Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVIII. Jahrgang, 1917. (28)

zwungen ist, denn dann würde das englische 
Kriegsamt nicht gezögert haben, laut und 
vernehmlich in die Siegestrompete zu 
stoßen. Eher ist anzunehmen, daß deutscher- 
seits der von der englischen Heeresleitung ge- 
plante und von Smuts bei seinem Eintreffen 
in London seinerzeit so pomphaft verkündete 
Versuch einer Einkreisung, die nach Smuts dem 
deutschen Widerstand ein jähes Ende machen sollte, 
rechtzeitig erkannt und durch die Einnahme der 
neuen Stellung vereitelt worden ist. Trifft das 
zu, so bedeutet das für die Engländer zum min- 
desten einen neuen, recht unangenehmen Verlust 
an Zeit und Kosten in diesem schon so lang- 
wierigen und unverhältnismäßig kostspieligen ost- 
afrikanischen Abenteuer. Die Tatsache, daß der 
englische Heeresbericht zugeben muß, daß die 
deutschen Streitkräfte nicht nur am Matandu- 
slusse, sondern auch gegen die von den Eng- 
ländern besetzten Küstenplätze, wie Lindi und 
S# di (bekannt als Anlaufhafen der „Marie“), 
angriffsweise vorgingen, wobei es anugenscheinlich 
zu größeren Gefechten mindestens unentschiedenen 
Erfolges gekommen ist, beweist jedenfalls, daß die 
deutschen Verteidiger auch nach Aufgabe des Ru- 
sidjiabschnittes in dem Küstengebiet nach wie vor 
auf ihrem Posten sind und ihre Widerstandskraft 
noch ungebrochen ist. Demgegenüber scheinen 
dahingegen Englands Söldner im Süden, die 
Portugiesen, vorläufig gar nicht mehr mitzuzählen, 
sei es nun, daß sie sich von ihren schweren Nieder- 
lagen bei Newala und Nangadi im November 
bis Dezember 1916 noch immer nicht erholt haben, 
oder daß die Verstärkungen, die sie hinausgeschickt 
haben, mehr mit der Niederwerfung eines großen 
Eingeborenenaufstandes im eigenen Lande als 
mit der „Eroberung“ Deutsch-Ostafrikas zu tun 
haben. Gibt doch der englische Bericht offen zu, 
daß die deutschen Schutztruppenabteilungen sich, 
ohne Widerstand zu finden, aus dem fruchtbaren 
vortugiesischen Gebiet bis nahe an die englische 
Ayassagrenze hin verproviantieren können. Auf 
den Vorwurf des angeblichen Sengens und 
Brennens sowie des Terrorisierens der Einge- 
borenen, Dinge, ohne die nun mal ein amtlicher 
englischer Bericht, zumal wenn er für England 
Unersreuliches, d. h. also deutsche Erfolge, wieder- 
zugeben hat, anscheinend nicht auskommen kann, 
braucht man sich nicht weiter einzulassen. Auch 
diesmal trägt die englische Berichterstattung den 
Stempel der Unwahrheit an der Stirn. Schon 
vor dem Kriege waren die Eingeborenen auf dem 
#üdlichen, d. h. portugiesischen Ufer des Rovuma 
enrig bestrebt, gute Fühlung mit der deutschen 
Eeite zu halten. Diese freundliche Stellungnahme 
macht ja auch nur die weiten Fouragierungszüge 
der sicher nicht großen deutschen Schutztruppen- 
  
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abteilungen erklärlich. Würden diese durch ein 
Vorgehen, wie es die Engländer behaupten, die 
ganze Bevölkerung gegen sich aufbringen, so würde 
auch ohne das Eingreifen portugiesischer Truppen 
die guten Verproviantierungsmöglichkei südlich 
des Rovuma bald aufhören. Daran hätten aber 
höchstens die Engländer und Portugiesen ein 
Interesse, niemals aber die Deutschen. Daß zur 
Zeit in Portugiesisch-Ostafrika gesengt und ge- 
brannt wird sowie Eingeborene terrorisiert werden, 
ist trotzdem zu glauben; sprechen doch portugiesische 
Berichte von einer „erfolgreichen“ Niederwerfung 
des gegen die Mißherrschaft in Portugiesisch-Ost- 
afrika ausgebrochenen Aufstandes. 
Wie der englische Bericht über die Lage an 
der ostafrikanischen Südküste, allerdings wohl 
ungewollt, manches zwischen den Zeilen lesen 
läßt, so ergibt sich auch bei aufmerksamem Durch- 
lesen des Berichtes über die Zentralgebiete ein 
anderes Bild, als das englische Kriegsamt sich 
gedacht hat. Zunächst bleiben da allerdings 
einige Unklarheiten bestehen. Angeblich sollen die 
deutschen Kolonnen den Mahengebezirk geräumt 
haben und auf Songea und Gumbiro los- 
gegangen sein. Was ist dann aus den englischen 
Abteilungen geworden, die im Dezember 1916 
bis Januar 1917 angeblich nach siegreichen 
Kämpfen Songea erobert hatten? Ist die eine 
deutsche Kolonne, die nach der Besetzung von 
Songea nach dem portugiesischen Gebiet weiter- 
gezogen ist, noch dort, und ist auch Songea wie 
Mahenge geräumt? Warum meldet dann der 
englische Bericht nicht die Besetzung dieser zweifel- 
los für die ganze Lage wichtigen Plätze? Da 
stimmt also schon etwas nicht und die Lage wird 
wahrscheinlich für die deutschen Truppen dort er- 
heblich besser sein, als es der amtliche englische 
Bericht wahrhaben möchte. 
Weniger rätselhaft ist der Bericht bei der 
Schilderung des Schicksals der Kolonne Wint- 
gens. Nach der Besetzung von Songea und 
Gumbiro, das nordwestlich von Songea liegt, 
soll Wintgens nach Norden aufgebrochen und 
dabei den englischen Truppen des Generals 
Northey zwischen Iringa und Nyassasee 
pentkommen“ sein? Das erinnert an den Durch- 
bruch, den die deutschen Taboratruppen unter 
dem sächsischen Generalleutnant z. D. Wahle im 
Oktober November 1916 auf ihrem Marsch zur 
Vereinigung mit der deutschen Hauptmacht in 
Mahenge sich gegen belgische und englische 
Streitkräfte siegreich erkämpften. Damals sprach 
der englische Bericht von einem „Zurücktreiben 
des Feindes nach Osten“ und suchte damit zu 
verschleiern, daß die englischen Linien dem deutschen 
Ansturm nicht hatten standhalter können. Nun 
ist Wintgens, der damals die allzu eifrig nach-
	        
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