Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIV. Jahrgang, 1913. (24)

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ging viel Zeit verloren. Was aber noch schlimmer 
war: man pPflog im Reichstage vor der Ge- 
nehmigung lange Erörterungen über die Bau- 
würdigkeit der Bahn und entschied sich auch 
wohl gar je nach dem Glauben an diese Bau- 
würdigkeit, also an eine Sache, die just erst 
durch die Vorarbeiten geklärt werden sollte. 
Als ob man sich mit der Bewilligung der 
Vorarbeiten auch schon für den Bau selbst fest- 
legte. Die Folge der Vorarbeiten ist aber nicht 
immer der Bau, sondern häufig auch die Ab- 
standnahme von dem Bau. Daß dies Verfahren 
dem Fortschritte des Kolonialbahnwesens nicht 
forderlich war, wird einleuchten. Seit einer 
Reihe von Jahren enthält der Kolonialetat ständig 
Mittel für Vorarbeiten zur Verwendung für be- 
liebige Kolonien und Strecken. 
Grundsätzlich sollte der Bauherr die allge- 
meinen Vorarbeiten selbst ausführen. Auch der 
beste und zuverlässigste Unternehmer kann die 
eigene Arbeit des Bauherrn nicht ersetzen, ist auch 
im Hinblick auf den späteren Bauauftrag nicht 
unbefangen. - 
Der Wahl der Spurweite ist der Leiter der 
Vorarbeiten für die großen Linien heute enthoben. 
WMir haben die Meterspur gewählt; in Südwest- 
afrika mit der Aufrundung auf 3½ engl. Fuß 
gleich 1067 mm, die sogenannte Kapspur, aus 
Kücksicht auf den späteren Schienenanschluß an 
die Union. Leider zeigt Südwestafrika noch eine 
große Ausnahme: die Otavibahn hat die Feld- 
wur von 60 cm. Sie sollte nur für weniger 
wichtige Linien gewählt werden. 
Es würde zu weit führen, auf die Frage der 
Spurweite näher einzugehen. Es genüge der all- 
gemeine Satz, daß die Baukosten und die Leistungs- 
fühigleit mit wachsender Spurweite zunehmen, 
die Betriebskosten — ohne Anlagezinsen — aber 
abnehmen; und die Regel: je geringer der zu 
erwartende Verkehr, also die Ausnutzung der An- 
lage, desto schmaler das Gleis. Es ist das ja 
schließlich nur ein Sonderfall der umfassenderen 
daleele je geringer die Ausnutzung der Anlage, 
esto weniger darf man für sie aufwenden. Das 
.. das Gewicht des Gleises ebenso wie für 
k#i reie, güt für die Bahn in allen ihren 
Medder Leitende hat sich nun zunächst einen 
blick über das Gelände zu verschaffen, um zu 
“ amnen, wie ungefähr, namentlich mit welchen 
#ochsten Neigungen und engsten Krümmungen er 
eine Versuchslinien zu legen hat. In der Heimat 
Gchiett diese Arbeit vorwiegend am Zeichentisch 
af den Karten der Landesaufnahme. In den 
- sind wir mit der Landesvermessung noch 
vicht so weit, und mit den Vorarbeiten darauf 
können wir nicht. Viel mehr als die all- 
  
gemeine Richtung, das heißt: als das, was schon 
der Gesamtplan den Karten entnommen hat, läßt 
sich aus ihnen in der Regel noch nicht feststellen. 
Was der Leitende mehr benötigt, muß er im Ge- 
lände ermitteln. Streifen zu Fuß und zu Pferde 
müssen ihn das Gelände kennen lehren; Kompaß, 
Schrittzähler, Federbarometer, Siedethermometer, 
gestellfreier Neigungsmesser, an besonders schwieri- 
gen Stellen auch schon der Tachymeter unter- 
stützen ihn. Ich darf diese Geräte und ihren 
Zweck wohl als bekannt voraussetzen. 
Die ersten Erkundungen werden durch 
mancherlei Umstände erschwert, sei es, daß Ver- 
pflegungssorgen die Beweglichkeit einengen, daß 
Urwald und dichter Busch Blick und Fuß hemmen, 
daß geeignete Aussichtspunkte fehlen, daß die 
Bevölkerung feindlich ist oder dergleichen mehr. 
Sie erfordern viel Umsicht und oft auch viel 
Nervenkraft. Sie geben dem Leitenden, wie 
schon gesagt, wichtige Fingerzeige für die Ver- 
suchslinien, ihre ungefähre Führung, ihre maß- 
gebenden Neigungen und Krümmungen. Wir 
müssen uns zum Verständnis des weiteren erst 
mit ein paar wichtigen Begriffen vertraut machen. 
Zunächst setzen wir gerade Strecken voraus. 
Ich nutze eine Lokomotive um so besser aus, je 
mehr Berkehrslast ich ihr anhänge. Verkehrslast 
ist das Gewicht der Wagen und ihrer Ladung. 
Ich kann der Lokomotive um so mehr Verkehrslast 
mitgeben, je flacher die Bahn liegt. Denn sie 
kann in flachen Steigungen mehr Last ziehen als 
in steilen. Wenn ich nun auf einer Strecke, 
welche die Züge ohne Umbildung durchfahren 
sollen, irgendwo einen Anstieg mit einer be- 
stimmten Steigung habe, so nützt es mir gar 
nichts, daß der ganze übrige Teil flacher liegt: 
die zulässige Last richtet sich nach jener einen 
steilsten Rampe. Deren Neigung ist die maß- 
gebende. Wenn ich einmal irgendwo auf einer 
Strecke eine bestimmte Neigung anwenden muß, 
so brauche ich mich nicht zu scheuen, dieselbe 
Neigung (in gleichem Richtungsfinne) auch an 
anderen Stellen der Strecke anzuwenden, sofern 
ich damit Vorteile erlange, z. B. die Linie ab- 
kürze oder die Erdarbeiten vermindere. Auf die 
zulässige Last ist das ganz ohne Einfluß. Für 
steile Gefälle kann allerdings nicht dleselbe Höchst- 
geschwindigkeit zugelassen werden wie für flache, 
doch ist das nicht von durchschlagender Bedeutung. 
Ferner: wenn ich auf eine bestimmte Länge eine 
bestimmte Höhe gewinnen muß, so erhalte ich die 
Ueinste maßgebende Neigung, indem ich die Bahn 
von Anfang bis zu Ende gleichmäßig steigen 
lasse. Jede flachere Stelle hat eine Erhöhung 
der maßgebenden Neigung oder eine Verlängerung 
der Strecke zur Folge; jede Gegenneigung erst 
recht. Solche Gegenneigung heißt verlorenes Gefälle. 
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