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durch Eingeborene überhaupt nicht betrieben wird oder
in kümmerlichster Form. Anlage von Pflanzungen. Zu-
rom von Arbeitern, im Gefolge ein — damals durch
keine seuchenpolizeilichen Maßnahmen goelsen —
Viehhandel, Verbreitung von Seuchen unter dem Stand-
vieh der Küste, schließlich Steigerung des Wertes der
Ackerbauergeugnisse, damit und durch Gelegenheits-
arbeit stärkeres Abziehen der Männer von der Betäti-
gung bei den Herden. Unter allen diesen Umständen
ein Verflachen der Tierzucht zur Tierhaltung, schließ-
lich völlige Gleichgültigkeit dem ehemals werwollen
Besitz gegenüber. Damit schwinden aber auch schnell
die Gedankengänge über Zucht, die das Gemeingut
aller Stammesangehörigen noch vor einem Geschlecht
waren. — Wir haben die gleiche Erscheinung auch in
unserem Vaterlande, wenn sich die Industrie irgend-
eines häuslichen Gewerbes bemächtigt hat. — Beim
Ariter geht ein derartiger Verfall noch schneller
r sich. Ich fand in Stämmen mit einfacher Tier-
Volteunch Greise, welche mir eingehend über die Zucht-
und Ksrartintsmekhoben ihrer Jugendjahre berichten
konnten.
Die tierzüchtenden Ackerbauer wie die Hirten des
Innern haben die Neigung, möglichst viel Vieh zu
halten, wenn auch ersteren durch ihre Acker etwas Be-
schränkung auferlegt wird. Diese Neigung geht bis zu
einer unvernünftigen Uberstockung des Landes; Tier-
seuchen finden dann in der Trockenzeit an dem durch
Futtermangel geschwächten Bieh einen günstigen Nähr-
en.
Der Grund für diese Anfammlung ist der Stolz
des echten Züchters, besonders auf die Ochsen. Kühe
werden bis ins hohe Alter gehalten, da sie — oft mit
Recht — als gesalzen angesehen werden und man von
ihnen Nachkommenschaft erwartet, wenn die Jungkühe
durch eine Seuche hinweggerafft werden.
Hirt ist anspruchslos und konservativ in
seiner geringen Kleidung, dem Schmuck und den Waffen.
Was er dazu braucht und zu der in den deutschen
Schutzgebieten geringen Stenerleistung, ist leicht be-
schafft durch Verkauf der Erzeugnisse seiner Herde.
Will man ihn daher veranlassen, der unwirtschaftlichen
Uberlastung seiner Weiden mit schlachtreifen Ochsen ein
Ende zu machen, so müßte man, seinem ästhetischen
Feingefühl Rechnung tragend, etwa durch Silber-
schmuck, der seinen Eisenschmucksachen nachgebildet ist,
durch Angebot von Pferden usw. ihn zu Ausgaben zu
verleiten suchen.
In welcher Weise nutzt nun der Eingeborene seine
Herden aus? Ein bis zwei Stärken oder eine Herde
Ziegen sind die Gabe an den Schwiegervater — der
Kaufpreis der Frau.
Erbschaften werden nach Stück Vieh geregelt. Der
eingeborene Züchter schlachtet nur bei Festen: Ernte-
jesten, Hochzeiten, Siegen, vor allem bei Beerdigungen.
Daunn verzehrt er aber unglaubliche Mengen, eines-
teils weil sich Fleisch in den Tropen nicht lange hält,
anderseits aber aus eiweißhungriger Gier, da die Be-
reitung von Streifenfleisch, dem „Biltong“ der Buren,
auch in der Trockenheit der Tropen möglich wäre, von
mir jedoch nie beobachtet worden ist, während Fische
in Mengen getrocknet werden — allerdings nicht für
den Eigenbedarf, sondern zum Verkauf — seitens der
meist armen Fischerbevölkerung.
Bei der Schlachtung ist übrigens der Gedanke
maßgebend, möglichst wenig einzubüßen. Daher wird
das Tier erstickt oder durch Genickstich getötet. Stämme,
welche die islamitische Schächtart nachahmen oder sie
ursprünglich hatten, sangen das Blut auf und verzehren
es gekocht. Am liebsten ißt der Eingeborene das
Fleisch mit Wemüse (Bauanen, Spinatarten) zusammen-
gekocht oder zum Mais= und Hirsebrei. In kleinen
Prüacken am Spicß gebraten oder in der Asche bereitet
er es für die Nachfeier am folgenden Tage vor. Mög-
lichst fettes Fleisch bildet die erste Klasse. Daher auch
wohl seine Vorliebe für Därme, die oft roh verzehrt
werden, was bei den Weißen dasselbe widerliche Ge-
fühl hervorruft wie bei dem Eingeborenen, wenn er
ersteren rohes Fleisch verzehren sieht.
