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in die andere mitgenommen und üben ihre verhäng-
nisvolle Wirkung aus. Ist ein Mann steril geworden
und bleibt seine erste Ehe dauernd kinderlos, so sucht
er diesem unehrenhaften Zustande durch einen Wechsel
der Frau abguhelfen, natürlich zunächst nicht wissend,
daß er selber schuld an der Kinderlosigkeit ist. So ist
oft der Wunsch des Mannes nach einem Kinde der
Grund der Ehescheidung; in Erfüllung geht er ihm
freilich nur dann, wenn die Frau der schuldige Teil
war. Gleichfalls durch die Geschlechtskrankheiten ist
eine andere alte Sitte auf Jap zu einer großen ge-
sundheitlichen Gefahr geworden. In jedem Dorfe gibt
es ein stattliches Klubhaus, in dem die ledige Ingend,
die Witwer oder die zum Besuch weilenden Fremden
Unterkunft finden. Diese Klubgemeinschaft unterhielt
früher eine Anzahl junger, aus einem andern Dorfe
stammender Mädchen, die ihnen nicht nur das Haus
instand hielten, sondern ihnen und den Verkehrsgästen
auch ihre volle Gunst schenkten. Sie lebten dort nicht
nach Art der Dirnen, sondern der junge Japmann um-
gab sie mit seiner ganzen Pflege und Aufmerksamkeit.
Der Dienst des Mädchens im Klubhause hatte nichts
Entehrendes, er wurde gern übernommen, und die
meisten Mädchen verbrachten dort vor ihrer Verheira-
lung einige Jahre. Wurde eins von ihnen schwanger,
so wurde in einer Verhandlung mit dem Häuptling
sestgelegt, wer als Vater zu gelten hatte und es folgte
die Heirat. Neben einem Seinalkommumismus der
Ingend liegt ein weiterer Grund zu dieser Sitte wohl
in denselben Motiven, die bei anderen Völkern zur
Vielehe geführt haben. Die Japfrau nährt ihre Kinder
jahrelang, und während dieser Zeit sowie während der
Schwangerschaft wird sie nicht berührt. Die Freuden
des Klubhauses schafften dem Japmann gelegentlich
Ersatz. Man denke sich die Geschlechts krantheiten vom
Volke weg, und man wird auch diese Sitte kaum be-
denklich für die Volkovermehrung finden, zumal sie
durchweg ein vor der Verheiratung abgelöster vorüber-
gehender Zustand für das Mädchen war. Mit dem
Aufstreten der venerischen Leiden wurde auch sie ver-
derölich und ist deshalb von der deutschen Verwaltung
geschafft. Ein einziger Kranker mußte ja geradezu
dab ganze Klubhaus verseuchen. Ein dritter eigen-
artiger Brauch der Karoliner hat auch in neuer Zeit
und wiederum vornehmlich durch die Geschlechtskrank-
beiten sein harmloses Gesicht verloren. Wenn das
Japmädchen in die Geschlechtsreife tritt, so wird sie
sunächst unter Wahrung von allerlei Zeremonien in
einem besonderen Hause, dem Dapal, untergebracht,
und die männliche Jugend des Dorfes pilgert mit
Geschenken zu ihr und wirbt um ihre Gunst. Ursprüng-
lich also eine Art Brautwerbung. In der heutigen
Fasson gewährt aber das Mädchen nicht mehr einem
Auserwählten ihre Gunst, sondern wohl jedem, sofern
er sie nur mit reichen Geschenken besucht und die schöne
Zeit des Dapal wird bis auf zwei Jahre ausgedehnt.
Diese Sitte ist noch nicht ausgerottet. Möglicherweise
hat sie sich erst durch Abschaffung des Klubhauswesens
zu dem ausgewachsen, was sie heute ist. Die gesund-=
heitlichen und moralischen Folgen für das dem Kindes-
alter entronnene Mädchen liegen auf der Hand; es
wird infiziert und durch Verwöhnung für die Ehe ver-
orben
Man darf nun aber nicht etwa annehmen, daß
Männer und Frauen in eitel Lieb un Lust einem
ungezügelten Geschlechtsverkehr huldigten. Im Gegen-
teil. Der drei= bis vierjährigen Enthaltsamkeit der
schwangeren und säugenden Frauen wurde bereits ge-
dacht. Aber auch dem Manne sind aus allen moͤg-
lichen Anlässen oft monatelange Karenzzeiten auf-
erlegt, und zwar immer dann, wenn irgendeine
besondere Leistung von ihm verlangt wird, sei es beim
Haus= oder Kanubau oder vor allem als Vorbereitung
für die Anstrengungen der Fang-Saison der fliegenden
Fische. Eine ganze Anzahl weiterer sexnalhygienisch
motivierter Gebote sind in Geltung. Es best
verbot bei zu naher Verwandtschaft, Ehen mit anderen
Rassen sind unstatthaft. Für viele Dörfer gilt die
Bestimmung, daß der Mann älter sein muß als die
Frau. Nach 7 Uhr abends dürfen junge Leute ihren
Wohnort nicht mehr verlassen; für einige Dörfer ist
dieses Verbot wenigstens zeitweise auf die gesamte
Bewohnerschaft ausgedehnt, gewiß im Interesse zu
verhindernder Herumtreibereien. Die Wochenbetts-
pflege ist durch allerlei Vorschriften geregelt, von denen
viele unverkennbar einen hygienischen Stempel tragen.
