Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXV. Jahrgang, 1914. (25)

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in die andere mitgenommen und üben ihre verhäng- 
nisvolle Wirkung aus. Ist ein Mann steril geworden 
und bleibt seine erste Ehe dauernd kinderlos, so sucht 
er diesem unehrenhaften Zustande durch einen Wechsel 
der Frau abguhelfen, natürlich zunächst nicht wissend, 
daß er selber schuld an der Kinderlosigkeit ist. So ist 
oft der Wunsch des Mannes nach einem Kinde der 
Grund der Ehescheidung; in Erfüllung geht er ihm 
freilich nur dann, wenn die Frau der schuldige Teil 
war. Gleichfalls durch die Geschlechtskrankheiten ist 
eine andere alte Sitte auf Jap zu einer großen ge- 
sundheitlichen Gefahr geworden. In jedem Dorfe gibt 
es ein stattliches Klubhaus, in dem die ledige Ingend, 
die Witwer oder die zum Besuch weilenden Fremden 
Unterkunft finden. Diese Klubgemeinschaft unterhielt 
früher eine Anzahl junger, aus einem andern Dorfe 
stammender Mädchen, die ihnen nicht nur das Haus 
instand hielten, sondern ihnen und den Verkehrsgästen 
auch ihre volle Gunst schenkten. Sie lebten dort nicht 
nach Art der Dirnen, sondern der junge Japmann um- 
gab sie mit seiner ganzen Pflege und Aufmerksamkeit. 
Der Dienst des Mädchens im Klubhause hatte nichts 
Entehrendes, er wurde gern übernommen, und die 
meisten Mädchen verbrachten dort vor ihrer Verheira- 
lung einige Jahre. Wurde eins von ihnen schwanger, 
so wurde in einer Verhandlung mit dem Häuptling 
sestgelegt, wer als Vater zu gelten hatte und es folgte 
die Heirat. Neben einem Seinalkommumismus der 
Ingend liegt ein weiterer Grund zu dieser Sitte wohl 
in denselben Motiven, die bei anderen Völkern zur 
Vielehe geführt haben. Die Japfrau nährt ihre Kinder 
jahrelang, und während dieser Zeit sowie während der 
Schwangerschaft wird sie nicht berührt. Die Freuden 
des Klubhauses schafften dem Japmann gelegentlich 
Ersatz. Man denke sich die Geschlechts krantheiten vom 
Volke weg, und man wird auch diese Sitte kaum be- 
denklich für die Volkovermehrung finden, zumal sie 
durchweg ein vor der Verheiratung abgelöster vorüber- 
gehender Zustand für das Mädchen war. Mit dem 
Aufstreten der venerischen Leiden wurde auch sie ver- 
derölich und ist deshalb von der deutschen Verwaltung 
geschafft. Ein einziger Kranker mußte ja geradezu 
dab ganze Klubhaus verseuchen. Ein dritter eigen- 
artiger Brauch der Karoliner hat auch in neuer Zeit 
und wiederum vornehmlich durch die Geschlechtskrank- 
beiten sein harmloses Gesicht verloren. Wenn das 
Japmädchen in die Geschlechtsreife tritt, so wird sie 
sunächst unter Wahrung von allerlei Zeremonien in 
einem besonderen Hause, dem Dapal, untergebracht, 
und die männliche Jugend des Dorfes pilgert mit 
Geschenken zu ihr und wirbt um ihre Gunst. Ursprüng- 
lich also eine Art Brautwerbung. In der heutigen 
Fasson gewährt aber das Mädchen nicht mehr einem 
Auserwählten ihre Gunst, sondern wohl jedem, sofern 
er sie nur mit reichen Geschenken besucht und die schöne 
Zeit des Dapal wird bis auf zwei Jahre ausgedehnt. 
