Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXV. Jahrgang, 1914. (25)

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klimmen der Felsmassen waren wir bald ge- 
zwungen, auf allen Vieren mit abgelegten Schuhen 
vorwärts zu klettern, doch auch damit mußten 
wir bald einhalten, da von oben herab in immer 
größerer Eile Felsblöcke gewälzt wurden, die auf 
anderes Gestein auffallend zersplitterten und uns 
arg zurichteten. Nur während der Pausen, in 
denen die Leute oben neue Blöcke heranwälzten, 
konnten wir vorwärts, bis wir an einem gedeckten 
Felsspalt Unterschlupf suchen mußten, auf dessen 
deckender Platte die Felsblöcke zerschellten. Unser 
ganzes Unternehmen schien zunichte zu werden, 
da die Zeit des Zusammentreffens mit den anderen 
Abteilungen gekommen war. Sergeant Schröder 
benutzte in der richtigen Erkenntnis unserer 
schwierigen Lage eine kleine Pause unserer Gegner, 
kroch ungedeckt etwa 120 m aufwärts dem Gegner 
in die Flanke, während Dutzende von Pfeilen um 
ihn her einschlugen und schoß zwei Mann nieder, 
worauf von oben eine Stockung im Felsblock- 
werfen eintrat. Von der anderen Seite führte 
ich schnell die Soldaten zur Höhe. Wir kamen 
im selben Moment wie Abteilung zwei, ungefähr 
fünf Minuten später traf die dritte Abteilung ein. 
Der Weg der Flucht unseres Gegners ließ sich 
bis zu einer riesigen Felsplatte beobachten; wir 
konnten diesem Weg jedoch erst folgen, nachdem 
wir Wildnetze aneinandergebunden hatten und 
an denen abwärts geklettert waren. Während 
des Abwärtskletterns, das nur Mann hinter Mann 
vor sich gehen konnte, ließ ich, um den Gegner 
zu täuschen, ein langsames Gewehrfeuer unter- 
halten, wodurch wir, ohne erneut angegriffen zu 
werden, den Eingang zu einer Höhle fanden. 
Der Abteilung Schröder und Abteilung 2 
war es vorher gelungen, drei Männer, sechs 
Weiber und vier Kinder zu fangen. Vor der 
Höhle verhandelte ich erneut etwa eine halbe 
Stunde um llbergabe; alle Verhandlungen wurden 
abgelehnt. Ein Versuch, in die Höhle einzu- 
dringen, mußte aus Schonung meiner Leute sofort 
aufgegeben werden. Da nochmalige Verhand- 
lungen ebenso zwecklos waren, beschloß ich, die 
Höhle von oben her auszuräuchern, nachdem ich 
am Eingang einen starken Posten zurückgelassen 
hatte. Schon nach einer halben Stunde erhielt 
ich die Meldung, daß etwa 100 m unterhalb drei 
Männer entwichen wären (wie sich später heraus- 
stellte, war an dieser Stelle ein anderer Ausgang 
der Höhle) und von hinten herankommend einen 
Soldaten verletzt hätten. Zwei Männer von 
diesen wurden festgenommen, einer fiel. Auch 
diesen Ausgang ließ ich besetzen. Beim Absuchen 
von 88 Hütten, teilweise nur mit Gras bedeckte 
Felsspalten, wurden in einem Beutel in der 
Häuptlingshütte 520 Franken gefunden, außerdem 
eine Menge noch an Knochen hängendes, ge- 
  
trocknetes Menschenfleisch neben Teilen von der 
Kleidung der Ermordeten. Eine kleine Trommel 
war mit Menschenhaut, der Farbe nach vermut- 
lich von dem ermordeten Tripolitaner, überzogen. 
Da mir das Gelände für ein Verweilen meiner 
Soldaten nach Sonnenuntergang zu gefährlich er- 
schien, zog ich alle Abteilungen zurück ins Lager. 
Am andern Morgen besetzten wir die jetzt unver- 
teidigte Höhle und machten vier Männer, zwölf 
Weiber, vier Kinder zu Gefangenen. 
Auf dem Weitermarsche wurden wir erneut 
an derselben Stelle, wo die Reste des Kampfes 
mit den Wanderhändlern noch zu sehen waren, 
von 80 bis 100 Männern mit Speerwürfen, 
Pfeilschüssen und auch Felsstücken angegriffen. 
Dabei verlor die Karawane zwei Träger, die 
durch Felsblöcke erschlagen wurden. Durch Stein- 
splitter gab es auch hier viele Leichtverletzte. 
Eine halbe Stunde vom Pende entfernt (10 Mi- 
nuten vom letzten Überfallsort) fand ich die Reste 
der Skelette der ermordeten Händler. Alle zeigten 
schwerste Verstümmelungen mit Wurfmessern, ganze 
Teile, namentlich Arme und Beine fehlten. Ranb- 
tierspuren waren nirgends vorhanden, auch lagen 
alle zusammengehörigen Skelettstücke noch bei- 
einander. 
Am selben Tage, 25. März, zog ich noch drei 
Stunden pendeabwärts, um am Wasser zu lagern. 
In zweitägigem, anstrengendem Marsche durch 
unbewohnten Busch erreichte ich am 27. März, 
4½ Uhr nachmittags, Beguratsche. Die Busch- 
strecke vom Verlassen des Gebirges bis Bemassar 
(eine Stunde von Beguratsche) weist mindestens 
15 alte Dörfer auf, deren letzte schätzungsweise 
vor zwei Jahren verlassen wurden. Wie mir 
die Inhaber der französischen Viehfirma in Gambo 
selbst erzählten, gingen sie von Gili bis Begu- 
ratsche stets nur mit schußfertigem Gewehr. Es 
ist mir nicht zweifelhaft, daß alle die Eimvohner 
der öden Orte vielleicht 2 bis 3 Stunden seitlich 
der Straße sich niedergelassen haben und daß es 
gelingen wird, sie wieder an die Straße heran- 
zuziehen. Am 26. traf bei mir in Beguratsche 
auch die nach dem Süden geschickte Patrouille 
wieder ein. Nachdem ich bei Gili den Pende 
überschritten hatte, marschierte ich durch eine aus- 
gezeichnet bevölkerte Gegend bis an den Logone, 
den ich bei Bemira-Dogore erreichte. 
Auf dem Wege zum Logone hatte die Kolonne 
bei Bekube am 30., Dokage-Bebeikantschi am 
31. März, Benassi-Niaku am 2., Songo am 
3. April teilweise heftigste Angriffe bei Tag und 
Nacht zu bestehen. In Dokage, nich! weit von 
dem Orte, wo mit größter Wahrscheinlichkeit 
Soldaten der Grenzexpedition 1912/13 ermordet 
wurden, wurden wir von wohl 300, in Benassi- 
Niaku von reichlich 250 Männern angegriffen.
	        
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