Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXV. Jahrgang, 1914. (25)

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Geschwistern aus einem Topf. Die Ernährung 
mit Muttermilch ist jedoch keineswegs damit be- 
endet. Die Brust wird so lange gereicht, als noch 
Milch der Mutter vorhanden ist, etwa bis zwei 
Jahre nach der Geburt. Ist inzwischen Schwanger- 
schaft der Mutter eingetreten, so fällt für das Kind 
die Darreichung der Mutterbrust fort, im übrigen 
wird an der Ernährung nichts geändert. Zu er- 
wähnen ist noch, daß auch auswärtige Mütter, 
die in Tabora ständigen Wohnsitz genommen 
haben, die Säuglinge in der geschilderten Weise 
ernähren. 
Die Morbidität unter den Kindern ist sehr 
groß; als häufigste Erscheinungen der unzweck- 
mäßigen Ernährung treten Darmkatarrhe auf. 
Die Mortalität ist dementsprechend, jedoch läßt 
sich auch nicht annähernd der Prozentsatz der 
Todesfälle feststellen, solange nicht eine Meldepflicht 
der Geburten und Todesfälle gesetzlich einge- 
führt ist. 
Stabsarzt Dr. Radloff schreibt: In Iringa 
und Umgebung erhält das neugeborene Kind eine 
dünne Hirsesuppe und darauf erst die Mutterbrust. 
Auch in der Folgezeit werden die kleinen Kinder 
neben der Muttermilch mit Suppen, oft auch mit 
dünnem Brei genährt. Das Kind erhält die 
Brust, so oft es schreit. Sobald die Zähne kommen, 
wird die Zukost neben der Mutterbrust fester; 
bald erhalten sie auch saure Milch, Gemüse usw. 
Süße Milch zu geben ist verpönt. Das Absetzen 
von der Mutterbrust erfolgt oft erst nach zwei 
bis drei Jahren, wenn die Kinder nebenbei schon 
die feste Kost der Erwachsenen essen. Eine aus- 
schließlich künstliche Ernährung ist nicht bekannt. 
Bleiben die Mütter bei der Geburt am Leben, 
so haben sie wohl stets genügend Muttermilch. 
Auch sorgen die Leute durch entsprechende Nah- 
rung, durch Darreichung von Milch usw. für 
reichliche Muttermilch. Im Falle des Todes der 
Mutter wird zunächst in der Verwandtschaft, die 
bekanntlich immer sehr groß ist, nach einem 
passenden Ersatz gesucht; wenn dies nicht gelingt, 
sucht man sich anderweitig eine Amme zu ver- 
schaffen. Diese Amme erhält nach vorhergegangener 
Verständigung eine Entschädigung; feste Preise be- 
stehen nicht. · 
Nach den im Bezirk, namentlich durch die 
Missionen eingezogenen Erkundigungen herrschen 
durchweg überall die gleichen Zustände. Die meisten 
Missionare geben an, daß infolge ihrer Beleh- 
rungen die christlichen Eingeborenen die Kinder 
zunächst ausschließlich mit Muttermilch nähren, und 
daß hierauf die Todesfälle unter den Kindern 
erheblich zurückgegangen seien. Frische Kuh= oder 
Ziegenmilch wird nirgends verabfolgt. In Ubena 
ist über Ammenwesen nichts bekannt. Ausschließ- 
lich künstliche Ernährung kommt nirgends vor. 
  
In Ilembula sind auf der Missionsstation im 
verflossenen Jahre 32 Kinder geboren, von denen 
sieben starben; als Todesursache werden Darm- 
katarrh und Rückfallfieber angegeben. In Madi- 
bira sind von 52 Geburten acht Kinder gestorben. 
Bismarckburg. 
Stabsarzt Dr. Stolowsky berichtet aus 
Bismarckburg: Die nachfolgenden Ausführungen 
gelten für die Küstenbevölkerung des siüdlichen 
Tanganjika, Wafipa und Warungn, die mit ihren 
Stammesbrüdern auf dem sogenannten Ufipa- 
plateau etwa die Hälfte der Bevölkerung des 
ganzen Bezirks ausmachen. 
Der Säugling erhält in den ersten drei Wochen 
ausschließlich die Mutterbrust. Mit Beginn der 
vierten Woche wird ihm neben der Muttermilch 
Reis= oder Hirsebrei gereicht, der zunächst ganz 
dünnflüssig ist, später immer dicker zubereitet wird, 
bis er gegen Ende des zweiten Jahres die Kon- 
sistenz des gewöhnlichen festen Breies der Er- 
wachsenen erreicht. Ein eigentliches Entwöhnen 
der Kinder nach europäischer Sitte findet nicht 
statt; sie erhalten vielmehr neben dem Brei immer 
die Brust, solange die Mutter überhaupt Milch 
hat oder nicht wieder schwanger wird. Dies ge- 
schieht selten oder fast nie vor Ablauf von zwei 
bis drei Jahren nach der Geburt des Kindes. 
Hier spielt nämlich der bei den Wafipa allgemein 
herrschende Aberglaube eine Rolle, wonach das 
Kind sicher sterben muß, wenn seine Mutter wieder 
schwanger wird, bevor es allein laufen kann. 
Andere Nahrungsmittel als die genannten Breie 
werden den Kindern keinesfalls verabreicht, ins- 
besondere weder Kuh-, noch Ziegen= oder saure 
Milch. 
Da die Mütter fast immer über reichlich Milch 
verfügen, so tritt ausschließlich künstliche Ernährung 
nur dann ein, wenn sie an interkurenter Krank- 
heit sterben. In diesem Falle bekommen die 
Kinder ausschließlich die mehrfach genannten Mehl- 
breie. Fremden Ammen werden sie nie anver- 
traut, den seltenen Fall ausgenommen, daß die 
eigene Schwester der Verstorbenen die Brust zu 
reichen in der Lage ist. 
Aus dem Vorstehenden geht hervor, daß die 
hiesige Methode der Säuglingsernährung für afri- 
kanische Verhältnisse nicht allzu schlecht genannt 
werden kann. Die gleichwohl sehr große Kinder- 
sterblichkeit unter der Küstenbevölkerung ist denn 
auch nicht auf sie, als vielmehr auf Malaria 
(Üüberwiegend die tropische Form) zurückzuführen, 
der meiner Schätung nach, die ich auf Einblick 
in die Sterberegister der Missionen basiere, fast 
50 v. H. aller Neugeborenen zum Opfer fallen 
dürften.
	        
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