Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXII. Jahrgang, 1911. (22)

W 953 2c0 
gemeinen Grundsätze des Rechtes entschieden 
werden müssen, da ja weder in dem erwähnten 
Abkommen vom Jahre 1890 noch in der er- 
gänzenden Erklärung in Berlin vom 30. Januar 
1909 irgend etwas enthalten ist, was den 
Schiedsrichter dazu ermächtigt, seine Entscheidung 
auf andere Regeln zu gründen, indem es der 
feststehenden Theorie und Praxis gemäß offen- 
kundig ist, daß eine solche Ermächtigung nicht 
angenommen werden darf. 
IV. In der Erwägung, daß bezüglich der 
ersten der angeführten Fragen übereinstimmend 
anerkannt wird, daß ihre Lösung davon ab- 
hängt, wie die in der Annexionsproklamation 
vom 12. März 1878 und in den späteren, 
dieselbe bestätigenden amtlichen Aktenstücken an- 
gewandte Redeweise „mit Einschluß des Plateaus“ 
ausgelegt wird, aus welchem Grunde es not- 
wendig ist, die Auslegung, die den genannten 
Worten gegeben werden muß, festzustellen und 
dazu die allgemeinen Grundsätze des Rechtes zu 
benutzen, welche dieselben sind als die, die das 
internationale Recht zuläßt, und gemäß welchen 
man zur Feststellung des eingebenden Gedankens 
einer Neigung oder Handlung auf die 
grammatische Bedeutung der angewandten Aus- 
drücke, auf die Folgen, die sich aus der Auf- 
fassung dieser Ausdrücke in einem oder einem 
anderen Sinne ergeben, und auf die Tatsachen 
oder die vorausgegangenen Umstände, die zu ihrer 
Erklärung beitragen, achtgeben muß. 
In der Erwägung, daß man der er- 
wähnten Redeweise und zwar, um dieser Rede- 
weise die Bedeutung zu geben, die ihr in 
Gemäßheit des Rechtes zukommt, an erster 
Stelle das festsetzen muß, was die Annexions-= 
proklamation oder ihr Verfasser, der Kommandaut 
Dyer, unter dem Worte „Plateau“ verstand, 
nämlich entweder die Hochebene der Namibwüste, 
wie in den Darlegungen Deutschlands behauptet 
wird, oder einen Teil des Tales des Kutisipflusses, 
der sich zwischen den Missionsgebäuden von 
Scheppmansdorf und Ururas befindet, wie in 
den Darlegungen Englands behauptet wird. 
VI. In der Erwägung, daß, obwohl zu- 
gegeben wird, daß man gewöhnlich unter 
„Plateau“ Gmeseta“) eine „Hochebene“ (lanura 
elevada“) versteht, dieses zweite Kennzeichen 
einer „Erhebung“ (elevaciõn) wesentlich relativ 
ist, insofern es Orte gibt, die „Plateaus“ 
(„mesetas“) genannt werden und weniger hoch 
sind, als das umliegende Gebiet, wie es die 
flüchtigste Prüfung des Gebrauches zeigt, den 
nicht nur das gemeine Volk, sondern Leute von 
bewährter Urteilsfähigkeit von diesem Worte 
zu machen pflegen, welche in geographischen 
Beschreibungen von stufenförmigen Plateaus 
  
(mesetas), von Plateaus (mesetas), die durch 
angrenzende Berge beherrscht werden, und sogar 
von irgendeinem Plateau (meseta) sprechen, 
wie ein zeitgenössischer Schriftsteller sagt, daß es 
zwischen zwei Gebirgszügen „herabsteigt“", um 
den Anfang des Bettes“ eines Flusses „zu 
bilden“. 
VII. In der Erwägung, daß hieraus 
folgt, daß die größere Höhe der Fläche der 
Namibwüste im Verhältnis zu der angrenzenden 
Ebene des Kutsipflusses an sich allein kein ge- 
nügender Grund ist, um anzunehmen, daß der 
Kommandant Dyer sie (die Namibwüste) not- 
wendigerweise im Sinne hatte, als er von dem 
in das annektierte Gebiet einzuschließenden 
Plateau sprach. . 
VIII. In der Erwägung, daß auch kein 
ausreichender logischer Grund für die Behauptung, 
der Kommandant Dyer habe mit dem Worte 
„Plateau“ auf die Namibwüste Bezug genommen, 
in dem Umstande zu finden ist, daß in der 
Annexionsproklamation gesagt wird, das Walfisch- 
bai-Territorium solle „im Osten durch eine Linie 
von Scheppmansdorf nach Rooibank mit 
Einschluß des Plateaus“ begrenzt sein, 
woraus gefolgert wird, daß das fragliche Plateau 
mittels der von Scheppmansdorf ausgehenden 
Ostgrenze in dem Territorium eingeschlossen sein 
muß, — weil, ohne daß man irgend etwas da- 
von verneint, es doch wohl offenbar ist, daß, 
auch wenn man unter dem „Plateau“ nicht die 
Namibwüste, sondern den zwischen den Missions- 
gebäuden von Scheppmansdorf und Ururas be- 
findlichen Landstrich versteht und deshalb die 
Ausdehnung der Südgrenze bis zu diesem 
letzteren Punkte zuläßt, indem man ihn als 
Endpunkt der Weideplätze von Scheppmansdorf 
ansieht, das fragliche Plateau sich immer an 
der südöstlichen Ecke des annektierten Gebietes 
befinden und darin nicht nur durch die Südgrenze, 
sondern auch durch die Ostgrenze in der durch 
die Annexionsproklamation verlangten Gestalt ein- 
geschlossen bleiben wird. 
IX. In der Erwägung, daß die Rede- 
wendungen des Mr. Simpson und des Sir 
Hercules Robinson, die in der deutschen Denk- 
schrift zum Beweise dafür herangezogen werden, 
daß im Jahre 1885, bevor die Streitfrage 
betreffs der Grenzen im Entstehen begriffen war, 
die Namibwüste von den britischen Behörden 
selbst ein Plateau genannt wurde, außer daß 
sie eine verschiedene Deutung zulassen, wie in 
der Antwort Großbritanniens gezeigt wird, die 
vollkommen verbürgte Tatsache nicht ungeschehen 
machen, daß Mr. Simpson zu derselben Zeit 
und Sir Hercules Robinson im Jahre 1882 
das heute bestrittene Gebiet ein Plateau nannten, 
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