Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVIII. Jahrgang, 1917. (28)

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durch Eingeborene überhaupt nicht betrieben wird oder 
in kümmerlichster Form. Anlage von Pflanzungen. Zu- 
rom von Arbeitern, im Gefolge ein — damals durch 
keine seuchenpolizeilichen Maßnahmen goelsen — 
Viehhandel, Verbreitung von Seuchen unter dem Stand- 
vieh der Küste, schließlich Steigerung des Wertes der 
Ackerbauergeugnisse, damit und durch Gelegenheits- 
arbeit stärkeres Abziehen der Männer von der Betäti- 
gung bei den Herden. Unter allen diesen Umständen 
ein Verflachen der Tierzucht zur Tierhaltung, schließ- 
lich völlige Gleichgültigkeit dem ehemals werwollen 
Besitz gegenüber. Damit schwinden aber auch schnell 
die Gedankengänge über Zucht, die das Gemeingut 
aller Stammesangehörigen noch vor einem Geschlecht 
waren. — Wir haben die gleiche Erscheinung auch in 
unserem Vaterlande, wenn sich die Industrie irgend- 
eines häuslichen Gewerbes bemächtigt hat. — Beim 
Ariter geht ein derartiger Verfall noch schneller 
r sich. Ich fand in Stämmen mit einfacher Tier- 
Volteunch Greise, welche mir eingehend über die Zucht- 
und Ksrartintsmekhoben ihrer Jugendjahre berichten 
konnten. 
Die tierzüchtenden Ackerbauer wie die Hirten des 
Innern haben die Neigung, möglichst viel Vieh zu 
halten, wenn auch ersteren durch ihre Acker etwas Be- 
schränkung auferlegt wird. Diese Neigung geht bis zu 
einer unvernünftigen Uberstockung des Landes; Tier- 
seuchen finden dann in der Trockenzeit an dem durch 
Futtermangel geschwächten Bieh einen günstigen Nähr- 
en. 
Der Grund für diese Anfammlung ist der Stolz 
des echten Züchters, besonders auf die Ochsen. Kühe 
werden bis ins hohe Alter gehalten, da sie — oft mit 
Recht — als gesalzen angesehen werden und man von 
ihnen Nachkommenschaft erwartet, wenn die Jungkühe 
durch eine Seuche hinweggerafft werden. 
Hirt ist anspruchslos und konservativ in 
seiner geringen Kleidung, dem Schmuck und den Waffen. 
Was er dazu braucht und zu der in den deutschen 
Schutzgebieten geringen Stenerleistung, ist leicht be- 
schafft durch Verkauf der Erzeugnisse seiner Herde. 
Will man ihn daher veranlassen, der unwirtschaftlichen 
Uberlastung seiner Weiden mit schlachtreifen Ochsen ein 
Ende zu machen, so müßte man, seinem ästhetischen 
Feingefühl Rechnung tragend, etwa durch Silber- 
schmuck, der seinen Eisenschmucksachen nachgebildet ist, 
durch Angebot von Pferden usw. ihn zu Ausgaben zu 
verleiten suchen. 
In welcher Weise nutzt nun der Eingeborene seine 
Herden aus? Ein bis zwei Stärken oder eine Herde 
Ziegen sind die Gabe an den Schwiegervater — der 
Kaufpreis der Frau. 
Erbschaften werden nach Stück Vieh geregelt. Der 
eingeborene Züchter schlachtet nur bei Festen: Ernte- 
jesten, Hochzeiten, Siegen, vor allem bei Beerdigungen. 
Daunn verzehrt er aber unglaubliche Mengen, eines- 
teils weil sich Fleisch in den Tropen nicht lange hält, 
anderseits aber aus eiweißhungriger Gier, da die Be- 
reitung von Streifenfleisch, dem „Biltong“ der Buren, 
auch in der Trockenheit der Tropen möglich wäre, von 
mir jedoch nie beobachtet worden ist, während Fische 
in Mengen getrocknet werden — allerdings nicht für 
  
  
den Eigenbedarf, sondern zum Verkauf — seitens der 
meist armen Fischerbevölkerung. 
Bei der Schlachtung ist übrigens der Gedanke 
maßgebend, möglichst wenig einzubüßen. Daher wird 
das Tier erstickt oder durch Genickstich getötet. Stämme, 
welche die islamitische Schächtart nachahmen oder sie 
ursprünglich hatten, sangen das Blut auf und verzehren 
es gekocht. Am liebsten ißt der Eingeborene das 
Fleisch mit Wemüse (Bauanen, Spinatarten) zusammen- 
  
