Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIV. Jahrgang, 1913. (24)

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wird, zu verlangen. Eine Veräußerung oder 
Verpfändung des Besitzrechts bedarf ebenfalls 
der Genehmigung des Gouverneurs. Der 
Gouverneur kann bei Verstoß gegn die Pro- 
klamation bei nicht rechtzeitiger Zahlun 
Grundrente oder sobald das Land für gangner 
Zwecke benutzt wird, die Ubertragung des Vesitz- 
rechts widerrufen. 
Diese Regelung der Landfrage, die auch auf den 
Erwerb des berreutofen Landes zugunsten des Fiskus 
vergichtet — der Bedarf des Fiskus an Kronland ist 
allerdings im wesentlichen betens durch seinen Ein- 
tritt in die Landerwerbsverträge der Niger Company 
edeckt —, ist in der Offentlichkeit zum überwiegenden 
eil sehr günstig ausgenommen worden. Ich möchte 
jedoch annehmen, daß die Verordnung bei dem durch- 
aus anerkennenswerten Streben, den Landbesitz der 
Eingeborenen zu erhalten und die Steigerung des 
Bodenwertes der Allg meinheit zugute kommen zu 
lassen, über das Ziel hinausschießt. Es erscheint mir 
zeiselbatt. ob nicht diese Regelung einem völligen 
äusschluß enropäischer Privatunternehmungen gleich- 
ommt. ie nach der Verordnung für die europäischen 
Unternehmungen mögliche Pachtung von Land schafft 
ür diese m. keine ausreichende Kreditbasis, zumal 
die Höhe der auf dem Lande ruhenden Abgaben dank 
der alle 7 Jahre vorzunehmenden Nachprüfung sich 
gar nicht im voraus berechnen läßt. Ein solcher 
völliger Ausschluß europäischer Unternehmungen ist 
m. E. aber auch nicht das Wünschenswerte für eine 
Kolonie. Einzelne Unternehmungen mit Grundbesitz 
entsprechend ihrer pekuniären Leistungsfähigkeit, dort, 
wo noch reichlich Land vorhanden ist, dürften über 
kurz oder lang auch für Nordnigerien von Vorieil 
sein. Sie schaffen einmal willkommene Arbeitsgelegen- 
heiten und können durch Musterwirtschaften vorbildii 
wirken. Andernfalls fällt diese Ausfgabe kaoihlch 
dem Fiskus zu, dessen Verwaltungsorganisation da- 
durch vergrößert und verteuert wird. Jedenfalls dürfte 
für das Resultat dieses großzügigsten Versuches die 
Landbesitzverhälmisse eines Gebietes, größer wie 
Deutschland, völlig neu zu regeln, die Art der An- 
wendung der Bestimmungen ausschlaggebend sein. Erst 
eine längere Reihe von Jahren wird hierüber ein 
endgültiges Urteil liesern können. 
Gegenüber dieser einschneidenden Maßregel treten 
die übrigen, die sich mit der Nutzung des Landes und 
einer Schätze beifasien, in den Hintergrund. Die 
Forestry Proclamation Nr. 6/06 schützt die wichtigsten 
Nuopflanzen. inebesondere die Kautschuk und Nutzholz 
liefernden, vor einem ungesunden Raubbausystem und 
macht die Verleihung jeder Balonugungskonzeision 
von der Genehmi ung des Eu abhãn 
Auch die Prospektiertätigkeit und der Abbau von Ms 
ralien unterstebt der AWufficht“ des Gonverneurs (ogl. 
The Alining Proclamation). Doch ist der Abbau von 
Eisen. Salg. Soda oder Pottasche durch Eingeborene 
und ganz allgemein die Gewinnung von Stieinen zum 
Hausbau nicht unter die Vorschriften der Proklamation 
estellt. Wilde Tiere, “% und glche werden gemäß 
roklamation Nr. 4/00 ährnlich geschützt wie in den 
schon behandelten Kolonien. Die Ausübung der Jagd 
durch die Eingeborenen wird durch den Residenten 
der Provinz geregelt. Trribjagden (game driy##) auf 
roßwild — die einzelnen Tiere und Bögel werden 
im Anhang aufsgezählt — werden verboten. Au 
kann der Gouverneur besondere Wildreservate schaffen, 
in denen isetundsaglich jegliche Ausũbung der Jagd 
verboten 
Die Cotton Procl. Nr. 7/10 ermächtigt dann noch 
den Gonverneur, den Baumwollbau und den Import 
  
