Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXV. Jahrgang, 1914. (25)

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daß nach geglückter Trepanation die Schmerzen des 
Verwundeten aufhören, hat sie dazu übergehen lassen, 
auch bei heftigen Kopfschmerzen. aus anderer Ursache 
und bei Krankheiten, deren Sitz man im Schädel ver- 
mutete, diesen kühnen Eingriff auszuführen. Ja, man ist 
' zurprophylaktischen 
Trepanation. Sorgsame Mütter führen sie an ihren 
Kindern, um sic vor allen möglichen Leiden zu schützen, 
aus, indem sie mit einer scharfen Muschelschale den 
Stirnknochen in vertikaler Richtung auf eine Aus- 
dehnung von 2—4 cm durchschaben, bis ein schmaler 
Knochenspalt entsteht. Man sieht sogar Kanaken, die 
mehrere parallel laufende tiefe Knochennarben als Er- 
innerung an eine mehrmalige in der Kindheit über- 
standene Trepanation tragen. ei der großen Vor- 
liebe des Volkes für auffällige Ziernarben halte ich 
ßeSp indessen nicht für ausgeschlossen, daß bei diesem 
Berfahren auch der Wunsch der Mütter mitspricht, solche 
Narben an besonders auffälliger Stelle in auffälliger, 
renommistischer Form zu erzielen. Einen wirklichen 
prophylaktisch= therapeutischen Effekt können die rast 
wieder knôchern verheilenden Fissuren kaum haben. 
Jedenfalls sehen wir an diesem Beispiel, wie und 
weshalb selbst bei primitiven Völkern auf dem Gebiete 
der Medigin eine ausnahmsweise hoch entwickelte 
Einzelerscheinung austreten kann. Natürlich wäre es 
ganz verfehlt, daraus irgendwelche Schlüsse auf einen 
allgemeinen hohen Stand ihrer Eigenkultur zu ziehen. 
In der Volksernährung der Kanaken stehen 
Taro und Kokosnuß an der Spitze. Daneben bauen 
sie noch vielerlei andere Knuollenfrüchte und Obst: 
Dams, Süßkartoffeln, Brotfrüchte, Bauanen, Zuckerrohr, 
Tapioka, Melonen usw. Seit einer Reihe von Jahren 
fangen sie bezeichnenderweise überall an, Mais zu 
bauen, und außerdem sahen wir oft auf ihren Feldern 
eine Erbsenart mit großen vierkantigen Hülsen, deren 
jede 20—30 Körner enthält. An Geflügel werden 
überall Hühner gehalten, wobei aber der Hahn weit 
höher im Werte steht als das Huhn wegen seiner 
bunten Federn, des vielbegehrten Festschmucks bei ihren 
farbenfrohen Tänzen. Mehr als Hühner kommen die 
Schweine als Nahrungsmittel in Betracht, die teils 
gezüchtet, teils verwildert leben. Außer letzteren werden 
gelegentlich Kasuare, Kängurus, fliegende Hunde und 
Beutelratten gejagt: Fische und Schildkröten vervoll- 
ständigen die Liste der tierischen Nahrung. 
Sehr sauber halten alle Kanaken ihre Dorfplätze, 
und deren Reinlichkeit sticht grell gegen die Unsauberkeit 
ihres Körpers und namentlich der ihnen aufgenötigten 
uropschen, Kleiderlappen ab. 
In vielen Ortschaften ist die Wasserversorgung 
nicht nur qualitativ, sondern auch der Menge nach 
mangelhaft, bisweilen muß der nötigste Vorrat aus 
weiter Entfernung geholt werden. 
Wenn wir zum Schlusse die Gesamtverfassung 
dieses Hauptstammes der Gazellehalbinsel beurteilen, 
so herrschen wohl unter den Leuten vielerlei Krank- 
heiten in großer Verbreitung, und der Zustand ihrer 
Volksgesundheit ist alles andere als untadelig, aber 
weder Zeichen der Degeneration noch der In- 
zucht noch Anhaltspunkte für einen allgemeinen 
Bevölkerungsrückgang sind bei diesem Stamm 
vorhanden. Es ist im Gegenteil bestimmt anzu- 
nehmen, daß eine erneute Volkszählung eine, neicht un- 
erhebliche Zunahme ergeben wird. Das eispiel der 
Kanaken zeigt, die Berührung mit enropäischer 
Kultur nicht an sich schon zum Niedergang eines 
primitiven Volkes zu führen braucht, wenn sie nur, 
wie es hier bewußt von der Verwaltung geschehen ist, 
in nicht überstürzter, schonender Weise vermittelt wird. 
Trotzdem edarf auch dieser Stamm erhöhten hygienischen 
weiter 
  
