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um den Eisenbahnzug. Die Engländer erklommen
zuerst fluchtartig den jenseitigen Hang des Hohl-
weges. Bald folgten auch die Senegalesen, mit
denen es jenseits des Einschnitts nochmals zum
Handgemenge kam. Dem außerordentlich scharfen
Zupacken und Draufgehen der altgedienten Sol-
daten der Kompagnie v. Parpart und der Lome-
Soldaten des Zuges Mengel hielt die Senegalesen-
Kompagnie nicht stand; auch sie ging fluchtartig
zurück. Der Gegner machte erst in seiner Anfangs-
stellung am Buschrand wieder Front und feuerte.
Zur Ausnutzung dieses Erfolges und um der
Stellung im Rücken und in der linken Flanke
endgültig Luft zu schaffen, wurde das Maschinen-
gewehr Gardain jenseits der Eisenbahn nordöstlich
des Dorfes in Stellung gebracht. Diesem völlig
flankierenden Feuer, das sehr wirkungsvoll war,
hielt der Gegner nicht stand. Er flüchtete. Viele
Leute warfen die Gewehre sort. Nach späterer
Aussage des englischen Kapitäns Redfurn ist die
hier auf dem äußersten englisch-französischen Flügel
befindliche Senegalesen-Kompagnie fast völlig auf-
gerieben worden.
Während dieser Unternehmung hatte sich der
Druck gegen den rechten Flügel der Kompagnie
v. Raven sehr stark bemerkbar gemacht. Ebenso
hatte sich der Zug Kloppenburg in Front, linker
Flanke und Rücken zu verteidigen gehabt und
war seiner Vernichtung lediglich durch die Ruhe
und Umsicht seines Führers entgangen, der durch
Unteroffizier Bolney aufs beste unterstützt worden
war.
Es war 3 Uhr nachmittags geworden, als das
Maschinengewehr Brauer vom rechten Flügel der
Kompagnie v. Raven wieder in seiner ersten
Stellung in der Front gegen die feindliche Ar-
tillerie jenseits der Chra zwischen Weg und Eisen-
bahn eingesetzt werden mußte. Dem sicheren
Feuer des Sergeanten Brauer gelang es, das
Geschütz östlich des Weges zum Schweigen zu
bringen. Bald darauf verstummte auch das noch
weiter östlich stehende Geschütz. Nach Meldung
des Beobachters waren die Bedienungsmann-
schaften der Geschütze teils gefallen, teils entlaufen.
Vom Eisenbahndamm aus eröffnete nochmals ein
Geschütz sein Feuer, wurde aber nach kurzer Zeit
in dem Kreuzfeuer der Maschinengewehre Brauer
und Gramatte erledigt.
Gegen 5 Uhr nachmittags ließ das heflige
Schützenfeuer des Feindes etwas nach, blieb aber
in der Front noch lebhaft.
Kurz vor Einbruch der Dunkelheit ließen Be-
wegungen beim Gegner auf einen Sturmangriff
für die Dunkelheit schließen; das veranlaßte bei
den Verteidigern Vorbereitungen zum Gegenstoß.
Tatsächlich setzte auch kurz nach Einbruch der
Dunkelheit das feindliche Feuer auf der ganzen
Front plötzlich mit voller Heftigkeit ein. Da die
Verteidiger keine Patronen mehr hatten, konnte
es nur mit den Maschinengewehren erwidert
werden. Nicht lange daranf schwieg das feind-
liche Feuer, flackerte aber an einzelnen Stellen aber-
mals auf, bis es gegen 10 Uhr abends erlosch.
Während der Dämmerung hatten sich feindliche
Abteilungen auf etwa 2000 m östlich des linken
Flügels des Zuges Kloppenburg in Vorwärts-
bewegung gezeigt, anscheinend um dort einen
Weg zu bahnen. Die Absicht des Feindes war
offenbar, die Verteidiger in der Front zu binden
und unter Umgehung der linken Flanke die Eisen-
bahnlinie zu gewinnen und auf Kamina abzu-
marschieren. Seine Stärke von etwa 3500 Mann
mit vier Maschinengewehren und einer Batterie
ermöglichte die Ausführung dieser Absicht. Daher
mußte sich Hauptmann Maus, trotzdem der weit
überlegene Gegner zum zweiten Male abgeschlagen
war, angesichts seiner geringen Kräfte und seines
Munitionsmangels entschließen, hinter den Amn
zurückzugehen. Am 24. August zog sich seine Ab-
teilung auf Befehl des Kommandeurs nach Kamina
zurück.
Eigene Verluste bei Chra waren: gefallen
Unteroffizier Klempp, vermißt Reservist Berke,
verwundet Kompagnieführer v. Raven. Außer-
dem verloren wir etwa 45 farbige Unteroffiziere
und Soldaten, davon tot aufgesunden 11 Mann,
schwer verwundet in ärztlicher Behandlung
10 Mann. Die Verluste beim Gegner waren
nicht festzustellen. Aber nach Angabe des eng-
lischen Kapitäns Redfurn waren 3 französische
und 2 englische Offiziere tot, 6 Offiziere schwer
verwundet, im ganzen 26 Europäer und 300 bis
400 farbige Soldaten tot.“
Obwohl unter den 499 eingeborenen Soldaten
etwa 200 nicht fertig ausgebildete Leute (Grenz-=
wächter, Polizisten und frisch angenommene Re-
kruten) waren und dadurch die Widerstandskraft
der Verteidiger bei Chra erheblich beeinträchtigt
war, war es ihnen doch durch Tapferkeit und
Umsicht gelungen, den an Zahl und Bewaffnung
weit überlegenen Gegner auf seinem Vormarsch,
soweit es in ihren Kräften stand, aufzuhalten.
Neben dem kurzen Waffengang bei Agbeluwoe,
bei dem der kühne Hauptmann Pfähler den Hel-
dentod fand, zeigte das heiße Gefecht bei Chra,
mit welchem Heldenmut auch die kleine Schar
der Verteidiger Togos den Kampf mit dem
überlegenen Gegner in Afrika ehrenvoll bestand.
Die Kolonialdentschen aus Kamerun und Togo,
die seit Oktober 1914 in Dahomey gefangen ge-
halten wurden, sind Mitte 1915 nach Nordafrika
und, soweit es ihr Gesundheitszustand nach fran-
zösischer Auffassung erheischte, nach Frankreich ver-