Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXV. Jahrgang, 1914. (25)

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Betel bearbeitete. Bei Untersuchungen der Japleute 
war mir auffällig, wie ungemein häufig bei ihnen 
starke Herzpalpitationen zu finden sind, ferner ein 
eigentümli hes Zittern der Hände und der Mund- 
winkel, auch bei jugendlichen Individuen und schließ- 
lich ein oft über die Maßen träumerisches Wesen, 
nicht unähnlich dem nach einer Morphiumdosis 
auftretenden. Die günstige Wirkung des mäßigen Ge- 
nusses ist die, daß alle körperliche Arbeit bei gleich- 
mäßig heiterer Stimmung durch ihn erleichtert wird, 
und daß er im Notfalle völlig über Hunger= und 
Durstgefühl hinwegtäuscht. Die meisten der aufge- 
zählten Wirkungen konnte ich an mir selbst v 
als ich eines Tages zur Eeloftbeobechtung einige 
Betelnüsse kante; von einem gewohnheitsmäßig betel- 
kauenden Europäer Japs wurden sie mir bestätigt. 
Kinder, denen indessen neuerdings das Betelkauen ver- 
boten ist, sollen nach Angabe der Leute längere Zeit, 
wenn sie das Beteln „lernen“, nach jeder Portion 
stark benommen sein. Daß #.älllgls Betelkauen 
nicht unschädlich ist, wird aber vor allem durch die 
Abstinenzerscheinungen erwiesen. die bei allen Jap- 
leuten auftreten, wenn sie es einmal längere Zeit ent- 
behren müssen. Dann sind sie träge, schlapp, miß- 
mutig und unfähig zur Arbeit. 
Vom Tabak gilt das gleiche. Von ihm wissen 
wir, doh er vor allem dem lindlichen Organismus 
wenig zuträglich ist. Aber auch die Jugend raucht 
auf Jap, und man kann dort sehen, wie dreijährige 
Kinder die Mutterbrust mit der Zigarette vertauschen. 
Indessen ist das Rauchen bisher nicht zu derselben 
allgemeinen Leidenschaft geworden wie das Beteln. 
6. Eigenhygiene, Familie und Sexualmoral. 
Entsprechend der hohen Eigenkultur der Karoliner 
sind auch viele hygienische Normen bei ihnen zu finden, 
und sie entbehren selbst für unsere modernen Begriffe 
der Zweckmäßigkeit nicht. Die Japleute haben noch 
heutigestags ihre eigene Kleidung nicht gegen curo- 
pä#sche vertauscht. Der Mann geht nackt bis auf seinen 
um die Hüften gelegten und durch die Schenkel ge- 
ogenen bunten Grasschurz und die Frauen tragen 
ausschließlich ihre langen, dichten, etwa monatlich er- 
neuerten Grasröcke bei eniblößtem Oberkörper. Die 
für die Ausbreitung der Tuberkulose so oft angeschul- 
digte europäische Kleidung kann hier sicher nicht in 
Frage kommen. Ich glaube überhaupt, daß sie eine 
viel größere Rolle beim Entstehen akuter als chroni- 
scher Erkrankungen der Luftwege spielt, indem sie bei 
Durchnässungen oder beim Durchschwitzen nicht ge- 
wechselt wird. Wie in der Kleidung so ist auch auf 
Allen anderen Gebieten das Volk äußerst treu in 
Wahrung seiner Sitten, und trotz aller äußeren Lenk- 
barkeit durch die Verwaltung hält es zäh an ihnen 
fest. Auch seine Eigenreligion wurzelt tief und den 
Bestrebungen der Mission setzt es einen härteren, 
passiven Widerstand eninegen als viele Kannibalen= 
völker. An äußeren Kulturgütern hat es nur wenig 
vom Weißen angenommen. Seine schönen großen 
Häuser mit den gewaktigen gegen den Wind gerichteten 
Giebeldächern erbant es noch immer im alten, Eigenen 
Stil und in ihrem Innern blickt man sich vergeblich 
nach enropäischem Hausgerät oder Schmuck um. Ve 
im Geräte des täglichen Lebens hat es nur wenigen 
Dingen, deren überragende Vorzüge ihm einleuchten, 
Eingang gestattet. Sein Steinbeil hat es ganz all- 
gemein durch Eisen ersetzt, das ihm die Holgzbearbei- 
tung beim Haus= und Bootsbau sowie die Feldarbeit 
erleichter 
Vert seiner religiösen Bräuche und Gebote haben 
einen hygienischen Untergrund. Manche Antoren 
  
