Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIV. Jahrgang, 1913. (24)

G 631 20 
Kolonialrechtliche Entscheidungen. 
Nr. 17. 
Auszug aus dem Urtell des Röniglich Preußischen Landgerichts I (36. Jivilhammer) in Berlin 
vom 18. Juni 1912. 
Auf einen Unteroffizier des Eisenbahn-Regi- 
ments, der 1897 zum Eisenbahnkommando in 
Deutsch-Südwestafrika beurlaubt und 1908 von 
der Kolonialverwaltung als gänzlich dienst= und 
zum Teil erwerbsunfähig auf Zeit pensioniert 
worden war, findet das Kolonialbeamtengesetzt 
keine Anwendung. Die Bewilligung einer Pension 
ist in das freie Ermessen der Behörde gestellt. 
Arrt. 11 Abs. 2 der Kaiserlichen Verordnung, betr. 
die Rechtsverhältnisse der Landesbeamten in den Schutz- 
v 10 1606 s 14 fl. 61 des Kolo- 
nialbeamtengesetzes vom 8. Ja# 1910. 
gebieten, vom 
  
Tatbestand. 
Der Kläger, ein früherer Unteroffizier des Eisen- 
bahn-Regiments, war 1897 zum Eisenbahnkommando 
für Deutsch-Südwestafrika durch eine Allerhöchste 
Kabinettsorder beurlaubt worden, nach der er wie 
auch andere Unteroffiziere von ihrem Regiment als 
beurlaubt geführt und in ihren Chargen bei der Kom- 
pagnie ersetzt wurden. Er blieb bis zum 28. September 
1903 in Deutsch-Südwestafrika und wurde daselbst, r .9 
einen Beamteneid geleistet zu haben, nach seiner 
hauptung als anßeretatsmäßiger Beamter leukernbel. 
In seinem mlitärischen Urlaubsverhältnis wurde er 
am 1. Juli 1901 zum Vizefeldwebel befördert. Während 
seiner Dienstzeit in Afrika hatte er verschiedentlich unter 
Krankheiten, die auf das Klima zurückzuführen waren, 
zu leiden gehabt, insbesondere an Malaria und Rheuma- 
tismus; er wurde schwerhörig und zog sich eine Herz- 
erweiterung zu. Er wurde deswegen von der Kolonial- 
verwaltung als ganzinvalide und teilweise erwerbs- 
unfähig pensioniert und erhielt bis zum 31. März 1910 
eine Jahrespension von 615 J, vom 1. April 1910 
bis zum 830. April 1911 aber eine solche von 514 J. 
Sein Gesuch um weitere, Jahlung wurde abgelehnt. 
Er teat noch folgend 
r sei aug'nhce —# dorernd kolonialdienstunfähie, 
seine Erseicugenhhicich d betrage 25 v. H. Wä 
rend seines ganzen Zivildienstes nach seiner Pensio- 
nierung sei ihm sein Herzleiden hinderlich gewesen. Ins- 
besondere müsse er es auch in seiner gegenwärtigen 
Stellung vermeiden, sich großen Anstrengungen auszu- 
setzen.. Er verlange eine Pension von 615./4, solange 
er lolonialdienstunfähig sei, und zwar ohne Rücksicht 
auf den Grad seiner Erwerbsbeschränkung, da das 
Kolonialbeamtengesetz auf ihn keine Anwendung finde. 
Aber selbst wenn dieses Gesetz Anwendung finden würde, 
hätte er, solange seine Erwerbsbeschränkung in dem be- 
haupteten Maße bestehe, den Anspruch auf einen Be- 
trag von mindestens 514.. 
E beantragt deshalb, 
den Beklagten zu verurteilen. an ihn vom 1. Mai 
1911 an, solange er bolonialdienstunfähig 2 
eine jährliche Pension von 615 .#4 zu zahlen, 
hilfsweise aber 
den Beklagten zu verurteilen, an ihn vom 1. Mai 
1911 an, solange seine teilweise Erwerbsunfähig- 
keit bestehe, eine jährliche Pension von 514/ 
zu zahlen. 
  
