Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIV. Jahrgang, 1913. (24)

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die von Kinghorn und Yorke und von ihm 
selbst im Wild gefundenen Trypanosomen trotz 
der weitgehenden sonstigen Übereinstimmung nicht 
identisch mit dem Erreger der menschlichen 
Schlafkrankheit seien. 
Dies mußte nun natürlich experimentell be- 
wiesen werden und hierin lag die Hauptschwierig- 
keit der Untersuchungen. Das Trypanosoma 
Brucei (das über ganz Afrika verbreitete ge- 
wöhnliche Tiertrypanosoma), welches für eine Ver- 
wechslung in erster Linie in Betracht kam, läßt 
sich nämlich von dem Tryp. rhodesiense, dem 
Erreger der Schlafkrankheit, einzig und allein 
dadurch als artverschieden abgrenzen, daß das 
letztere außer für Tiere auch für den Menschen 
pathogen ist, während das Tryp. brucei aus- 
schließlich Tiere der verschiedensten Art krank 
zu machen vermag. Es ist daher zur Unter- 
scheidung dieser beiden Trypanosomenarten das 
Experiment am Menschen nötig: 
In zwei Versuchsreisen ließ Taute 32 bzw. 
49 Glossinen (Tsetsefliegen), die mit den aus den 
Antilopen stammenden Trypanosomen infiziert 
waren, fünf Tage lang täglich an sich selbst, vor- 
her und nachher, aber auch an gesunden Hunden, 
Affen und Ziegen (als Kontrolltieren) Blut saugen. 
In einer dritten Versuchsreise injizierte sich Taute 
2 cem Blut (gleich etwa 82 Millionen Trypano= 
somen) eines mit den strittigen Trypanosomen 
infzzierten Hundes subkutan; dieselbe oder eine 
geringere Dosis erhielten gleichzeitig sieben Kontroll- 
tiere unter die Bauchhaut gespritzt. 
In sämtlichen drei Versuchsreihen war das 
Resultat, daß die Kontrolltiere nach einer In- 
kubationszeit von drei bis sechs Tagen an Try- 
panosomiasis erkrankten und dann rasch zugrunde 
gingen, während der Mensch dauernd gesund und 
ohne jede Reaktion blieb. Die verimpften Try- 
panosomen waren somit als das Tryp. brucei 
und nicht als Schlafkrankheitserreger identi- 
fiziert. 
Damit war festgestellt, daß Trypanosomen in 
natürlich infiziertem Wild und in Haustieren 
nur dann mit Sicherheit als Erreger der Schlaf- 
krankheit angesprochen werden können, wenn sie 
sich als pathogen für den Menschen erweisen. 
Zweitens war damit der Beweis erbracht, 
daß das Wild und die Haustiere an der Ver- 
breitung der Schlaskrankheit zum mindesten 
nicht in dem von Kinghorn und Yorke ange- 
nommenen Umfange teilnehmen. 
Mit weitergehenden Schlüssen wird man sehr 
vorsichtig sein müssen. Denn man wird dem 
Wild eine Rolle als „Reservoir“ und damit auch 
als Verbreiter der Trypanosomen der Tiere (ins- 
besondere des Tryp. brucei, nanum, vivax) unter 
gewissen Verhältnissen sicher nicht absprechen 
  
können. Für die Verbreitung der Schlafkrankheit 
des Menschen dagegen war die Bedeutung des 
Wildes und der Haustiere von vielen Autoren 
beträchtlich überschätzt worden und man wird sich 
nach Tautes Untersuchungen in dieser Hinsicht 
wieder dem schon 1909 von Kleine und seinen 
Mitarbeitern vertretenen Standpunkt nähern 
müssen. Zum mindesten ist eine Propaganda für 
den sofortigen Abschuß allen Wildes im Interesse 
der Schlafkrankheitsbekämpfung, wie sie von vielen 
Seiten, zum Teil auch schon in den Parlamenten 
der Kolonialmächte, betrieben wird, nicht am 
Platze. Hier wird erst der Ausfall von kost- 
spieligen, sich auf viele Jahre erstreckenden und 
in der Natur anzustellenden Versuchen, wie sie 
von der englischen Regierung geplant sind, ab- 
zuwarten sein. Aber auch diese Versuche bieten, 
sollen sie einwandfrei sein, große Schwierigkeiten; 
hoffentlich bringen sie Klarheit. 
Der Militärbezirk Oabenge. 
Von Hauptmann v. Einsiedel. 
Der Militärbezirk Mahenge zerfällt in eine 
Anzahl Sultanate bzw. selbständige Jumben- 
schaften, deren einzelne Landschaften und Dörfer 
wiederum Unterjumben unterstehen. Die Einge- 
borenen bringen ihre kleineren Streitigkeiten zur 
Schlichtung vor ihr jeweiliges Oberhaupt, alle für 
sie wichtigeren Klagen vor das Stationsgericht. 
Politisch spielt keiner der hiesigen Sultane irgend- 
welche Rolle; der Einfluß, den sie auf ihre Leute 
haben, ist im allgemeinen gering. Durch den 
freien Verkehr mit Europäern, durch das Arbeit- 
nehmen auf Pflanzungen und an der Bahn sind 
die Leute selbständiger geworden und nicht mehr 
geneigt, sich wie ehemals von ihren Sultanen 
ohne weiteres vergewaltigen zu lassen. Früher 
erhoben die Sultane von Händlern und Kara- 
wanen Abgaben, ihre Jäger erbeuteten für sie 
Elfenbein, ihre Untertanen mußten für sie arbeiten. 
Mit Einsetzen einer immer intensiver werdenden 
Verwaltung wurden den Häuptlingen die Ein- 
nahmen beschnitten, durch das neueste Jagdgesetz 
ist auch ihre letzte größere Einnahmequelle, die 
Elefantenjagd, unergiebig geworden. 
Die Regierung verlangt von den Sultanen 
und Jumben Unterstützung in der Verwaltung; 
irgendeine nennenswerte Entschädigung für ihre 
Mühewaltung bekommen die Leute nicht, denn 
die wenigen Rupien, die an sie aus dem Fonds 
für Steuererhebung verteilt werden, fallen nicht 
ins Gewicht. Dem verstorbenen Kiwanga, der 
/den südwestlichsten Teil des Bezirks beherrschte, 
ist es zu danken, soweit der hiesige und der 
Nachbarbezirk in Frage kommen, daß der letzte
	        
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