Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXV. Jahrgang, 1914. (25)

W 706 20 
größerer wirtschaftlicher Bedeutung“ (nach Analogie 
des preußischen Gesetzes) oder „der Wasserläufe, 
welche die Interessen mehrerer Anlieger berühren“, 
erreicht werden können, in conereto durch die 
bezirksweise Aufstellung von Verzeichnissen dieser 
Flüsse nach Entscheidung des Wasseramts. Der 
Charakter der Wasserläufe wäre hiernach aller- 
dings wandelbar; ein Wasserlauf, der bisher zu 
der vorerwähnten Kategorie nicht gehörte, könnte 
mit fortschreitender Siedlung oder durch Farm- 
teilung plötzlich den volkswirtschaftlich bedeuten- 
deren Charakter erhalten, aber diese Wandelbar- 
keit entspricht dem Wesen der wirtschaftlichen 
Entwicklung im allgemeinen. Auf die Strecke, 
die ein Wasserlauf durchzieht, kommt es hiernach 
nicht ausschließlich an, sondern auch darauf, wie 
weit und nach welchen Richtungen hin sein Vorrat 
bereits in den Bereich der Landeswirtschaft fällt 
und in ihr nutzbar gemacht werden soll oder 
kann. 
Im Gegensatz ferner zu dem Wassergesetz der 
südafrikanischen Union und den ihm vorher- 
gegangenen englischen Landesgesetzen nimmt 
der Entwurf kein Nutzungsrecht, sondern ein 
Privateigentum an Wasser, d. h. also bei 
Wasserläufen nicht nur am Wasserbett, sondern 
auch an der fließenden Wasserwelle an. Er folgt 
darin neueren deutschen Wassergesetzen, besonders 
dem neuen preußischen Wassergesetz, in dem 
juristisch und logisch angreifbarsten Teil ihrer 
Gestaltung, ohne sich auf den — auch in Preußen 
usw. übrigens nur scheinbar stichhaltigen — 
Grund einer konstruktiv zwingenden Rechts- 
anschauung im Lande berufen zu können. Der 
Konstruktion eines sich auf die Wasserwelle er- 
streckenden Eigentums stehen die Entscheidungen 
des Reichsgerichts (z. B. Band 16, S. 179) 
ausdrücklich entgegen; ein solches Eigentum ist 
auch logisch undenkbar und nur geeignet, bei dem 
späteren Ausbau des Wasserrechts in einem Neu- 
lande Schwierigkeiten auf Schwierigkeiten zu häufen. 
Die in der Begründung des preußischen Wasser- 
gesetzes schon versuchte, von dem Entwurf wieder- 
holte Erläuterung, das Eigentum solle den „Wasser- 
lauf als ganzes“ erfassen, da erst Bett und Wasser 
diesen Begriff gemeinsam ergäben, wirkt in keiner 
Weise überzeugend. Das Eigentum muß sich auf 
eigentumsfähige Sachen, kann sich aber nicht auf 
Begriffe beziehen; wenigstens dann nicht, wenn 
ein Begriff, wie hier, Dinge umfaßt, die nach 
alter und neuer Rechtsanschauung der Eigentums- 
fähigkeit entbehren. Ganz besonders in Trocken- 
ländern, wie Südwestafrika, wo das Trockenbett 
von Rivieren und Omuramben ein ganz greif- 
bares, meist höchst nützliches Objekt des Grund- 
eigentums bildet, die in der Regenzeit ab- 
kommenden Wassermassen aber in ihrer rapiden 
  
Wanderung von Ort zu Ort jeder Eigentums- 
anschauung offensichtlich Hohn sprechen, muß die 
juristische Konstruktion des „Eigentums am Wasser- 
lauf oder Fluß“ etwas eigentümlich berühren. 
Eigentum an Ufer und Bett und kraft dieses 
Eigentums Okkupationsrecht am darüber fließenden 
Wasser wäre physisch und wissenschaftlich möglich, 
volkswirtschaftlich zweckmäßig und ausreichend, 
logisch klar und daher auch juristisch gegeben. 
Das sieht der Verfasser des Entwurfs offenbar 
nicht ein. Er scheint zu glauben, daß das 
englisch-fsüdafrikanische Gesetz (von 1912) lediglich 
„Uunter dem Einfluß römisch= rechtlicher An- 
schauungen“ stehe, wenn es das Eigentum am 
fließenden Wasser verneine. 
„Das öffentliche oder gemeine Eigen- 
tum“" ist zwar, wie die Begründung zum Ent- 
wurf richtig bemerkt, ein unklarer Begriff und 
daher eine unhaltbare Bezeichnung. Deshalb ist 
aber sein Ersatz durch ein tatsächlich und logisch 
unmögliches fiskalisches Privateigentum 
am öffentlichen Wasserlauf keine Verbesse- 
rung. Beschränkung des Privatrechts am Wasser 
durch die öffentliche Gewalt im Allgemeininteresse 
bei allen wichtigen Wasserläufen und fiskalisches 
Privateigentum an den Betten der schiffbaren 
oder für große staatliche Wasseranlagen besonders 
geeigneten Wasserlaufstrecken wäre m. E. das 
Richtige gewesen. 
Ist der Entwurf dem preußischen Gesetz in 
diesem — seinem u. E. größten — Fehler 
gefolgt, so macht er den großen Fortschritt, den 
dieses Gesetz durch Beseitigung der Einteilung 
der Wasserläufe in öffentliche und private und 
ihre Ersetzung durch die Einteilung in Ordnungen 
nach der volkswirtschaftlichen Bedeutung gebracht 
hat, leider nicht mit. Er fällt in die alte Unter- 
scheidung zwischen öffentlichen und privaten 
Flüssen zurück, vielleicht unter größerem Einfluß 
„römisch-rechtlicher Anschauungen“, als er sie 
beim Verfasser des englisch-südafrikanischen Ge- 
setzes in der Eigentumsfrage vermutet. 
Nun paßt aber der römische Sinn der res 
publica mit unserem heutigen Rechtsbegriff der 
Offentlichkeit nicht mehr genau zusammen; der 
Ausdruck „böffentlich“ hat in unserem Rechtswesen 
eine recht verschiedenartige Bedeutung gewonnen 
und dadurch wesentliche Unklarheiten hervor- 
gerufen, nicht zuletzt auch auf dem Gebiet des 
Wasserrechts. Die Bezeichnungen „öffentliche 
Schaustellung, Versammlung, Wahl, öffentliches 
Gebäude, öffentlicher Strand, Weg, Platz, Fluß 
usw. lassen, wenn man der geltenden juristischen 
Begriffsbestimmung im einzelnen nachgeht, sofort 
erkennen, in wie verschiedenem Sinne das Wort 
„öffentlich" in unserem heutigen Staats= und 
Rechtsleben gebraucht wird. Nicht zur Förderung
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.