Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXV. Jahrgang, 1914. (25)

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Liter atur-Bericht. 
Kolonialrechtliche Abhundlungen. Herausgegeben 
von Dr. Hubert Nacndrup, außerordentlichem Pro- 
lee 5 5or an der Westfülischen Wilhelms-Universitüt 
in Münster. 
Heft 4. Die Farbigenrechtspflege in den 
deutschen Schutzgebieten. Von Dr. Heinrich 
ick. 
Heft 5. Bundesrat und Reichstag bei der 
Kolonialgesetzgebung. Von Dr. Georg Lüttich. 
Münster (Westfalen) 1914. Verlag der Univeritäts- 
Buchhandlung Franz Coppenrath. Preis je 3 4. 
Die Farbigen-(Eingeborenen-) Rechtspflege in den 
deutschen Schutzgebicten schöpft hauptsüchlich aus 
drei Qucllen: aus den alten Stammcsrechten, aus dem 
Weißenrecht, dem für die Eingeborenenverhiltnisse 
assende Rechtsgrundsütze entlchnt werden, und aus 
her Gesctagchung. Die Stammcsrechte aufzuzeichnen 
hat man begonnen, aber noch nicht zum Abschlut 
gebracht. Die Frage, welche Normen des Weißen- 
rechts sich zur analogen Anwendung auf die Rechts- 
verhültnisse der Farbigen cignen, hat unseres Wissens 
isher noch keinen Bearbeiter gefunden. Dankens- 
werterweisc hat Dr. Heinrich Wick in dem vierten 
Heft der = Koloninlrechtlichen Abhandlungen- die um- 
gestaltenden deutschen Einwirkungen auf die Farbigen- 
rechtspflege, dic insbesondere auf der koloninlen Gesctz- 
gebung beruhen, zusammenfassend dargestellt. 
In der Einleitung wird kurz der Begriff der 
Farbigen erlüntert, wobci allerlings — abgeschen von 
den Bastards von Rehoboth in Südwestafrika — der 
Mischlinge im allgemeinen nicht gellacht wird. Da- 
ach werden in je einem Abschnitt das Privatrecht, 
Strafrecht und ProzeBrecht, wie es sich durch die 
Gesctagebung gcstaltet hat. dargestellt. Das Privnt- 
recht umfalzt das Personenrecht, Vermögensrecht, 
(Forderungs- und Sachenrecht), Familicnrecht und 
Erbrecht. Das Strafrecht wird unter dem Gesichts- 
punkt der Strafen und strafbaren Handlungen be- 
trachtet. Das Prozeßrecht 2zerfüllt naturgemüäß in 
Sirilproze- und StrafprozeBrecht. Der Abriß gibt 
ein unschauliches Bild von dem gegenwäürtigen Stande 
der Farbigenrechtspflege. Er wird allen, dic auf diesem 
(lebiet zu urbeiten haben, willkommen und von 
Jutzen sein. 
Das kürzlich erschienene fünfte Heft der 
„Kolonialrechtflichen Abhandlungen= — Verfasser Dr. 
Georg Lüttich — ist der Prage gevidmet, ob die 
Bestimmungen der Reichsverfassung über die Reichs- 
gesctzgebung auch in den deutschen Schutzgebieten 
gelten, oder, um den Gegenstand der Untesuchung 
mit den Worten des Verfassers zu bezeichnen: »ob 
und in welchem Umfange Bestimmungen der Reichs- 
verfassung für die Abgrenzung der Gesctzgebungs- 
rechte des Kaisers und des Bundesrats und Reichstags 
herungezogen werden dürfens. In dem ersten Ab- 
schnitt erörtert der Verfasser die Rechtsnatur der 
deutschen Kolonien, um festzustellen, ob Kolonien 
und Bundesgebiet zwei getrennice Rechtsgebicte bilden. 
  
Der zweite Abschnitt behandelt den Kern der Auf- 
gabe: „Die Organisation der Staatsgewalt im Reiche 
und in den Kolonien.= Hier wird zunächst unter- 
sucht, wer Inhaber und wer Trüger der Staatsgewalt. 
im Reiche und der Schutzgewalt in den Kolonien ist. 
Dann werden dic Rechte des Knisers und der Reichs- 
gesctzgebung bestimmt und schließlich beider Rechte 
gegencinander abgegrenzt. Dies geschicht unter der 
Frage, ob ein Reichsgesctz bestchende Kaiserliche 
Verordnungen und ob eine Kaiserliche Verordnung 
bestchende Reichsgesetze abündern oder aufheben kann. 
Wie schon aus der Fragestellung hervorgeht, spricht, 
sich Lüttich für die Geltung verfassungsrechtlicher 
Bestimmungen über die Reichsgesctzgebung in den 
Kolonien aus. Bekanntlich gehört diese Materie zu 
den umstrittensten Gebieten des Kolonialrechts, u nd 
es haben sich noch keineswegs die widerstreitenden. 
Meinungen geklürt. Deshalb ist cs stets zu begrüßen, 
wenn die Frage im Brennpunkt des wissenschaftlichen 
Interesses bleibt. Der Verfasser hat sich seiner Auf- 
gabe mit Geschick und eindringendem Fleiß erledigt. 
Seine Ausführungen sind anregend und belebrend. 
Nur in zwei Punkten regt sich ein Widerspruch. Es 
ist nicht zu billigen. Schrittsteller dunach zu unter- 
scheiden. ob sie mit dem Kolonialamt in Fühlung 
stechen oder nicht (S. 31). Dies wirft immer einen 
Schatten auf die Unabhängigkeit einzelner Schrift- 
steller in der Bildung und Vertretung ihrer Meinungen. 
Unbegreiflicherweise wird, wie aus der Anmerkung 35 
geschlossen werden mutz, Laband zu denjienigen ge- 
zühlt, die mit dem Reichs-Kolonialuamt in Fühlung 
stchen- Ferner kuann die Kritik (S. 32), daß der 
Satz: die Reichsverfassung zwar nicht in, wohl aber 
für die Kolonien, ein leeres Wortspicl sei, uls berech- 
tigt nicht anerkunnt werden. ie in dem voran- 
stehenden Absatz der Abhandlung richtig zitiert. wird, 
bildet der kritische Satz den Abschlutß einer lüngeren 
Begründung und will duher nicht für sich allein, 
sondern nur im Zusammenhang mit dicser Begründung 
betrachtet werden. Darin kommt folgender Gelanke 
zum Ausdruck: Souverüin der Schutzgebiete ist das 
Deutsche Rcich, d. h. eine stantsrechtliche Person 
(juristische Person des öffentlichen Rechts). Eince 
Person, sei es natürliche oder fingierte, kann einen 
Willen nur gemäüß den sie beherrschenden Gesetzen 
fassen und ünBern, die natürliche Person also gemü 
ihrer Verstandes- und Charakteranlage, die fingicerte 
Person gemäß ihrer Verfassung. Auch uls Souverün 
der Schutzgebicte ist daher das Deutsche Reich in 
seinen Willensünßerungen un die Bestimmungen der 
Reichsverfassung gebunden; denn anders kann sich 
das Reich nicht äufern. Die den Souvcrün be- 
herrschenden Gesctze (des Charnkters oder der Ver- 
fassung) gelten nicht in dem seiner Gewalt unter- 
worlenen Gebicte, haben aber gleichwohl Geltung für 
das Gebict; denn nur derjenige Wille des Souvcrüns 
besteht für das Land, der der Verfassung des Souve- 
rüns cntsprechend zustande gekommen und erklürt ist. 
Das sind nimmermehr bleere Worte Struachler.
	        
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