  
  
Der Beklagte bittet, 
die Klage kostenpflichtig abzuweisen. 
Eine gesetzliche Regelung der Rechtsverhältnisse der 
zum Eisenbahnkommando in Südwestafrika beurlaubten 
Personern, das von vornherein nur für vorübergehende 
Zeit ins Leben gerufen sei, habe nicht stattgefunden, 
auch nicht bezüglich des Klägers. Dieser habe weder 
eine Anstellungsurkunde erhalten noch sei ein schrift- 
licher Dienstvertrag mit ihm abgeschlossen worden. 
Trotzdem hiernach die Möglichkeit einer Pensions- 
gewährung zweifelhaft gewesen sei. sei doch dem Kläger 
im Einverständnis mit dem Reichsschatzamt bei seinem 
Aussheiden aus seiner Stellung und seinem Rücktritt 
einem Truppenteil auf Grund des Artikel 11 
A#fas 2 der Allerhöchsten Verordnung betreffend die 
Rechtsverhältnisse der Landesbeamten in den Schutz- 
gebieten vom 9. August 1896 eine Pension aus dem 
Zivilbeamten-Pensionsfonds des Schutzgebietes in Höhe 
von 615 /“ bis zum 31. März 1910 gewährt worden. 
Inzwischen sei durch Untersuchung des Kreisarztes 
in Hannover festgestellt worden, daß der Lläger, nur 
noch in sehr geringem Grade in seiner Erwerbsfähig- 
keit beschränkt sei. Deshalb sei durch Erlaß vom 
15. März 1910 die Pensionszahlung mit Ende dieses 
Monats eingestellt worden. Das Ergebnis der ärzt- 
lichen Untersuchung „ei durch eine zweite im Reichs- 
Kolonialamt am 14. Juni 1910 stattgehabte Unter- 
suchung Samsten **8 Gleichwohl sei durch Erlaß 
vom 16. März 1911 dem Kläger erneut eine Pension 
von zusammen 514 ¼ auf Grund der 9§ 14 ff. des 
Kolonialbeamtengesetzes vom 8. Juni 1910 gewährt 
worden, und zwar für die Zeit vom 1. Mai 1910 bis 
30. April 1911. Von einer Beitergewährung dieser 
Pension habe abgesehen werden müssen, da der Kläger 
gemäß Befund der Untersuchung vom 8. November 1911, 
die im Reichs-Kolonialamt stattgefunden habe, gesund- 
beitlich durchaus imstande gewesen sei, eine seinen 
Fähigkeiten entsprechende Beschäftigung auszuüben, und 
tatsächlich eine entsprechende Anstellung erhalten habe. 
Er sei seit längerer Zeit als Bahnmeister bei der 
Straßenbahngesellschaft Hannover mit einem Gehalt 
von 200 — monatlich angestellt.. Da der Anwendung 
des Kolonialbeamtengesetzes der allgemeine Rechts- 
grund ag guthe enstehe, daß für den Pensionsanspruch 
nur diejeni orschriften, die zur Zeit der Versetzung 
in den Raleenn estandenn. maßgebend seien, sei das 
Reichs-Kolonialamt von seiner früheren Übung ab- 
gekommen und habe im Falle der Weiterpensionierun 
eines nach altem Recht bensionierten Beamten auch 
weiterhin letzteres, d. h. die Kaiserliche Verordnung 
vom 9. August 1896 angewandt. Diese enthalte aber 
keine Vorschriften, wie lange eine auf Zeit gewährte 
Pension zu bewilligen sei. Die Verwaltung sei also 
in Gewährung oder Entziehung der Pension voll- 
kommen 
Der Rläger hat die Richtigleit dieser Wusführungen 
bestritten... Er habe über 18 Dienstjahre gehabt und 
daher Anspruch auf dauernde Pensionierung. Die 
Arsicht, daß er in seinem Zivilverhältnis eine seinen 
gefunden und dadurch den Anspruch a die Pension 
verloren habe, sei abwegig, da die chie ihn doch 
für den Verdienstausfall, der durch die im Dienst ein- 
getretene Invalidität ennstendden sei, entschädigen solle. 
  
  
  
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