Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXV. Jahrgang, 1914. (25)

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juristischer Klarheit. Die allgemeine Zugänglich- 
keit, die Herrenlosigkeit, der Verwendungszweck, 
schließlich aber die Beschränkung von Privat- 
rechten durch die höhere Gewalt eines bestimmt 
sich geltend machenden staatshoheitlichen Willens- 
aktes — sie alle haben die Bezeichnung „öffent- 
lich“ zur Folge. An einer von Natur herren- 
losen — weil der Besitzergreifung im ganzen 
mehr oder weniger sich entziehenden — Sache 
kann jedermann in der Weise teilhaben, daß 
etwaige Privatrechte — tatsächlich oder vermut- 
lich — nicht geschädigt werden. Der derartige 
Gebrauch dieser Sache ist also in gewisser Hinsicht 
öffentlich, setzt indessen rechtlich die Nichtbeeinträch= 
tigung von Privatrechten geradezu voraus. 
Hierher gehören der Gemeingebrauch der Luft, 
des Wassers, des Strandes usw. Wird bei 
diesem Gemeingebrauch die Beeinträchtigung eines 
bestehenden Privatrechts — also Vorzugsrechts — 
festgestellt, so hatte nach bisheriger Rechts- 
anschauung der Gemeingebrauch insoweit zurück- 
äustehen. 
Ganz anders das öffentliche Recht als posi- 
tiver Ausdruck des Staatswillens. Es wirkt für 
alle Privatrechte zwingend, einschränkend oder 
beseitigend, geht ihnen also vor. Ein öffentlicher 
Weg z. B. ist ein Weg, der im Interesse des all- 
gemeinen Verkehrs den Einwirkungen des Privat- 
rechts ganz oder in ganz bestimmtem Umfange 
entzogen ist.') Im gleichen Sinne wie die 
öffentlichen Wege waren aber die öffentlichen 
Flüsse bisher öffentlich; die Offentlichkeit bedeutete 
auch hier eine Einschränkung oder Aufhebung von 
Privatrechten (auch fiskalischen) im Allgemein- 
interesse, als welches sich früher ganz vorwiegend 
das Interesse des allgemeinen Wasserverkehrs 
(Schiffahrt, Flößerei) darstellte. Heutzutage tritt 
das Allgemeininteresse nun ebenso in Gestalt der 
öffentlichen Hygiene und der Volkswirtschaft auf; 
diese Interessen erstrecken sich aber mehr oder 
weniger auf alle Flüsse, Wasserläufe und auf 
eine große Anzahl anderer Wasservorkommen. 
Sie bedingen eine grundsätzliche Einschränkung 
von Privatrechten durch das Allgemeininteresse 
in einem früher nicht geahnten Umfang, und aus 
diesem Grunde haben neuere Wassergesetze (3. B. 
auch das preußische) die Beschränkung des Aus- 
drucks „öffentlich“ auf bestimmte Kategorien von 
Wasserläufen als gegenstandslos — mit der Wirk- 
*) Die Materie der Luft unterliegt bisher dem 
Gemeingebrauch und privaten Verfügungsrechten. Ein 
öOffentliches Luftrecht im Sinne der Staatshoheit, 
derart, daß diese gewisse Verfügungen über den Luft- 
raum im Staatsinteresse unter Einschränkung von 
Privatrechten und Gemeingebrauch positiv in Anspruch 
nähme, bestand bisher nicht und ist erst aus Anlaß 
der Entwicklung der modernen Luftschiffahrt ins Auge 
gefaßt worden. 
  
lichkeit unvereinbar — angesehen, die Bezeichnung 
„öffentlich“ daher folgerichtig überhaupt fallen lassen 
und die Wasserläufe nach ihrer wirtschaftlichen 
Bedeutung in Ordnungen eingeteilt. Diese Ein- 
teilung in drei bis vier Ordnungen (Schiffbarkeit, 
sonstige größere Bedentung, Bedeutung für mehrere 
Anlieger usw.) wäre auch für Süd-West zweck- 
mäßig gewesen, zumal doch schon die Frage nach 
wasserwirtschaftlichen Anlagen (Stauanlagen usw.) 
in einem für den Schiffsverkehr geeigneten 
Fluß (Kunene, Okavango) erheblich anders wird 
beurteilt werden müssen als in einem anderen 
großen Wasserlauf (z. B. im großen Fischfluß). 
Außerdem beseitigt eine derartige Einteilung die 
Grenzbestimmung von Fluß und Nichtfluß, die 
unter den Wasserläufen Südwestafrikas doch äußerst 
schwer zu ziehen sein dürfte. 
Aus der unrichtigen, logisch und wirtschaft- 
lich unhaltbaren Gestaltung des Privatrechts am 
Wasser und der Beschränkung des Offentlichkeits- 
begriffes auf eine bestimmte Kategorie von Ge- 
wässern ergibt sich für den Entwurf konse- 
quenterweise eine höchst anfechtbare Konstruktion 
des sogenannten Gemeingebrauchs. Wenn es in 
der Begründung heißt, daß der Gemeingebrauch 
als ein öffentliches Recht zu betrachten sei, so 
könnte diese Auffassung mit der diesseitigen über- 
einstimmen, wenn als Sinn des Begriffs „öffent- 
lich" nur ein jedermann zustehendes Recht zur 
Nutzung von Teilen einer an sich herrenlosen — 
d. h. dem Eigentum sich entziehenden — Materie 
gemeint wäre. Das kann aber nicht der Fall 
sein, da der Entwurf ja die Eigentumsfähigkeit 
des Wassers und das Eigentum an der fließenden 
Wasserwelle ausdrücklich anerkennt. Diese eigen- 
tümliche Annahme teilt er mit dem neuen 
preußischen Gesetz und weiß nun — ebenso wie 
dieses — keinen Ausweg aus dem logisch-unlo- 
gischen Gedränge, als den, den Gemeingebrauch, 
der doch in Wirlichkeit vorhanden und wichtig 
ist, als ein öffentliches Recht in üblichem Sinne 
zu bezeichnen. Da nun öffentliches Recht aber 
dem Privatrecht vorangeht, so wurde tatsächlich 
in dem neuen preußischen Gesetz schon bei den 
Kommissionsberatungen im Abgeordnetenhause eine 
gewisse Beschränkung des Privatrechts durch den 
Gemeingebrauch, die das bisherige Recht nicht 
kannte, aufgenommen. Der Entwurf der afrika- 
nischen Verordnung ist soweit nicht gegangen. Er 
sagt in § 22, Abs. 2: Der Eigentümer ist nicht 
verpflichtet, auf den Gemeingebrauch Rücksicht zu 
nehmen, es sei denn, daß Gründe des öffent- 
lichen Wohls vorliegen. Darin liegt wieder eine 
Unklarheit. Der Gemeingebrauch hat rechtlich 
lediglich die Vermutung der „Unschädlichkeit“ 
für sich. Wird er in einem konkreten Falle und 
in bestimmter Richtung und Ausdehnung zur
	        
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