Schutzes und ärztlicher Fürsorge, die imstande sein 
wird, durch Bekämpfung der Krankheiten vor allem 
des Nachwuchses die Volksvermehrung noch weit 
günstiger zu gestalten als jetzt. 
2. Die Sulkas. Die bis zum Warangoiflusse 
reichende, den südöstlichen llferstrich der Gazelle- 
halbinsel einnehmende Sulkaniederlassung ist eine seit 
14 Jahren bestehende Neusiedelung. Der Hauptstamm 
hat seinen Sitz etwa 120 km südwärts, wurde dort 
aber von den Gakhais so hart bedrängt, daß die Re- 
gierung für sie das jetzt von ihnen bewohnte Land 
anwies. Reichlich 1100 Leute sind daraufhin von ihren 
alten Wohnsitzen nach den neuen abgewandert. Wir 
haben vom Orte Mope aus, wo eine Missionsstation 
errichtet ist, ihr Gebiet in Angriff genommen. Anfang 
Dezember 1913 hatte Dr. Kersten-Rabaul auf die 
Meldung gehäufter Todesfälle unter diesen Sulkas 
gine, mehrtägige Dienstreise dorthin unternommen und 
d die Bitte, neben den speziellen Nachforschungen 
nach den Gründen dieser erhöhten Mortalität auch 
andere uns interessierende Fragen zu berücksichtigen, 
erfüllt“), so daß wir auf seinen Vorarbeiten fußen 
bzw. sie weiterführen konnten. Von der katholischen 
Mission wurde uns vielfache Unterstützung zuteil:; auch 
die Aufzeichnungen der letzten 5 Jahre über die Be- 
völkerungsbewegung wurden uns bereitwilligst zur 
Verfügung gestellt. Sie seien an die Spitze unserer 
Betrachtungen gestellt. 
1. Vom 1. Juli 1909 bis 30. Juni 1910 starben 
von 1164 Sulkas 18 Erwachsene, 6 Kinder; Geburten- 
zahlen noch nicht vergeichnet. 
Vom 1. Juli 1910 bis 30. Juni 1911 starben 
von 2000 Snites 46 Erwachsene, 23 Kinder bei 
30 Geburten. 
3. Vom 1. Juli 1911 bis 30. Juni 1912 starben 
von 1058 Sulkas 31 Erwachsene, 26 Kinder bei 
57 Geb urten. 
Vom 1. Juli 1912 bis 30. Juni 1913 starben 
von # Sullas 66 Erwachsene und 24 Kinder bei 
29 Gebur 
5. *n3 1. Juli 1913 bis 1. Februar 1914 starben 
48 Männer und 16 Kinder bei 24 Geburten. 
Unter den Geborenen sowohl wie Gestorbenen 
sind die gemeldeten Totgeburten (bzw. Abtreibungen) 
mitgezählt. Diese Angaben würden, auf sich gestellt, 
besagen, daß innerhalb der letzten vier Jahre eine 
ganz enorme Steigerung der Tädesfälle bei bedenk- 
lichem Tiefstand der Geburten stattgefunden hat; wir 
hätten es also mit einem im Niedergange befindlichen 
Stamme zu tun. In Wirklichkeit gewinnt aber das 
hanze Bild ein anderes Aussehen, wenn wir ein Mo- 
ment berücksichtigen, das wir bei den Kanaken ganz 
vernachlässigen konnten, während es hier im Vorder- 
grunde steht, das sind die Ab= und Zuwanderungen 
des Volkes. Es ist bei Betrachtung vorstehender 
Zahlen sofort auffällig, daß die Abnahme der Leute 
von einem Jahr zum andern größer ist als die 
Jahl der Sterbefälle, einmal aber auch (1911/12) 
ringer. Wie ist diese Differenz zu erklären? Anßer 
horch Sierblichtelt ist auf doppeltem Wege ein Teil 
der Bevölkerung abgeflossen. Erstens durch die Ar- 
beiteranwerbung für auswärtige Pflanzungen, die 
zeitweise gesperrt, seit Oktober 1913 unter Verbot der 
Frauenanwerbung wieder freigegeben ist. Die zweite 
Herabminderung der Volkszahl ist bedingt durch eine 
in den letzten Jahren vor sich gegangene Rückwande- 
rung von ungefähr 150 Leuten nach dem Platze 
5, Vermutlich wird der betreffende Bericht im 
Amtsblatt des Schutzgebietes erscheinen.
	        
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