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der Swakoplinie bis zur Bahn Karibib—Windhnk
durchznstoßen. In der Tat wurde schon am 4. Mai
morgens ein letzter Lisenbahnng abgesangen und
mittags Karibib besetzt. Da am 3. Mai nun der
Bau, soweit die Staatsbahnstrecke Karibib-—Windhnk
in Frage kam, so gut wie vollendet war, konnten
rechtzeitig in der Nacht vom 3. zum 4. Mai die
beiden Abteilungen Ritter und Bauszus staffelförmig
an der Otavibahn bis Omarurn zurückgenommen
werden. Die Absicht des Gegners, die Truppe durch
eine Uberflügelung von Süden und Norden her von
der Otavibahn abzuschneiden, war vereitelt. Der
Feind konnte jetzt wohl dic aufgegebene Strecke und
später auch Windhuk selbst besetzen, fand aber weder
die Truppe selbst noch deren Kriegsmaterial vor.
Die Gefahr einer Umgehung war es jetzt jedes-
mal, die ein weiteres Zurückgehen unserer Forma-
tionen verlangte. Zwar sammelte Botha bei Wilhelms-
feste Massen, offeubar in der Absicht, von dort nach
dem Omatako und weiter, etwa über Otjihaenama-
parero, die Otavibahn mit einer Truppe zu nehmen.
Die Abteilung Ritter mußte daraufhin bis Kalkield
an der Otavibahn und die des Majors Bauszus bis
Otjihaenamaparero-Okosondje zurückgehen. Die Vor-
postenstellungen blieben jedoch bei Omarurn, d. h.
nahe dem Feinde.
Zu dieser Zeit fond an der Giftkuppe zwischen
Omaruru und Karibib eine Unterredung zwischen
dem Gouverneur Seitz und Oberstleutnant Franke
einerseits und General Botha anderseits statt. Die
Anregung dazu ging, soweit wie bekannt, von unserm
Gouverneur aus, der wohl den Zeitpunkt für ge-
kommen hielt, für das Schutzgebiet einen Waffen-
stillstand unter Bedingungen zu vereinbaren, die so-
wohl der damaligen militärischen Lage entsprochen,
als den politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen
der südafrikanischen Union und des Schutzgebietes
Rechnung getragen haben würden. Ein anderer
Hauptgrund für die Besprechung lag für unsern
Gonverneur in der Tatsache, daß die Eingeborenen
sich zu dieser Zeit sehr unruhig und unbotmäßig
zeigten. Es liefen Beschwerden über Beschwerden,
Alarmberichte über Alarmberichte ein, so daß mit
einem Eingeborenenausstand gerechnet werden mupßte.
Exzellenz Seitz wird dabei die Auffassung vertreten
haben: Nachdem das bisherige Ergebnis des Krieges
in Europa einen unserer Gegner nicht mehr hoffen
lassen könne, die Zentralmächte niederzuringen, des-
halb, und weil das Schicksal der Kolonie doch in
Europa entschieden werde, habe es für die Union
keinen Sinn, weiterhin Geld und Blut für einen
Krieg zu vergeuden, auf dessen Ausgang der Kampf
hier in keiner Weise entscheidend wirken könne. Nach
seiner persönlichen Ansicht sei es überhaupt ein Ver-
brechen an der weißen Rasse, den Krieg auf Gebiete
zu übertragen, wo Weiße und Schwarze unter-
einander wohnen. Er habe deshalb auch bei Beginn
des Krieges versucht, einen Kampf mit der Union
zu vermeiden, und die Schutztruppe habe auf seine
Anordnung die Grenze so lange nicht überschritten
und so lange nicht auf die Streitkräfte der Union
geschossen, bis durch den Uberfall der Station Ra-
mansdrift durch die Unionstruppen der Krieg tat-
sächlich begonnen worden sei. Botha erklärte, er
sympathisiere mit dem Gouverneur in dem Bestreben,
dem Blutvergießen ein Ende zu machen, und bitie,
einen Vorschlag zu machen. Der Vorschlag von Ex-
zellenz Seitz ging dahin: Waffenstillstand bis zum
Kriegsende unter der Bedingung, daß die beider-
seitigen Truppen in den von ihnen jetzt besetzten Ge-
bieten stehen bleiben und zwischen ihnen eine neutrale
Zone geschaffen werde. Botha war damit nicht ein-
verstanden und fragte zurück, ob Gouverneur Seiß
die Zusage erteilen könne, daß, falls jetzt ein Waffen-
stillttand geschlossen werde, das Schutzgebiet theo-
retisch als von den Unionstruppen besetzt bei den
Friedensverhandlungen gelten solle. Demgegenüber
mußte Exgellenz Seitz natürlich erklären, daß die An-
nahme den tatsächlichen Verhältnissen nicht entspreche.
