182 km. 
Die gesundheitlichen Verhältnisse waren 
ständig gut. Die Arbeiterzahl ließ sich wieder 
auf die normale Höhe bringen. Ende Junie 
waren etwa 180 weiße Handarbeiter ohne die 
Soldaten, 1915 Kapjungen und 275 Eingeborene 
beschäftigt. 
Auf dem Nordstück wurde die Bauachse bis 
zum Kilometer 110 südlich von Windhuk abgesteckt. 
Auf der Umbaustrecke lag das neue Gleis 
*) Hinsichtlich des „Rooikop“ hatte man sich schon 
früher dahin geeinigt, daß Capt. Dyer in seiner Prokla- 
mation statt „Rooibank“ offenbar „Rooikop“ hatte 
sagen wollen. 
"*““) Vgl. „D. Kol. Bl.“ 1911, Nr. 20, S. 759. 
*“ Uber das vorhergehende Halbjahr vgl. „D. Kol. 
Bl.“ 1911, Nr. 9,
	        
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