Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVIII. Jahrgang, 1917. (28)

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um den Eisenbahnzug. Die Engländer erklommen 
zuerst fluchtartig den jenseitigen Hang des Hohl- 
weges. Bald folgten auch die Senegalesen, mit 
denen es jenseits des Einschnitts nochmals zum 
Handgemenge kam. Dem außerordentlich scharfen 
Zupacken und Draufgehen der altgedienten Sol- 
daten der Kompagnie v. Parpart und der Lome- 
Soldaten des Zuges Mengel hielt die Senegalesen- 
Kompagnie nicht stand; auch sie ging fluchtartig 
zurück. Der Gegner machte erst in seiner Anfangs- 
stellung am Buschrand wieder Front und feuerte. 
Zur Ausnutzung dieses Erfolges und um der 
Stellung im Rücken und in der linken Flanke 
endgültig Luft zu schaffen, wurde das Maschinen- 
gewehr Gardain jenseits der Eisenbahn nordöstlich 
des Dorfes in Stellung gebracht. Diesem völlig 
flankierenden Feuer, das sehr wirkungsvoll war, 
hielt der Gegner nicht stand. Er flüchtete. Viele 
Leute warfen die Gewehre sort. Nach späterer 
Aussage des englischen Kapitäns Redfurn ist die 
hier auf dem äußersten englisch-französischen Flügel 
befindliche Senegalesen-Kompagnie fast völlig auf- 
gerieben worden. 
Während dieser Unternehmung hatte sich der 
Druck gegen den rechten Flügel der Kompagnie 
v. Raven sehr stark bemerkbar gemacht. Ebenso 
hatte sich der Zug Kloppenburg in Front, linker 
Flanke und Rücken zu verteidigen gehabt und 
war seiner Vernichtung lediglich durch die Ruhe 
und Umsicht seines Führers entgangen, der durch 
Unteroffizier Bolney aufs beste unterstützt worden 
war. 
Es war 3 Uhr nachmittags geworden, als das 
Maschinengewehr Brauer vom rechten Flügel der 
Kompagnie v. Raven wieder in seiner ersten 
Stellung in der Front gegen die feindliche Ar- 
tillerie jenseits der Chra zwischen Weg und Eisen- 
bahn eingesetzt werden mußte. Dem sicheren 
Feuer des Sergeanten Brauer gelang es, das 
Geschütz östlich des Weges zum Schweigen zu 
bringen. Bald darauf verstummte auch das noch 
weiter östlich stehende Geschütz. Nach Meldung 
des Beobachters waren die Bedienungsmann- 
schaften der Geschütze teils gefallen, teils entlaufen. 
Vom Eisenbahndamm aus eröffnete nochmals ein 
Geschütz sein Feuer, wurde aber nach kurzer Zeit 
in dem Kreuzfeuer der Maschinengewehre Brauer 
und Gramatte erledigt. 
Gegen 5 Uhr nachmittags ließ das heflige 
Schützenfeuer des Feindes etwas nach, blieb aber 
in der Front noch lebhaft. 
Kurz vor Einbruch der Dunkelheit ließen Be- 
wegungen beim Gegner auf einen Sturmangriff 
für die Dunkelheit schließen; das veranlaßte bei 
den Verteidigern Vorbereitungen zum Gegenstoß. 
Tatsächlich setzte auch kurz nach Einbruch der 
Dunkelheit das feindliche Feuer auf der ganzen 
  
Front plötzlich mit voller Heftigkeit ein. Da die 
Verteidiger keine Patronen mehr hatten, konnte 
es nur mit den Maschinengewehren erwidert 
werden. Nicht lange daranf schwieg das feind- 
liche Feuer, flackerte aber an einzelnen Stellen aber- 
mals auf, bis es gegen 10 Uhr abends erlosch. 
Während der Dämmerung hatten sich feindliche 
Abteilungen auf etwa 2000 m östlich des linken 
Flügels des Zuges Kloppenburg in Vorwärts- 
bewegung gezeigt, anscheinend um dort einen 
Weg zu bahnen. Die Absicht des Feindes war 
offenbar, die Verteidiger in der Front zu binden 
und unter Umgehung der linken Flanke die Eisen- 
bahnlinie zu gewinnen und auf Kamina abzu- 
marschieren. Seine Stärke von etwa 3500 Mann 
mit vier Maschinengewehren und einer Batterie 
ermöglichte die Ausführung dieser Absicht. Daher 
mußte sich Hauptmann Maus, trotzdem der weit 
überlegene Gegner zum zweiten Male abgeschlagen 
war, angesichts seiner geringen Kräfte und seines 
Munitionsmangels entschließen, hinter den Amn 
zurückzugehen. Am 24. August zog sich seine Ab- 
teilung auf Befehl des Kommandeurs nach Kamina 
zurück. 
Eigene Verluste bei Chra waren: gefallen 
Unteroffizier Klempp, vermißt Reservist Berke, 
verwundet Kompagnieführer v. Raven. Außer- 
dem verloren wir etwa 45 farbige Unteroffiziere 
und Soldaten, davon tot aufgesunden 11 Mann, 
schwer verwundet in ärztlicher Behandlung 
10 Mann. Die Verluste beim Gegner waren 
nicht festzustellen. Aber nach Angabe des eng- 
lischen Kapitäns Redfurn waren 3 französische 
und 2 englische Offiziere tot, 6 Offiziere schwer 
verwundet, im ganzen 26 Europäer und 300 bis 
400 farbige Soldaten tot.“ 
Obwohl unter den 499 eingeborenen Soldaten 
etwa 200 nicht fertig ausgebildete Leute (Grenz-= 
wächter, Polizisten und frisch angenommene Re- 
kruten) waren und dadurch die Widerstandskraft 
der Verteidiger bei Chra erheblich beeinträchtigt 
war, war es ihnen doch durch Tapferkeit und 
Umsicht gelungen, den an Zahl und Bewaffnung 
weit überlegenen Gegner auf seinem Vormarsch, 
soweit es in ihren Kräften stand, aufzuhalten. 
Neben dem kurzen Waffengang bei Agbeluwoe, 
bei dem der kühne Hauptmann Pfähler den Hel- 
dentod fand, zeigte das heiße Gefecht bei Chra, 
mit welchem Heldenmut auch die kleine Schar 
der Verteidiger Togos den Kampf mit dem 
überlegenen Gegner in Afrika ehrenvoll bestand. 
Die Kolonialdentschen aus Kamerun und Togo, 
die seit Oktober 1914 in Dahomey gefangen ge- 
halten wurden, sind Mitte 1915 nach Nordafrika 
und, soweit es ihr Gesundheitszustand nach fran- 
zösischer Auffassung erheischte, nach Frankreich ver-
	        
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