glauben zwar, daß bei Naturvölkern solche Bräuche 
erst nachträglich profanen Zwecken dienstbar gemacht 
seien; ich bin der gegenteiligen Ansicht, daß viele 
priesterliche Vorschriften wie im alten Testamente zu- 
nächst hygienisch begründet waren, und um ihnen 
Geltung zu verschaffen, religiös umkleidet worden sind. 
Später mag vielfach ihr eigentlicher Zweck aus dem 
Volksbewußtsein geschwunden sein und nur der Mythus 
ist übrig geblieben; in anderen Fällen ist jener zwar 
noch kenntlich, aber vom religiösen Beiwerk über- 
wuchert. So haben die Zukunftssorgen für die Er- 
nährung ihn zu den Tabugesetzen vieler Pflanzen und 
Tiere gebracht, die noch heute streng in Geltung sind, 
aber im Laufe der Zeit immer mehr durch Aberglauben 
und komplizierende Vorschriften in ihrem eigentlichen 
Wesen verdunkelt worden sind. Gewissermaßen als 
Korrektiv einer sonst weirgehend geübten Gastfreund- 
schaft besteht ebenfalls aus vorbengender Sorge gegen 
Nahrungsmangel für fast alle Dörfer während mehrerer 
ochen, ja selbst Monate im Jahr das priesterliche 
Verbot, irgendwelche Früchte an Leute, die nicht zur 
Ortschaft gehören, zu verschenken oder zu verkaufen. 
Auch mir gegenüber machten sie keine Ausnahme davon. 
Wenn Nahrungsmittel wie Trepang, Aale und Haie 
ganz verpönt sind, so deutet das darauf bin, daß einst- 
mal durch , sei es boiss sei es vermeintlich, 
Krankheiten unter das Volk kamen. Die Erkenninis, 
daß es ansteckende, die Umgebung gefährdende Krank- 
heiten gibt, kommt in dem Gebot zum Ausdruck, daß 
nach jedem Todesfall die Angehörigen des Verstorbenen 
für einige Zeit abseits des Dorfes, auf den Höhen 
leben, also eine Art Quarantäne durchmachen müssen, 
deren Danuer nach dem Grade der Verwandtschaft mit 
dem Toten abgestuft wird. Sehr viele Eingeborenen- 
medizinen sind im Gebrauche, teils jedermann be- 
kannt, teils nur im Besitz der Priester oder einiger 
Heiltünsker, deren es für verschiedene Krankheiten 
immer bestimmte Spezialisten gibt. Es würde zu weit 
führen, wenn wir hier alle die zur Anwendung 
kommenden Medikationen, Massagen, Blutentziehungen 
und sonstigen mannigfachen Heilprozeduren betrachten 
wollten. Einigen wichtigen, die in der Richtung des 
uns besonders interessierenden Bevölkerungsproblems 
liegen, werden wir im Zusammenhange mit dem 
Familienleben und der Geschlechtsmoral des Volkes 
begegnen. 
Bza sahen bereits, daß die eheliche Gemeinschaft 
des Hinseen nicht sonderlich festgefügt iit Ihre 
Lockerung ist aber ein Produkt der neuen Zeit, die 
außerdem dahin geführt hat, daß vieles alte seine 
Zweckmäßigkeit oder Harmlosigkeit verloren hat, ja 
zum Nachteil des Volkes geworden ist. Eine Ehe wird 
nur so lange aufrecht erhalten, als wirkliche Neigung 
das Paar verbindet. Mit ihrem Erlöschen gibt der 
eine Teil dem andern seine Freiheit wieder. Er 
schreitet nicht wie andere Naturvölker zur Polygamie, 
er hält sich auch nicht, wie es tausendfach unter 
Kulthtroöllern Brauch ist, für verpflichtet, bei ein- 
tretender Abneigung die äußere Form der Gemein- 
schast zu wahren, sondern er sucht und findet 
eine neue Ehe. an mag über die Moral oder 
Unmoral dieser Institution geteilter Ansicht sein, 
aber man wird nicht behaupten können, daß 
an sich die Aussichten eines Nachwuchses dadurch 
verschlechtert werden, wenn eine neue Neigung, 
zu einer neuen Ehe führt: wenigstens sind sie nicht 
schlechter, als wenn bei gegenseitiger Abneigung das 
äußere Zusammenleben erhalten leibt. Eine ganz 
andere Beleuchtung gewinnt aber dieses Bild sofort 
nach dem Einzug der Geschlechtskrankheiten. Sie 
werden als unerwünschtes Heiratsgut von einer Ehe
	        
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