So, wenn es verboten ist, daß Frauen während der
letzten Wochen ihrer Schwangerschaft aufs Wasser
gehen, daß sie als Wöchnerinnen eine eigene Hütte
beziehen müssen, daß sie einen Monat lang nach der
Entbindung frei von Arbeit bleiben, daß sie mit ihrem
Säugling auf eine bestimmte Frist das Heimatsdorf
nicht verlassen dürfen u. a. m. Sehr sorgfältig ist die
Pflege des Säuglings durch die Mutter. Ich hatte
eins meiner Standquartiere in der Nähe zweier junger
Mütter aufgeschlagen und hatte so beaueme Gelegen-
heit, diese bei ihrem Tun zu beobachten. Wein die
Kinder nicht sorgsam mit Matten äugedeckt schliefen
oder an der Brust lagen, so waren die Mütter eigent-
lich dauernd mit ihnen beschäftigt. Entweder wurden
sie massiert oder gewaschen, oder Augen, Ohren und
Mund wurden gereinigt, oder die Fliegen wurden
abgewehrt. Neben den Frauen standen die verschie-
densten Kokosnuß= oder Muschelschalen mit allerhand
Tränken und Wässern, die bald äußerlich, bald inner-
lich zur Anwendung kamen. Gewissenhaft wurde immer
die nach der Seeborise zu gelegene Seite der Hütte
abgedichtet. Frauen aus dem Verwandten= und Be-
anbttenrreise. saßen im Vorhof und begutachteten das
Kind oder gaben bald diesen, bald jenen weisen Rat.
Das ganze Sinnen der Mütter war offensichtlich in
zärtlicher Besorgnis nur auf die Kinder gerichtet.
Und doch blüht trotz aller Kinderliebe auf Jap die
Fruchtabtreibung und wahrscheinlich auch die Kon-
zeptionsverhütung in ausgedehntem Maße! Wie
ist das möglich gewesen? Verschiedene Gründe haben
dazu geführt. Gerade auf kleinen Inseln erhebt sich
die Furcht vor einer beginnenden Ubervölkerung und
drohendem Nahrungsmangel viel eher als bei Fest-
landsstämmen; denn diese können einem Drucke wirt-
schaftlicher Not durch Ansdehnung in die Nachbarschaft
ausweichen, jenen steht nur der Ozean offen. Diesen
Weg haben die Karoliner früher zum Teil gewählt,
zum Teil aber auch den bequemeren anderen der
Fruchtabtreibung. Dies mag der anfängliche Be-
weggrund gewesen sein, der in Geltung kam, als
die Insel -wirklich so dicht bewohnt war, daß be-
gründete Sorgen auftauchen konnten, zumal eine
Steigerung der Produktion durch technische Vervoll-
kommnung der ꝓtimitiven Werkgenge noch nicht möglich
Jetzt, wo durch starke Volksabnahme diese Be-
fürchtung längie wieder hinfällig geworden ist, besteht
die einmal angenommene Gepflogenheit doch weiter
fort. Dieses Über-das-Ziel-Schießen ist eine Eigen-
schaft, die allen solchen Leichränkungamstteln anhaftet,.
sei es nun die Fruchtabtreibung taroliner oder
der Kindesmord anderer kusrtonn ber t der Prä-
ventivverkehr der Modernen. Andere Ursachen kommen
aber auf Jap noch hinzu, die, einseitig beim weiblichen
Geschlecht liegend, eit recht die Fruchtabtreibung fördern.
Die Fran besorgt neben den Hörigen die Feldarbeit.
Schwöntgersehlt ind Mühen der Kinderpflege behindern
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