daß er auch rechtlich nicht besugt sei, eine solche, den
künftigen Friedensverhandlungen vorgreifende Er-
klärung ohne Ermächtihung der Reichsregierung ab-
zugeben. Er sei aber bereit, eine Entscheidung der
Reichsregierung über diese Frage herbeizuführen.
falls Botha ein entsprechendes Telegramm nach Berlin
durchlasse. Botha antwortete nach einer Pause mit
dem Gegenvorschlag. Gouverneur Seit solle ihm sofort
das ganze Land übergeben, womit die Verhandrungen
natürlich erledigt waren.
In der ersten Zeit nach dieser Unterredung schien
der Feind fast umätig. Unsere Patronillen hatten
es besonders schwierig, jetzt aufzuklären und Mel-
dungen zu bringen. Die Eingeborenen in den vom
Feinde besetzten Gebietsreilen waren durch die lockende
Politik Bothas, von der schon eingangs gesprochen
wurde, zu cifrigen Helfereheliern des Gegners ge-
worden. Sie glaubten, goldene Tage seien ange-
brochen und sahen sich schon im Besitz der Hänser,
Farmen und des Viehs der Deutschen. Jede deutsche
Patronille, die auf eine Farm kam, wurde von den
Eingeborenen verraten, und der Farmer hatte die
schlimmsten Repressalien zu erdulden, verlor oft alles
Eigentum, wenn die Eingeborenen, seine eigenen
Leute, meldeten, er habe die Patronille unterstützt,
ja sogar schon, wenn sich nur deutsche Reiter auf der
Farm gezeigt hatten. Dabei konnten unsere Späher
mit ihren vollkommen zusammengebrochenen Reit-
tieren, die seit Monaten unter dem Sattel, aber ohne
Kraftfutter waren, keine großen Strecken bewältigen,
ohne zu rasten. Unsere Leute stießen sehr oft aus
weit überlegene feindliche Abteilungen, da ihre An-
wesenheit dem Feinde durch spionierende Eingeborene
verraten worden war. Für jede Nachricht füllten
Engländer und Buren dem Spion die Hände mit Gold.
Nur ein Beispiel dafür. mit welcher Übermacht
der Feind oft angriff: Oberleutnant v. Hadeln
lag mit etwa 20 Mann beobachtend in Epako, nörd-
lich Omaruru. Das wurde dem Feind verraten, und
nach eigener Auesage setzte dieser in rechter und
linker Flanke, sowie in der Front 1500 Mann gegen
unsere 21 an. Troßdem fand er das Nest schließlich leer.
Im Juni kamen nun aber doch Meldungen
über Meldungen auf allerlei Wegen zum Kommando,
die erkennen lieszen, daß Botha an der ganzen Bahn-
strecke Karibib — Okahandja gewaltige Truppenmassen
konzentrierte. Zu befürchten war besonders, daß der
gegnerische rechte Flügel, durch das Saudfeld vor-
gehend, in den Rücken unserer Stellung kommen
önne. Es war also wieder die ewige Gefahr des
Uberflügeltwerdens, der man mit den vorhandenen
schwachen, auf schlappen Pferden berittenen Truppen
einfach nur durch Zurückgehen begegnen konnte. Das
geschah, und zwar wurde am 21. Juni die gesamte
Truppe bis zur Abzweigung der Bahn nach Groot-
fontein bei Stavi Kurückgenommen, in deren Nähe
unsere Leitung schon vorher eine Stellung ausgesucht
hatte. Es war dies jetzt möglich, weil inzwischen
auch die letzten noch fehlenden Truppenteile, die Ab-
teilungen Graf Saurma und Henusel, sowie die Kamel-
reiterkompagnie sich nach unendlich beschwerlichen
Märschen am Waterberg eingesunden hatten. O
wohl sie auf ihrem Rückzuge aus dem Bastardland.