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Kilwa.
Aus Kilwa schreibt Oberarzt Dr. Schönebeck:
Nach der Geburt erhält das Kind Muttermilch,
solange die Mutter stillen kann. Manche Frauen
stillen ihr Kind sechs Monate lang, ohne ihm
andere Nahrung zu geben. Andere geben, wenn
sie denken, daß das Kind nicht genug Nahrung
erhalte, außer der Muttermilch noch Suppe aus
Mtamamehl; wenn kein Mtama zu erhalten ist,
auch aus Mais oder Reismehl. Die Suppe wird
in der ersten Zeit sehr dünnflüssig mit nur ganz
wenig Mehl, später aber dicker gekocht, bis das
Kind etwa mit ¾ Jahren den Brei der Erwach-
senen erhält. Vielfach erhalten Kinder diese
Suppen schon vom dritten Tage ihres Lebens
ab neben der Muttermilch.
Die Mütter an der Küste und, soweit sich der
Einfluß der Küstenbewohner ins Innere erstreckt,
auch die Mütter dort, bereiten sich auf das Still-
geschäft in der Weise vor, daß sie kurz vor und
auch nach der Geburt während der Stillzeit
reichlich weißen gestoßenen Pfeffer in die Speisen
tun, so daß es ihnen „im Leib tüchtig warm
wird“. Sie müssen infolge dieser Reizung mehr
Flüssigkeit zu sich nehmen. Als solche kommen
hauptsächlich Mehlsuppen, am liebsten von Mtama,
aber auch von Reis oder Mais in Betracht, ferner
auch gesüßter Tee. Daraus soll sich eine ver-
mehrte Milchbildung ergeben. Es scheint, daß
die Frauen unnötigerweise, um recht dicke Kinder
zu haben, mit der gemischten Ernährung zu früh-
zeitig anfangen. Anderseits ist die ganze Er-
nährung der Eingeborenen über die Jahres-
zeiten verteilt so ungleichmäßig und von der
Ernte abhängig, daß auch der Ernährungszustand
der Mutter und damit das Stillvermögen wechselt.
In Zeiten der Teuerung versiegt den Müttern
die Milch ganz und sie sind gezwungen, die
Kinder größtenteils mit Mehlsuppen und Mehl-
breien aufzuziehen. Im allgemeinen wird dem
Kinde nur einmal am Tage Mehlsuppe gegeben,
im übrigen die Brust.
Ist die Mutter des Kindes gestorben, dieses
aber noch der Muttermilch bedürftig oder kann
die Mutter gar nicht stillen, so sucht der Vater
eine gerade stillende Verwandte oder Bekannte
oder eine fremde stillende Frau durch Geschenke
zu veranlassen, sein Kind neben dem eigenen so-
lange als möglich zu säugen. Daneben erhält
das Kind gewöhnlich noch Mehlsuppen und Mehl-
breie in der vorher geschilderten Weise. In Ge-
genden mit Rinderhaltung wird den Kindern bei
angel an Muttermilch Kuhmilch statt der Mehl-
suppe gegeben. Ziegen= oder Schafmilch wird
nur verstohlenerweise von den Kindern, die das
ieh hüten, auf der Weide getrunken.
Lindi.
Stabsarzt Dr. Wolff berichtet aus Lindi:
Die Hauptstämme des Bezirks Lindi sind: die
Wayao, die Wamakonde, die Wamwera, die
Wamakua und die Wandonde. Von allen diesen
Stämmen wird die Ernährung ihrer Säuglinge
bis auf ganz unwesentliche Abweichungen über-
einstimmend angegeben: Da die Mutter meist
sofort nach der Geburt noch keine Milch hat, so
übernimmt das Stillen des Neugeborenen eine
andere säugende Frau etwa drei Tage lang.
Zwanzig Tage lang nach der Geburt — bei den
Wamakonde wird ein Monat angegeben — be-
kommt das Kind ausschließlich die Brust. Von
da an erhalten die Säuglinge neben der mütter-
lichen Milch Suppe von Mehl (Uji), das aus
Hirse (Mtama) oder Mais hergestellt ist, und
zwar dreimal am Tage, bei den Wamwera und
Wamakonde nur zweimal, jedesmal etwa vier
bis fünf kleine Löffel voll. Vom dritten Monat
ab wird an Stelle der Suppe dickerer Brei von
Hirse= oder Maismehl gereicht, zwei= bis dreimal
je eine Handvoll, daneben die Brust. Etwa im
Alter von einem bis anderthalb Jahren, wenn
sie anfangen zu laufen, bekommen die Kinder
alles zu essen wie die Erwachsenen, daneben aber
immer noch bis etwa zum Ende des zweiten
Lebensjahres die Brust. Das Absetzen geschieht
meist deshalb, weil die Kinder selbst die Brust
verweigern oder aber die Milch versiegt.
Falls eine Mutter aus irgendeinem Grunde
nicht nähren kann oder stirbt, wird das Kind von
einer anderen sängenden Frau der Gegend ge-
nährt. Wenn durchaus keine solche Frau zu
finden ist, was jedoch äußerst selten ist — die
kinderreichen Wamwera konnten sich einen solchen
Fall überhaupt nicht vorstellen —, wird das
Kind nur mit der erwähnten Hirsesuppe genährt,
wobei es aber angeblich oft zugrunde geht. Kuh-
und Ziegenmilch wird bei allen genannten
Stämmen nicht gegeben, obwohl sie in einigen
Gegenden vorhanden ist. Es ist ausgeschlossen,
daß irgendeine Frau ihr Kind einer anderen zum
Nähren gibt, wenn sie selbst nicht absolut un-
fähig dazu ist.
Professor Dr. Beck, der Regierungsarzt der
Südbezirke, schreibt: Erfreulich war die große
Anzahl von kräftigen Kindern, die im Lindibezirk
vom Lumasule aufwärts bis Sassawara üÜberall
angetroffen wurden. Auch am Rovuma war die
Zahl der Kinder in allen Lebensaltern auffallend
hoch. Die Eingeborenen gehören hier dem in
diesen Teilen des Lindibezirks weit verbreiteten
Stamme der Wayao an. Der Grund für den
Kinderreichtum liegt vor allem daran, daß die
Kinder sämtlich lange gestillt werden. Ich sah