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die von Kinghorn und Yorke und von ihm
selbst im Wild gefundenen Trypanosomen trotz
der weitgehenden sonstigen Übereinstimmung nicht
identisch mit dem Erreger der menschlichen
Schlafkrankheit seien.
Dies mußte nun natürlich experimentell be-
wiesen werden und hierin lag die Hauptschwierig-
keit der Untersuchungen. Das Trypanosoma
Brucei (das über ganz Afrika verbreitete ge-
wöhnliche Tiertrypanosoma), welches für eine Ver-
wechslung in erster Linie in Betracht kam, läßt
sich nämlich von dem Tryp. rhodesiense, dem
Erreger der Schlafkrankheit, einzig und allein
dadurch als artverschieden abgrenzen, daß das
letztere außer für Tiere auch für den Menschen
pathogen ist, während das Tryp. brucei aus-
schließlich Tiere der verschiedensten Art krank
zu machen vermag. Es ist daher zur Unter-
scheidung dieser beiden Trypanosomenarten das
Experiment am Menschen nötig:
In zwei Versuchsreisen ließ Taute 32 bzw.
49 Glossinen (Tsetsefliegen), die mit den aus den
Antilopen stammenden Trypanosomen infiziert
waren, fünf Tage lang täglich an sich selbst, vor-
her und nachher, aber auch an gesunden Hunden,
Affen und Ziegen (als Kontrolltieren) Blut saugen.
In einer dritten Versuchsreise injizierte sich Taute
2 cem Blut (gleich etwa 82 Millionen Trypano=
somen) eines mit den strittigen Trypanosomen
infzzierten Hundes subkutan; dieselbe oder eine
geringere Dosis erhielten gleichzeitig sieben Kontroll-
tiere unter die Bauchhaut gespritzt.
In sämtlichen drei Versuchsreihen war das
Resultat, daß die Kontrolltiere nach einer In-
kubationszeit von drei bis sechs Tagen an Try-
panosomiasis erkrankten und dann rasch zugrunde
gingen, während der Mensch dauernd gesund und
ohne jede Reaktion blieb. Die verimpften Try-
panosomen waren somit als das Tryp. brucei
und nicht als Schlafkrankheitserreger identi-
fiziert.
Damit war festgestellt, daß Trypanosomen in
natürlich infiziertem Wild und in Haustieren
nur dann mit Sicherheit als Erreger der Schlaf-
krankheit angesprochen werden können, wenn sie
sich als pathogen für den Menschen erweisen.
Zweitens war damit der Beweis erbracht,
daß das Wild und die Haustiere an der Ver-
breitung der Schlaskrankheit zum mindesten
nicht in dem von Kinghorn und Yorke ange-
nommenen Umfange teilnehmen.
Mit weitergehenden Schlüssen wird man sehr
vorsichtig sein müssen. Denn man wird dem
Wild eine Rolle als „Reservoir“ und damit auch
als Verbreiter der Trypanosomen der Tiere (ins-
besondere des Tryp. brucei, nanum, vivax) unter
gewissen Verhältnissen sicher nicht absprechen
können. Für die Verbreitung der Schlafkrankheit
des Menschen dagegen war die Bedeutung des
Wildes und der Haustiere von vielen Autoren
beträchtlich überschätzt worden und man wird sich
nach Tautes Untersuchungen in dieser Hinsicht
wieder dem schon 1909 von Kleine und seinen
Mitarbeitern vertretenen Standpunkt nähern
müssen. Zum mindesten ist eine Propaganda für
den sofortigen Abschuß allen Wildes im Interesse
der Schlafkrankheitsbekämpfung, wie sie von vielen
Seiten, zum Teil auch schon in den Parlamenten
der Kolonialmächte, betrieben wird, nicht am
Platze. Hier wird erst der Ausfall von kost-
spieligen, sich auf viele Jahre erstreckenden und
in der Natur anzustellenden Versuchen, wie sie
von der englischen Regierung geplant sind, ab-
zuwarten sein. Aber auch diese Versuche bieten,
sollen sie einwandfrei sein, große Schwierigkeiten;
hoffentlich bringen sie Klarheit.
Der Militärbezirk Oabenge.
Von Hauptmann v. Einsiedel.
Der Militärbezirk Mahenge zerfällt in eine
Anzahl Sultanate bzw. selbständige Jumben-
schaften, deren einzelne Landschaften und Dörfer
wiederum Unterjumben unterstehen. Die Einge-
borenen bringen ihre kleineren Streitigkeiten zur
Schlichtung vor ihr jeweiliges Oberhaupt, alle für
sie wichtigeren Klagen vor das Stationsgericht.
Politisch spielt keiner der hiesigen Sultane irgend-
welche Rolle; der Einfluß, den sie auf ihre Leute
haben, ist im allgemeinen gering. Durch den
freien Verkehr mit Europäern, durch das Arbeit-
nehmen auf Pflanzungen und an der Bahn sind
die Leute selbständiger geworden und nicht mehr
geneigt, sich wie ehemals von ihren Sultanen
ohne weiteres vergewaltigen zu lassen. Früher
erhoben die Sultane von Händlern und Kara-
wanen Abgaben, ihre Jäger erbeuteten für sie
Elfenbein, ihre Untertanen mußten für sie arbeiten.
Mit Einsetzen einer immer intensiver werdenden
Verwaltung wurden den Häuptlingen die Ein-
nahmen beschnitten, durch das neueste Jagdgesetz
ist auch ihre letzte größere Einnahmequelle, die
Elefantenjagd, unergiebig geworden.
Die Regierung verlangt von den Sultanen
und Jumben Unterstützung in der Verwaltung;
irgendeine nennenswerte Entschädigung für ihre
Mühewaltung bekommen die Leute nicht, denn
die wenigen Rupien, die an sie aus dem Fonds
für Steuererhebung verteilt werden, fallen nicht
ins Gewicht. Dem verstorbenen Kiwanga, der
/den südwestlichsten Teil des Bezirks beherrschte,
ist es zu danken, soweit der hiesige und der
Nachbarbezirk in Frage kommen, daß der letzte