gekocht oder zum Mais= und Hirsebrei. In kleinen 
Prüacken am Spicß gebraten oder in der Asche bereitet 
er es für die Nachfeier am folgenden Tage vor. Mög- 
lichst fettes Fleisch bildet die erste Klasse. Daher auch 
wohl seine Vorliebe für Därme, die oft roh verzehrt 
werden, was bei den Weißen dasselbe widerliche Ge- 
fühl hervorruft wie bei dem Eingeborenen, wenn er 
ersteren rohes Fleisch verzehren sieht. 
Milch wird meist sauer oder als Quark genommen, 
Käse bildet einen begehrten Verkaufsgegenstand an an- 
wohnende Nichtzüchter. 
Die Rinderhaut und das Ziegenfell werden dort, 
wo Aufkäufer vorhanden sind, nicht wie früher ge- 
gerbt und zu Kleidungsstücken oder Schlafdecken ver- 
arbeitet, sondern verkauft und dafür Baumwollzeuge 
eingehandelt, wodurch dann die wertvollen Rohstoffe 
der Heimat zugute kommen. (Erst in Togo wurde mir 
so recht klar, einen wie großen wirtschaftlichen Faktor 
der Inder in Ostafrika bildet. Wie groß auch seine 
genugsam bekannten unangenehmen Eigenschaften sein 
mögen, der anspruchslose, gewandte, arbeitsame Inder 
hat an der rascheren Entwicklung der ostafrikanischen 
Kolonie der Westküste gegenüber sicher einen großen 
Anteil.) 
Der Hauptvorteil, den der Züchterstamm für sich 
selbst aus der Herde zieht, liegt meiner Meinung nach 
auf dem Gebiet der besseren Kinderernährung gegen- 
über seinen haustierlosen Nachbarn. Kinder von 
Züchtern haben schönen, ebenmäßigen Wuchs, sind gleich- 
mäßig fett, ohne daß der Bauch stärker hervortritt. 
Später wachsen sie bei ausschließlicher Milch= und 
Fleischernährung (Massai. Watutzi) zu hohen, sein- 
gliedrigen Gestalten aus, während die ackerbauenden 
Wanyamwezi, Wagaya, Wahnin, Germa, Senegalesen 
einen riesigen, dabei breitschultrigen, muskulösen Bau 
bei Milch-, Fleisch= und vegetabilischer Ernährung 
aufweisen. 
Betrachtet man dagegen die Kinder der reinen 
Ackerbauer, die etwa bis zum dritten Jahr gesäugt 
und nebenbei mit Hirse-, Mais= oder Bananenbrei 
unter vielen Wehklagen gestopft werden, so sieht man 
dünne Gliedmaßen und einen mächtigen Bauch. Im 
Alter von etwa zwölf Jahren wird die Gestalt eben- 
mäßiger. Uns fehlt leider eine vergleichende Statistik 
über Kindersterblichkeit bei Züchtern und Nichtzüchtern. 
kach allem, was wir heut über Kinderernährung 
wissen, dürfte es keinem Zweifel unterliegen, daß 
erstere den vielen Krankheiten der Tropen einen ge- 
festigteren Körper entgegenzustellen vermögen. Außer- 
dem wird durch gute Ingendernährung eine erhöhte 
Frühreife ergielt, was der Arbeiterversorgung der Pflan- 
zungen und europäischen Betriebe zugute kommen mag. 
Ist so der Züchter schon als Kind durch die Er- 
nährung mit tierischem Eiweiß besser gestellt als sein 
nur von Früchten lebender Landsmann, so wird für 
lebteren die Eiweißernährung zu einer Lebensfrage 
in dem Alter, in dem die Sorge um das tägliche Brot 
ihn zur Arbeit zwingt und die Anforderungen der 
Kinderzeugung an ihn herantreten. Der Eiweißhunger 
lenkt ihn dann auf jegliches Getier, von der verbotenen 
Jagd auf Säuger bis zur Heuschrecke, Termite, Fisch- 
brut — ja auf seinen Nebenmenschen. Die Tugend 
der sonst recht sittsamen Frauen der Dörfler des Hinter- 
landes hält den Lockungen eines Stückes Fleisch gegen- 
üÜber kaum Stand, während Silber sie nicht aus ihrer 
Ruhe zu bringen vermag. (Es wäre zweckmäßig, die 
Jagdverbote für Eingeborene in viehlosen Strichen 
unter diesem Gesichtswinkel, dem der Stillung des 
natürlichen Fleischhungers, zu betrachten.) Stämme, 
welche sonst ungern den Rauch ihrer Hütten aus den 
Augen verlieren, sind geneigt, monatelang sich als 
 
	        
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