Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVIII. Jahrgang, 1917. (28)

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versteckten Millionen zu einem nicht unwesentlichen 
Teil gar nicht durch besonders glückliche und 
großzügige kaufmännische Spekulationen und Unter- 
nehmungen zusammengebracht worden sind, son- 
dern, wie bei den Prozessen der Töchter gegen 
den belgischen Staat festgestellt worden ist, durch 
Beiseitestellung von Serien der Anleihen des 
Kongostaates, eine Manipulation, deren Berechti- 
gung die Gerichte nicht anerkannt haben. Gewiß 
hatte der Kongosounverän als absoluter Herrscher 
an und für sich das Recht, die aus dem Kongo- 
geschäft fließenden Millionen nach Gutdünken zu 
verwenden. Aber eine reinliche und übersichtliche 
Trennung zwischen den aus den Kongoprodukten 
einerseits und den Anleihen anderseits sich er- 
gebenden Beträgen wurde nicht durchgeführt. 
Unter diesen Geldern befanden sich auch etwa 
31 Millionen, die Belgien im guten Glanben an 
die angebliche finanzielle Bedrängnis seiner zu- 
künftigen Kolonie aus den Taschen seiner Steuer- 
zahler geliehen hatte. Diese Mittel, besonders 
die aus dem höchst sonderbaren, vom Kongostaat 
im Jahre 1894 mit dem Bankier Browne de 
Tiêège abgeschlossenen angeblichen Vorschußgeschäft 
von 5 Millionen geflossenen Summen, die der 
belgische Staat 1895 gedeckt hatte, durften den 
Zwecken, für die sie bewilligt waren, nicht ent- 
fremdet werden“). 
Entgegen den wiederholt abgegebenen ministe- 
riellen Erklärungen vor dem belgischen Parlament 
und den mehr als einmal erfolgten bestimmten 
schriftlichen wie mündlichen Außerungen des 
Souveräus sind endlich auch die Millionen, die 
er anfänglich aus seinem Privatvermögen im 
Interesse der Association und des Kongostaates 
aufgewandt hatte, seiner Privatschatulle wieder 
zugeführt und das königliche Privatvermögen 
wieder ergänzt worden. Dieser Umstand darf bei 
einer Würdigung der Verdienste des Herrschers 
um Belgien in ihrer Gesamtheit nicht ganz außer 
Betracht gelassen werden. 
“ Der Staatssekretär van Cetvelde, der aus 
zinem anderen Holz geschnitzt war als die Mitarbeiter 
, Mönigs der ersten Jahre. die Banning, Lam- 
in Strauch, van Neuß, Janssen usw., 
nahm zwar 1901 seinen Abschied, da er die vom König 
beliebte Vermischung seines Privatvermögens mit den 
Einnahmen des Staates, besonders soweit sie aus dem 
Staatskredit flossen, nicht mitmachen wollte, und der 
König regierte den Kongo, ohne einen nenen Staats- 
sekretär zu ernennen, mit den drei Generalsekretären 
de Cuvelier, Liebrechts und Droogmans weiter. 
Nchtsdestoweniger aber blieb van Eetvelde in 
jerneren Begiehungen zum König, dem er seine Mit- 
wirkung bei dessen brivaten Unternehmungen nicht ver- 
sagte. Im Jahre 1906 ging er sogar nach London. 
um dort für Leopold das Ablommen mit England vom 
. Mai abzuschließen, das dem Streit um den Bahr 
el Gazal und das Pachtgebiet von Lado ein für den 
Kongostaat unrühmliches Ende bereitete. 
  
Wenn die Akten und Abrechnungen des Kongo- 
staates und seiner Vorläufer kurz vor der An- 
nexion, teilweise vielleicht schon früher, auf Be- 
sjehl des Königs vernichtet worden sind, so geschah 
dies wohl nur zum Teil aus dem Grunde, um 
die nicht immer ganz einwandfsreien finanziellen 
Transaktionen des Kongostaates einer Nachprüfung 
zu entziehen. Ein anderer Beweggrund war 
allem Anschein nach für den König auch der, die 
Erinnerung an die Männer, die ihm in den 
kritischen Lagen des Unternehmens mit Rat und Tat 
zur Seite gestanden hatten, verschwinden zu lassen, 
um so die Ehre und den Ruhm des Erfolges 
für sich allein beanspruchen zu können. Der 
Nachwelt sollten die Unterlagen zur Beurteilung 
der Frage, ob und inwieweit er der alleinige 
Urheber und Verwirklicher der Plänc zu seinem 
Unternehmen gewesen ist, entzogen werden. Die 
notorische Undankbarkeit Leopolds gegen alle seine 
verdienten Ratgeber, die sich seinen Ansichten und 
Wünschen nicht willenlos fügten, läßt eine solche 
Erklärung nicht unglaubhaft erscheinen. Ein so 
großer Menschenverächter, als den er sich stets 
gab, Leopold II. in Wirklichkeit auch sein mochte, 
so war er doch von einem bedeutenden Stolz auf 
sein Kongowerk erfüllt, wie zahlreiche Außerungen 
aus seinem Mund erkennen lassen. Hatte er doch 
in seinem vielbemerkten Brief an seine drei 
Generalsekretäre vom 3. Juli 1906 die herrischen 
Worte geäußert: „ Le Congo a donc été et 
n'a pu êẽtre qu'une çeuvre personelle. Or, il 
nest pas de droit plus Ilégitime et plus re- 
spectable due le droit de ’auteur sur sa propre 
oeuvre, fruit de son laberr.. Mes droits 
sur le Congo sont sans partage, ils sont le 
produit de mes peines et de mes dépenses.“ 
Das stimmte freilich mit den Tatsachen nur 
teilweise. Allerdings hatte der Sonverän mit 
einer unbengsamen Energie und mit nie ermüden- 
der Ausdauer und Arbeitskraft das Kongowerk 
bis in die Einzelheiten geleitet und in seinem 
Sinne zur Entwicklung gebracht. Aber seine 
Auslagen aus der ersten Zeit, die nur Zuschüsse 
erforderte und keine Gewinne brachte, hat er sich 
aus den Erträgnissen der verschiedenen Kongo- 
anleihen und aus den Darlehen des Mutterlandes 
zurückerstattet. 
Der Artikel 2 des Vertrages zwischen dem 
Kongostaat und Belgien vom 3. Juli 1890, der 
an seinem Schluß lantete: „Le Roi-Souverain 
refusant expressément toute indemnité du chef 
des sacrifices personnels du’il s'est imposés.“ 
ist von ihm nicht innegehalten worden. 
Der König hat sich für berechtigt gehalten 
trotz des Vertrages vom 28. November 1907 über 
die Abtretung des Kongostaates an Belgien, des
	        
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