Milch wird meist sauer oder als Quark genommen,
Käse bildet einen begehrten Verkaufsgegenstand an an-
wohnende Nichtzüchter.
Die Rinderhaut und das Ziegenfell werden dort,
wo Aufkäufer vorhanden sind, nicht wie früher ge-
gerbt und zu Kleidungsstücken oder Schlafdecken ver-
arbeitet, sondern verkauft und dafür Baumwollzeuge
eingehandelt, wodurch dann die wertvollen Rohstoffe
der Heimat zugute kommen. (Erst in Togo wurde mir
so recht klar, einen wie großen wirtschaftlichen Faktor
der Inder in Ostafrika bildet. Wie groß auch seine
genugsam bekannten unangenehmen Eigenschaften sein
mögen, der anspruchslose, gewandte, arbeitsame Inder
hat an der rascheren Entwicklung der ostafrikanischen
Kolonie der Westküste gegenüber sicher einen großen
Anteil.)
Der Hauptvorteil, den der Züchterstamm für sich
selbst aus der Herde zieht, liegt meiner Meinung nach
auf dem Gebiet der besseren Kinderernährung gegen-
über seinen haustierlosen Nachbarn. Kinder von
Züchtern haben schönen, ebenmäßigen Wuchs, sind gleich-
mäßig fett, ohne daß der Bauch stärker hervortritt.
Später wachsen sie bei ausschließlicher Milch= und
Fleischernährung (Massai. Watutzi) zu hohen, sein-
gliedrigen Gestalten aus, während die ackerbauenden
Wanyamwezi, Wagaya, Wahnin, Germa, Senegalesen
einen riesigen, dabei breitschultrigen, muskulösen Bau
bei Milch-, Fleisch= und vegetabilischer Ernährung
aufweisen.
Betrachtet man dagegen die Kinder der reinen
Ackerbauer, die etwa bis zum dritten Jahr gesäugt
und nebenbei mit Hirse-, Mais= oder Bananenbrei
unter vielen Wehklagen gestopft werden, so sieht man
dünne Gliedmaßen und einen mächtigen Bauch. Im
Alter von etwa zwölf Jahren wird die Gestalt eben-
mäßiger. Uns fehlt leider eine vergleichende Statistik
über Kindersterblichkeit bei Züchtern und Nichtzüchtern.
kach allem, was wir heut über Kinderernährung
wissen, dürfte es keinem Zweifel unterliegen, daß
erstere den vielen Krankheiten der Tropen einen ge-
festigteren Körper entgegenzustellen vermögen. Außer-
dem wird durch gute Ingendernährung eine erhöhte
Frühreife ergielt, was der Arbeiterversorgung der Pflan-
zungen und europäischen Betriebe zugute kommen mag.
Ist so der Züchter schon als Kind durch die Er-
nährung mit tierischem Eiweiß besser gestellt als sein
nur von Früchten lebender Landsmann, so wird für
lebteren die Eiweißernährung zu einer Lebensfrage
in dem Alter, in dem die Sorge um das tägliche Brot
ihn zur Arbeit zwingt und die Anforderungen der
Kinderzeugung an ihn herantreten. Der Eiweißhunger
lenkt ihn dann auf jegliches Getier, von der verbotenen
Jagd auf Säuger bis zur Heuschrecke, Termite, Fisch-
brut — ja auf seinen Nebenmenschen. Die Tugend
der sonst recht sittsamen Frauen der Dörfler des Hinter-
landes hält den Lockungen eines Stückes Fleisch gegen-
üÜber kaum Stand, während Silber sie nicht aus ihrer
Ruhe zu bringen vermag. (Es wäre zweckmäßig, die
Jagdverbote für Eingeborene in viehlosen Strichen
unter diesem Gesichtswinkel, dem der Stillung des
natürlichen Fleischhungers, zu betrachten.) Stämme,
welche sonst ungern den Rauch ihrer Hütten aus den
Augen verlieren, sind geneigt, monatelang sich als