Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIV. Jahrgang, 1913. (24)

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wirtschaftlichen, die politischen und die militärischen 
Beziehungen genügend erläutert; in ihr wird der 
g vorgeschlagen, auf dem die Gelder beschafft 
unt gebect werden sollen. Wir haben die ersten 
staatlichen Bahnbauten durch bare, nicht zurück- 
ahlende Zuschüsse des Reiches ermöglichen 
misssen. Der werbende Charakter der Linien 
wurde noch nicht anerkannt, auch hätten damals 
die Kolonien die Zinsen für Leihgeld noch nicht 
aufbringen können. Einen großen Fortschritt 
bildete in dieser Hinsicht die Bereitstellung des 
Baugeldes für die Palimebahn in Togo. Hier 
bewilligten Bundesrat und Reichstag 1904 ein 
Reichsdarlehn, ein Beweis von Vertrauen zu Land 
und Bahn. Gelegentlich der Bahnvorlage vom 
Jahre 1908 wurde dann zum ersten Male eine 
besondere Staatsanleihe der Kolonien, eine Ko- 
lonialanleihe genehmigt; sie ist jetzt die Regel für 
die Beschaffung der Baugelder. Die Sicherung 
des Zinsendienstes liegt bis jetzt im wesentlichen 
noch nicht bei den Betriebseinnahmen der Bahnen, 
sondern bei den allgemeinen an der 
Kolonien. Deren Zulänglichkeit, wie fie sich an 
Hand der bisherigen Entwicklung nachweisen läßt, 
ist heute das Maß der Dinge für die Bahn- 
vorlagen. Ich will nicht unerwähnt lassen, daß 
die Kolonialonleihe heute der Gewähr des Reiches 
noch nicht entbehren kann, obgleich alle Kolonien 
gemeinsam haften. 
Bauentwurf und Bauausführung. 
Auf die Genehmigung des Baues folgen erst 
die ausführlichen Borarbeiten, d. i. die Aufstellung 
des Bauentwurfs, ferner der Grunderwerb und 
endlich der Bau selbst. 
Den Grunderwerb macht am besten und ein- 
fachsten der Staat selbst. Wir sagten schon, daß 
er drüben noch keine große Rolle spielt. Soll 
der Staat auch die ausführlichen Borarbeiten und 
den Bau selbst ausführen? Er hat es früher 
einmal, bei der Usambarabahn und bei der Bahn 
Swakopmund—Windhuk getan. Seitdem wird 
in einer eigentümlichen anderen Weise verfahren. 
Wir können sie Eigenbau mit gemieteter Bau- 
verwaltung nennen. Sie besteht in folgendem: 
eine unserer großen Bahnbaufirmen übernimmt 
auf Grund des allgemeinen, des Vorentwurfs 
die Aufstellung des besonderen, des Bauentwurfs 
und die Ausführung der Bauarbeiten, aber nicht 
zu festem Gesamtpreis oder zu festen Einheits- 
preisen, sondern gegen Erstattung der nachweis- 
baren Auslagen; dazu tritt ein festes Honorar 
für die Mühewaltung und, damit auch der geld- 
liche Anreiz zur Sparsamkeit nicht fehle, eine 
gewisse Beteiligung an den Ersparnissen; die Be- 
teiligung geht aber nur bis zu einer bestimmten 
Höhe der Ersparnisse, der Höhe, über die hinaus 
  
im allgemeinen nur noch auf Kosten der Güde 
gespart werden kann. Die Baufirma arbeitet alio 
kommissionsweise: im eigenen Namen auf fremde 
Rechnung. Diese eigentümliche Form soll die 
Vorzüge des Eigen= und des Unternehmeriums 
in sich vereinigen und ihre Nachteile vermeiden. 
Wir gewinnen die Beweglichkeit des Privatmanns 
in der Anwerbung und Bezahlung tüchtiger Leure, 
in der Beschaffung und Verschiffung jeglicher 
Bedarfsstücke, wir vermeiden den großen Gewinn- 
zuschlag, den sich jede Firma ausbedingen muß, 
die den Bau auf eigene Rechnung und Gefahr 
übernimmt, und vermeiden einen bedeutenden 
Zeitwwerlust, da das Verfahren erlaubt, schon auf 
Grund des allgemeinen, nicht erst des aus- 
führlichen Entwurfs abzuschließen und den Ban 
schrittweise dem ausführlichen Eutwurfe folgen zu 
lassen, statt mit dem Baubeginn zu warten, bis 
der ganze Bauentwurf fertig ist. Die Vorteile 
des Verfahrens sind um so größer, je stoßweiser, 
je stürmischer gebaut werden muß, je kleiner die 
Betriebsverwaltung noch ist, an die sich eine 
eigene staatliche Bauverwaltung anlehnen könnte. 
In dem Maße, wie sich diese Verhälinisse ändern, 
verliert das Verfahren an Bedeutung und Be- 
rechtigung. 
Der Staat behält sich die Überwachung der 
Arbeiten und die Prüfung und Genehmigung der 
Bauentwürfe vor und übt diese Rechte ausgiebig 
und sorgfältig aus. 
Der Bauleitende drüben muß sehr vielseitig, 
muß schier in allen Sätteln gerecht sein, weil fast 
alles und jedes, was hierzulande von selbst rollt, 
dort erst in Gang gebracht werden muß. Hier 
steht eine hoch entwickelte Wirtschaft und Kultur 
als Helferin bereit, drüben von alledem noch so 
gut wie nichts. Nicht genug, daß der üÜMber- 
wiegende Teil aller Baustofse und Bauteile aus 
der Heimat herangezogen, daß daher der Bedarf 
an diesen Sachen mit langer Voraussicht erkannt 
und angemeldet werden muß, daß jede Unacht- 
samkeit und jedes Versehen hierbei viel Geld und 
Zeit kosten: auch die Hilfsmittel, die das Land 
birgt, müssen meist erst zum Leben, zur Entfaltung 
gebracht werden, weil sie bis dahin, da niemand 
sie brauchte, geschlummert haben. Hier gilt es, 
einen Steinbruch, eine Kiesgrube zu erschließen, 
dort eine Kalkbrennerei, eine Zieg elei, eine 
Sägerei anzulegen usw. 
Wichtig ist die Arbeiterfrage, die Frage ihrer 
Anwerbung, Unterbringung, Verpflegung, An- 
lernung. Im allgemeinen finden wir die Leute 
für die gewöhnlichen Berrichtungen, die unge- 
lernten Handarbeiter, wohl in der Kolonie selbst; 
nicht immer in solch erfreulicher Menge wie die 
Tanganjikabahn, die etwa 15 000 Eingeborene 
beschäftigt; die Niongbahn in Kamerun muß sich
	        
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