Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVIII. Jahrgang, 1917. (28)

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der Swakoplinie bis zur Bahn Karibib—Windhnk 
durchznstoßen. In der Tat wurde schon am 4. Mai 
morgens ein letzter Lisenbahnng abgesangen und 
mittags Karibib besetzt. Da am 3. Mai nun der 
Bau, soweit die Staatsbahnstrecke Karibib-—Windhnk 
in Frage kam, so gut wie vollendet war, konnten 
rechtzeitig in der Nacht vom 3. zum 4. Mai die 
beiden Abteilungen Ritter und Bauszus staffelförmig 
an der Otavibahn bis Omarurn zurückgenommen 
werden. Die Absicht des Gegners, die Truppe durch 
eine Uberflügelung von Süden und Norden her von 
der Otavibahn abzuschneiden, war vereitelt. Der 
Feind konnte jetzt wohl dic aufgegebene Strecke und 
später auch Windhuk selbst besetzen, fand aber weder 
die Truppe selbst noch deren Kriegsmaterial vor. 
Die Gefahr einer Umgehung war es jetzt jedes- 
mal, die ein weiteres Zurückgehen unserer Forma- 
tionen verlangte. Zwar sammelte Botha bei Wilhelms- 
feste Massen, offeubar in der Absicht, von dort nach 
dem Omatako und weiter, etwa über Otjihaenama- 
parero, die Otavibahn mit einer Truppe zu nehmen. 
Die Abteilung Ritter mußte daraufhin bis Kalkield 
an der Otavibahn und die des Majors Bauszus bis 
Otjihaenamaparero-Okosondje zurückgehen. Die Vor- 
postenstellungen blieben jedoch bei Omarurn, d. h. 
nahe dem Feinde. 
Zu dieser Zeit fond an der Giftkuppe zwischen 
Omaruru und Karibib eine Unterredung zwischen 
dem Gouverneur Seitz und Oberstleutnant Franke 
einerseits und General Botha anderseits statt. Die 
Anregung dazu ging, soweit wie bekannt, von unserm 
Gouverneur aus, der wohl den Zeitpunkt für ge- 
kommen hielt, für das Schutzgebiet einen Waffen- 
stillstand unter Bedingungen zu vereinbaren, die so- 
wohl der damaligen militärischen Lage entsprochen, 
als den politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen 
der südafrikanischen Union und des Schutzgebietes 
Rechnung getragen haben würden. Ein anderer 
Hauptgrund für die Besprechung lag für unsern 
Gonverneur in der Tatsache, daß die Eingeborenen 
sich zu dieser Zeit sehr unruhig und unbotmäßig 
zeigten. Es liefen Beschwerden über Beschwerden, 
Alarmberichte über Alarmberichte ein, so daß mit 
einem Eingeborenenausstand gerechnet werden mupßte. 
Exzellenz Seitz wird dabei die Auffassung vertreten 
haben: Nachdem das bisherige Ergebnis des Krieges 
in Europa einen unserer Gegner nicht mehr hoffen 
lassen könne, die Zentralmächte niederzuringen, des- 
halb, und weil das Schicksal der Kolonie doch in 
Europa entschieden werde, habe es für die Union 
keinen Sinn, weiterhin Geld und Blut für einen 
Krieg zu vergeuden, auf dessen Ausgang der Kampf 
hier in keiner Weise entscheidend wirken könne. Nach 
seiner persönlichen Ansicht sei es überhaupt ein Ver- 
brechen an der weißen Rasse, den Krieg auf Gebiete 
zu übertragen, wo Weiße und Schwarze unter- 
einander wohnen. Er habe deshalb auch bei Beginn 
des Krieges versucht, einen Kampf mit der Union 
zu vermeiden, und die Schutztruppe habe auf seine 
Anordnung die Grenze so lange nicht überschritten 
und so lange nicht auf die Streitkräfte der Union 
geschossen, bis durch den Uberfall der Station Ra- 
mansdrift durch die Unionstruppen der Krieg tat- 
sächlich begonnen worden sei. Botha erklärte, er 
sympathisiere mit dem Gouverneur in dem Bestreben, 
dem Blutvergießen ein Ende zu machen, und bitie, 
einen Vorschlag zu machen. Der Vorschlag von Ex- 
zellenz Seitz ging dahin: Waffenstillstand bis zum 
Kriegsende unter der Bedingung, daß die beider- 
seitigen Truppen in den von ihnen jetzt besetzten Ge- 
bieten stehen bleiben und zwischen ihnen eine neutrale 
  
