Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVIII. Jahrgang, 1917. (28)

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Werk, das Lemaire über diese Reise veröffentlichte, 
trug ihm die Anerkennung der Geographen in 
der Heimat wie auch besonders in Frankreich und 
England ein. 
Während seiner dritten Dienstperiode beehrte 
ihn das königliche Vertrauen mit der Leitung der 
Expedition nach dem Bahr el Ghazal und Lado- 
gebiet (1902—1905), die den letzten Versuch des 
Kongosouveräns darstellte, um sich dort gegen die 
Engländer zu behaupten und der bereits an dieser 
Stelle (vergl. Artikel III „Das Lado= und Bahr el 
Ghazal-Pachtgebiet des Kongostaates“, Deutsches 
Kolonialblatt 1916, S. 135 ff. und „Aus den 
Archiven des belgischen Kolonialministerium“, 
Berlin 1916, 52 ff.) nach den Akten be- 
handelt worden ist. Wie sehr der König seine 
Dienste zu würdigen wußte, geht schon daraus 
im König zur Berfügung stehenden Spezialsonds ein 
Teil zur Herstellung einer neuen Karte des Kongo zu 
verwenden und daß zu diesem Zweck zunächst eine be. 
sondere Mission nach der Kolonie zu entsenden sei, d 
die Aufgabe habe, astronomische Punkte Hestzurttgene 
die als Basis der neuen Karte zu dienen hätten. 
Die mit der Prüfung dieser Angelegenheit beauf- 
tragte 2. Direction Gen., 6. Dir., 2. Division (Malfeyt- 
Maury) erstattete zu derselben ein sehr verständiges 
utachten: Nachdem man in der glücklichen Lage sei, 
über so bedeutende Mittel zur Kartierung des Landes 
zu verfügen, müsse man zweckmäßigerweise zunächst 
eine grundlegende Triangulation ausführen. edeu- 
tende Summen auf die Festlegung von Punkten mittels 
astronomischer Lrtsbestimmung #u verwenden, würde 
eine verfehlte Maßregel bedeut 
Das belgische Holentalminssterim wagte nict, 
dieses Urteil dem König zu unterbreiten. Es ließ d 
Dinge ihren Lauf nehmen. Mit Unterstützung des 
Kriegsministers de Broqueville wurden die nötigen 
Schritte zur Auslese und Unterweisung der für diese 
„Mission de Ila Liste civile“ erforderlichen Offiziere 
eingeleitet. Der Kommandant Stinglhamber wurde 
vom König mit der Führung der Expedition beauftragt. 
Durch Dekret vom 13. Januar 1913 wurden zunächst 
50 000 Fr. und grfordersichensen noch weitere Beträge 
aus dem Etat für „Expériences et installation de 6 
Télégraphic suns fil# zur Verfügung gestellt und die 
ausgewählten Offiziere im Febrnar 1913 dem IUnstitut 
Cartographique mälitaire zur Ausbildung zugeteilt. Der 
Intendant der Zivilliste, Comte de Briey, teilte dem 
Kolonialminister am 17. November 1913 mit, daß die 
Offiziere in bezug auf ihre Stellung und Avancement 
als dem Kolonialministerium zur Verfügung gestellt 
zu betrachten seien, obwohl sie ihre Spegialaufgabe 
unter der Leitung der Zivilliste zu erfüllen hätten. 
Der König wünsche, daß den Offigieren der Mission 
alle Erleichterungen, Eskorte usw. durch die Kolonial-= 
verwaltung zu gewähren und daß für April 1914 
300 Träger für die Mission in Elisabethville bereit zu 
stellen seien. Dem Vizegouverneur von Katanga 
wurden 55 000 Fr. für ein Gebäude, das der Mission 
als Dienstraum zu dienen habe, überwiesen, eine Libe- 
ralität, die der Sachverständige des Ministeriums als 
„ussez mal justisice“ bezeichnete. Die Cxpedition brach 
Anfang 1914 nach Katanga auf und beabsichtigte, ihre 
Längen auf radiographischem Wege, die Breiten aber 
mit dem Astrolab zu beftimmen. 
  
  
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hervor, daß er Lemaire ein Jahresgehalt von 
31 000 Fr. bewilligte. Auch von dieser Reise 
brachte er ein reiches astronomisch-kartographi- 
sches Material mit zurück. Die verständige Be- 
handlung der Eingeborenen ermöglichte es ihm 
ohne Kämpfe mit denselben seine Aufgabe durch- 
zuführen. Seinem diplomatischen Geschick und 
seiner Vorsicht hatte es der Kongostaat und mit 
ihm Belgien zu verdanken, daß jeder Konflikt mit 
den ihm gegenüber stehenden englischen Truppen 
vermieden und damit Folgen von unübersehbarer 
Tragweite verhütet wurden. Daß sein Unter- 
nehmen schließlich zu keinem dauernden Erfolg 
führte, war nicht Lemaires Schuld, sondern lag 
an der gänzlichen Verkennung der englischen 
bentralafrikanischen Politik und ihrer Ziele seitens 
des belgischen Königs. 
Nach seiner Rückkehr vom Nil stand 
Lemaire auf der Höhe seiner kolonialen Lauf- 
bahn. Von seinem König war er im Laufe der 
Jahre mit zahlreichen Orden geschmückt, im Lande 
genoß er allgemeine Wertschätzung. Er hatte 
durch seine Mitwirkung die kolonialen Aus- 
stellungen in Antwerpen (1894 und 1902) und 
in Tervueren (1896) wesentlich gefördert. Durch 
zahlreiche Vorträge hatte er das Verständnis 
seiner Landsleute für die kolonialen Interessen 
zu wecken und zu heben verstanden. Daß er bei 
diesem öffentlichen Auftreten angesichts der immer 
mehr hervortretenden Mißstände eines absoluten 
und durch keine öffentliche Kontrolle gehemmten 
persönlichen Regiments sehr energisch für eine 
baldige Übernahme des Kongostaates durch Bel- 
gien plädiert hatte, konnte seinem geraden und 
unabhängigen Sinn nur zur Ehre gereichen. Er 
durchkreuzte freilich mit diesen Vorschlägen unbe- 
wußt die Pläne einer höheren Stelle und das 
sollte ihm zum Verderb gereichen. 
Anfang 1906 war ihm die Organisation und 
Führung einer neuen Expedition übertragen 
worden, die die Ostgrenze des Kongostaates 
längs des 30. Meridians vom 1= s. Br. an nach 
Norden bis zum Pachtgebiet von Mahagi am 
Albertsee gemeinsam mit einer englischen Expe' 
dition vermessen und festlegen sollte. Als Leiter 
der kongolesischen Abteilung wurde ihm ein 
Gehalt von 37 000 Fr. in Aussicht gestellt. Die 
Vorbereitungen zu dieser Mission nahmen das 
ganze Jahr in Anspruch. Als er im Januar 
1907 im Begriff stand, sich nach Afrika einzu- 
schiffen, erhielt er plötzlich Gegenbefehl. Es wurde 
dem gänzlich überraschten bedeutet, daß das 
Unternehmen verschoben sei und daß man seiner 
Dienste für dasselbe nicht weiter bedürse, weil 
die Justiz in Boma habe wissen lassen, daß sie 
bereit stehe, ihn zu versolgen, wenn sie Gelegen- 
heit dazu fände. Er sei schwerer Verfehlungen 
 
	        
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