  
  
  
  
  
und Exvort von Baumwollsaat zu regeln. In welcher 
Weise dies geschehen ist. entzieht sich meiner Kenntnis- 
ie später mehrfach abgeänderte „Liqu- or .. 
Nr. 1/02 verbietet die Einfuhr von Spirituosen zur 
Abgabe an Eingeborene und den Verkauf von Spiri= 
tuosen an Eingeborene. Zum Verkauf von Ein- 
geborenen-Schnaps in der Nähe von Cantonments 
und Gouvernements-Stationen bedarf es der Lösung 
eines besonderen Berechuigungsscheines (vel. The Native 
Liquor Procl. Nr. 3/06 
VI. 
Die Sammlung der Stammesrechte in der Goldküste 
und Nigerien. 
Die weitgehende Berücksichtigung der Stammge 
rechte in allen mit Europäern besetzten Gerichten 
Kolonien, sei es, daß sie unmittelbar danach Peniser. 
sei es, daß sie als Ber#r.fungeinstanzen sich mit Urteilen 
befassen müssen, die auf Stammesrecht fußen. läßt 
es für die englischen Kolonien ebenso wie es in den 
frangösischen Kolonien der Fall war, höchst wünschens- 
wert erscheinen, vollständige und zuverlässige Samm- 
lungen der einzelnen Stammesrechte zu besiven. 
Mehrere der in den hier behandelten Kolonien herr- 
schenden Stammesrechte wurden durch zum Teil sehr 
beachtenswerte Privatarbeiten zusammengestellt. Dessen- 
ungeachtet entschloß sich das Kolonialamt, aus den an- 
gesebenen praktischen Gründen und im Intere'se der 
wissenschaftlichen Forschung an eine sostematicche 
Sammünng zu gehen. An die in Betracht kommenden 
Stellen in den Kolonien wurden ähnlich wie seinerzeit 
durch das deutiche Kolonialamt Fragebogen zur 5# 
sammenstellung der herrschenden Anschauungen und 
Gebräuche versandt. Die Beantwortung der Frage 
bogen hatte jedoch nicht das gewünschte Ergebnis- 
Zwar ging eine große Anzahl von Berichten ein. 
doch waren sie zum Teil nicht verwertbar, da sie teil- 
weise von Leuten hatten geliefert werden müssen, die 
keine ausreichende Landeskennmis oder keine neeignete 
Vorbildung für die Sammeltätigkeit besaßen. Das 
Colonial Office beauftragte darauf seinen Ethnologen 
Thomas mit der Sammlumg, die wahrscheinlich eine 
gonze Reide von Jahren in Anspruch nehmen dürfte- 
rx. Thomas ist bisher in Südnigerien tätig ge- 
wesen und hat — in zwei Dienstfristen — die Sitten 
und Gebräuche und vor allem auch die Sprache des 
Edo-Stammes und eines Teils des Ibo-Gebietes fest- 
gestellt und sehr gründliche und wertvolle Arbeiten 
darüber veröffentlicht. Er wird demnächst die Aus- 
reise nach Südnigerien wieder antreten, un dort 
seine Sammlungen zu vervollständigen. Sobald diese 
beendigt sein werden, soll er auch in den übrigen Ko- 
lonien derartige Sammlungen vornehmen. 
Die von England gewählte Methode, die Samm- 
lungen durch einen wissenschaftlichen Fachmann vor- 
nehmen zu lassen, dürfte wohl zu den gediegensten und 
wissenschaftlich einwandfreiesten Resuliaten führen: 
allerdings erfordert sie auch einen ganz erheblichen 
Aufwand von Geldmitteln. 
VII. 
Blickt man auf die geschilderten Verhältnisse in der 
Goldküste und Nigerien Zurück, so erhält man jolgendes 
Endergebnis: Ahnlich wie bei den Franzosen in 
Französisch-Westafrika haben sich die Anschauungen der 
Engländer bezüglich der Behandlung der Eingeborenen 
in den letzten Jahren ganz wesentlich geändert, oder, 
richtiger gesagt, es haben sich erst in doee gZeit Hü- 
Uuschaunngen herauszubilden begonnen. Nur bezu 
lich der Anwendung der Stammesrechte bestand 4% 
  
 
	        
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