Diese Sitte ist noch nicht ausgerottet. Möglicherweise 
hat sie sich erst durch Abschaffung des Klubhauswesens 
zu dem ausgewachsen, was sie heute ist. Die gesund-= 
heitlichen und moralischen Folgen für das dem Kindes- 
alter entronnene Mädchen liegen auf der Hand; es 
wird infiziert und durch Verwöhnung für die Ehe ver- 
orben 
Man darf nun aber nicht etwa annehmen, daß 
Männer und Frauen in eitel Lieb un Lust einem 
ungezügelten Geschlechtsverkehr huldigten. Im Gegen- 
teil. Der drei= bis vierjährigen Enthaltsamkeit der 
schwangeren und säugenden Frauen wurde bereits ge- 
dacht. Aber auch dem Manne sind aus allen moͤg- 
lichen Anlässen oft monatelange Karenzzeiten auf- 
erlegt, und zwar immer dann, wenn irgendeine 
  
besondere Leistung von ihm verlangt wird, sei es beim 
Haus= oder Kanubau oder vor allem als Vorbereitung 
für die Anstrengungen der Fang-Saison der fliegenden 
Fische. Eine ganze Anzahl weiterer sexnalhygienisch 
motivierter Gebote sind in Geltung. Es best 
verbot bei zu naher Verwandtschaft, Ehen mit anderen 
Rassen sind unstatthaft. Für viele Dörfer gilt die 
Bestimmung, daß der Mann älter sein muß als die 
Frau. Nach 7 Uhr abends dürfen junge Leute ihren 
Wohnort nicht mehr verlassen; für einige Dörfer ist 
dieses Verbot wenigstens zeitweise auf die gesamte 
Bewohnerschaft ausgedehnt, gewiß im Interesse zu 
verhindernder Herumtreibereien. Die Wochenbetts- 
pflege ist durch allerlei Vorschriften geregelt, von denen 
viele unverkennbar einen hygienischen Stempel tragen. 
So, wenn es verboten ist, daß Frauen während der 
letzten Wochen ihrer Schwangerschaft aufs Wasser 
gehen, daß sie als Wöchnerinnen eine eigene Hütte 
beziehen müssen, daß sie einen Monat lang nach der 
Entbindung frei von Arbeit bleiben, daß sie mit ihrem 
Säugling auf eine bestimmte Frist das Heimatsdorf 
nicht verlassen dürfen u. a. m. Sehr sorgfältig ist die 
Pflege des Säuglings durch die Mutter. Ich hatte 
eins meiner Standquartiere in der Nähe zweier junger 
Mütter aufgeschlagen und hatte so beaueme Gelegen- 
heit, diese bei ihrem Tun zu beobachten. Wein die 
Kinder nicht sorgsam mit Matten äugedeckt schliefen 
oder an der Brust lagen, so waren die Mütter eigent- 
lich dauernd mit ihnen beschäftigt. Entweder wurden 
sie massiert oder gewaschen, oder Augen, Ohren und 
Mund wurden gereinigt, oder die Fliegen wurden 
abgewehrt. Neben den Frauen standen die verschie- 
densten Kokosnuß= oder Muschelschalen mit allerhand 
Tränken und Wässern, die bald äußerlich, bald inner- 
lich zur Anwendung kamen. Gewissenhaft wurde immer 
die nach der Seeborise zu gelegene Seite der Hütte 
abgedichtet. Frauen aus dem Verwandten= und Be- 
anbttenrreise. saßen im Vorhof und begutachteten das 
Kind oder gaben bald diesen, bald jenen weisen Rat. 
Das ganze Sinnen der Mütter war offensichtlich in 
zärtlicher Besorgnis nur auf die Kinder gerichtet. 
Und doch blüht trotz aller Kinderliebe auf Jap die 
Fruchtabtreibung und wahrscheinlich auch die Kon- 
zeptionsverhütung in ausgedehntem Maße! Wie 
ist das möglich gewesen? Verschiedene Gründe haben 
dazu geführt. Gerade auf kleinen Inseln erhebt sich 
die Furcht vor einer beginnenden Ubervölkerung und 
drohendem Nahrungsmangel viel eher als bei Fest- 
landsstämmen; denn diese können einem Drucke wirt- 
schaftlicher Not durch Ansdehnung in die Nachbarschaft 
ausweichen, jenen steht nur der Ozean offen. Diesen 
Weg haben die Karoliner früher zum Teil gewählt, 
zum Teil aber auch den bequemeren anderen der 
Fruchtabtreibung. Dies mag der anfängliche Be- 
weggrund gewesen sein, der in Geltung kam, als 
die Insel -wirklich so dicht bewohnt war, daß be- 
gründete Sorgen auftauchen konnten, zumal eine 
Steigerung der Produktion durch technische Vervoll- 
kommnung der ꝓtimitiven Werkgenge noch nicht möglich 
Jetzt, wo durch starke Volksabnahme diese Be- 
fürchtung längie wieder hinfällig geworden ist, besteht 
die einmal angenommene Gepflogenheit doch weiter 
fort. Dieses Über-das-Ziel-Schießen ist eine Eigen- 
schaft, die allen solchen Leichränkungamstteln anhaftet,. 
sei es nun die Fruchtabtreibung taroliner oder 
der Kindesmord anderer kusrtonn ber t der Prä- 
ventivverkehr der Modernen. Andere Ursachen kommen 
aber auf Jap noch hinzu, die, einseitig beim weiblichen 
Geschlecht liegend, eit recht die Fruchtabtreibung fördern. 
Die Fran besorgt neben den Hörigen die Feldarbeit. 
Schwöntgersehlt ind Mühen der Kinderpflege behindern 
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