Zone geschaffen werde. Botha war damit nicht ein- 
verstanden und fragte zurück, ob Gouverneur Seiß 
die Zusage erteilen könne, daß, falls jetzt ein Waffen- 
stillttand geschlossen werde, das Schutzgebiet theo- 
retisch als von den Unionstruppen besetzt bei den 
Friedensverhandlungen gelten solle. Demgegenüber 
mußte Exgellenz Seitz natürlich erklären, daß die An- 
nahme den tatsächlichen Verhältnissen nicht entspreche. 
daß er auch rechtlich nicht besugt sei, eine solche, den 
künftigen Friedensverhandlungen vorgreifende Er- 
klärung ohne Ermächtihung der Reichsregierung ab- 
zugeben. Er sei aber bereit, eine Entscheidung der 
Reichsregierung über diese Frage herbeizuführen. 
falls Botha ein entsprechendes Telegramm nach Berlin 
durchlasse. Botha antwortete nach einer Pause mit 
dem Gegenvorschlag. Gouverneur Seit solle ihm sofort 
das ganze Land übergeben, womit die Verhandrungen 
natürlich erledigt waren. 
In der ersten Zeit nach dieser Unterredung schien 
der Feind fast umätig. Unsere Patronillen hatten 
es besonders schwierig, jetzt aufzuklären und Mel- 
dungen zu bringen. Die Eingeborenen in den vom 
Feinde besetzten Gebietsreilen waren durch die lockende 
Politik Bothas, von der schon eingangs gesprochen 
wurde, zu cifrigen Helfereheliern des Gegners ge- 
worden. Sie glaubten, goldene Tage seien ange- 
brochen und sahen sich schon im Besitz der Hänser, 
Farmen und des Viehs der Deutschen. Jede deutsche 
Patronille, die auf eine Farm kam, wurde von den 
Eingeborenen verraten, und der Farmer hatte die 
schlimmsten Repressalien zu erdulden, verlor oft alles 
Eigentum, wenn die Eingeborenen, seine eigenen 
Leute, meldeten, er habe die Patronille unterstützt, 
ja sogar schon, wenn sich nur deutsche Reiter auf der 
Farm gezeigt hatten. Dabei konnten unsere Späher 
mit ihren vollkommen zusammengebrochenen Reit- 
tieren, die seit Monaten unter dem Sattel, aber ohne 
Kraftfutter waren, keine großen Strecken bewältigen, 
ohne zu rasten. Unsere Leute stießen sehr oft aus 
weit überlegene feindliche Abteilungen, da ihre An- 
wesenheit dem Feinde durch spionierende Eingeborene 
verraten worden war. Für jede Nachricht füllten 
Engländer und Buren dem Spion die Hände mit Gold. 
Nur ein Beispiel dafür. mit welcher Übermacht 
der Feind oft angriff: Oberleutnant v. Hadeln 
lag mit etwa 20 Mann beobachtend in Epako, nörd- 
lich Omaruru. Das wurde dem Feind verraten, und 
nach eigener Auesage setzte dieser in rechter und 
linker Flanke, sowie in der Front 1500 Mann gegen 
unsere 21 an. Troßdem fand er das Nest schließlich leer. 
Im Juni kamen nun aber doch Meldungen 
über Meldungen auf allerlei Wegen zum Kommando, 
die erkennen lieszen, daß Botha an der ganzen Bahn- 
strecke Karibib — Okahandja gewaltige Truppenmassen 
konzentrierte. Zu befürchten war besonders, daß der 
gegnerische rechte Flügel, durch das Saudfeld vor- 
gehend, in den Rücken unserer Stellung kommen 
önne. Es war also wieder die ewige Gefahr des 
Uberflügeltwerdens, der man mit den vorhandenen 
schwachen, auf schlappen Pferden berittenen Truppen 
einfach nur durch Zurückgehen begegnen konnte. Das 
geschah, und zwar wurde am 21. Juni die gesamte 
Truppe bis zur Abzweigung der Bahn nach Groot- 
fontein bei Stavi Kurückgenommen, in deren Nähe 
unsere Leitung schon vorher eine Stellung ausgesucht 
hatte. Es war dies jetzt möglich, weil inzwischen 
auch die letzten noch fehlenden Truppenteile, die Ab- 
teilungen Graf Saurma und Henusel, sowie die Kamel- 
reiterkompagnie sich nach unendlich beschwerlichen 
Märschen am Waterberg eingesunden hatten. O 
wohl sie auf ihrem Rückzuge aus dem Bastardland. 
 
	        
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