Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVIII. Jahrgang, 1917. (28)

G 310 20 
Im tropischen Afrika, wo die Bedeutung dieselbe, 
die Ausführung aber bei weitem schwieriger ist, hat 
man sich dieser Frage mit mehr Nachdruck erst um das 
Jahr 1912 zugewandt, — 30 Jahre nach Inangriff- 
nahme der kolonialen Tätigkeit. Es ist dies immerhin 
verständlich, wenn man berücksichtigt, daß die Heimat 
aus der Kolonie möglichst rasch Werte verlangte, die 
man natürlich in dem schnellwüchsigen tropischen Pflau- 
ungserzeugnis sah und dabei die Grundlage der 
Iuenzungg rrbeit sich nicht recht klar machte. Irre- 
führend wirkten dann auch die Berichte von den „un- 
geheuren“ Herden im Innern, deren Vorhandensein für 
viele Gebietsstriche nicht bestritten werden soll, ohne 
daß es in bezug auf die große Fläche des Schutz- 
gebietes verallgemeinert werden darf. Nachdem man 
nun beobachtet hatte, daß die Viehbestände gar nicht 
so groß waren und durch verheerende Seuchen immer 
mehr abbröckelte, sandte man nicht nur eine Anzahl 
von Tierärzten aus, sondern ließ auch gleichzeitig 
Landwirte auf den züchtenden Eingeborenen los. 
Gegen diese Art der Förderung der Tierzucht im tro- 
pischen Afrika möchte ich nun Stellung nehmen, und 
zwar nicht im Interesse meines Standes, sondern in 
dem unserer größeren Kolonialwirtschaft nach dem 
Kriege, die sich von Nachahmungen heimischer Verhält- 
nisse frei machen und kostspieliges und unpraaktisches 
Arbeiten draußen vermeiden muß. ie i tonte, 
spielt draußen in der Tierzucht die Hauptrolle die 
Seuchenfrage. 
Diese kann aber nur der Kompeteng des Tier- 
arztes oder Arztes unterliegen und wären alle tier- 
Hüchkeritchen Maßnahmen des Landwirtes der Über- 
wachung und Verantwortung des Tierarztes unter- 
worfen. Der Tierarzt tritt dem Eingeborenen nahe 
als Helfer und Beschützer seines wertvollsten Eigentums. 
Der Farbige wird das gewonnene Vertrauen auch auf 
das ausdehnen, was ihm zur Förderung der Zucht 
empfohlen wird, während der Landwirt rein als Kri- 
tiker auftritt und ihm nur ganz unverständliche Neue- 
rungen bringt. Außerdem schwebt der Landwirt voll- 
ständig in der Luft, da ihm doch das Vertrauen fehlt, 
welches daheim, wo er selbst Züchter ist, seine Standes- 
genossen ihm entgegenbringen. Der Tierarzt ist 
theoretisch dur sein Studium züchterisch ebenso 
vorgebildet wie der Landwirt. Wenn ihm die beiwische 
Praris fehlt. ist dies für Afrika nur ein Vorteil. da er 
dann nicht an ihr klebt und sich leichter frei machen 
kann von den ÜUberlieferungen der heimischen, intensiv 
betriebenen Tiergucht. Tierärzte, welche für die Tier= 
zucht kein Interesse haben, gehören nicht hinaus, es sei 
denn in Sonderstellungen als Bakteriologen. Schließ- 
lich ist es verfehlt — jedem Eingeborenenkenner wird 
das klar sein, auf den Neger zwei Sachverständige in 
derselben Materie einwirken zu lassen —., von den An- 
ordnungen beider wird keine befolgt werden. Dem 
Landwirt stehen in der Pflanzenkultur außerdem weite, 
oft ungeklärte Gebiete offen. 
Die Tierzucht der Eingeborenen ist nicht ganz in 
dem Maße, wie die oben erwähnten Zuchten der Euro- 
päer, von Bahnen abhängig. Wo Bahnen besteßen. 
wub das Vieh mit ihnen befördert werden. In d 
Frage der Verzinfung bei Neuanlage von Taynen 
wäre die Viehbeförderung allerdings als beachtens- 
werter Faltor einzustellen. Jedenfalls ist die Bahn 
das beste Mittel, um die Verseuchung des Standviehs 
durch Schlachtviehtransporte zu verhüten. In Er- 
mangelung von Bahnen sollen Biehstraßen angelegt 
werden, die möglichst die Weiden des Standviehs 
meiden. Unter aben Umständen sollten für das Handels- 
vieh eigene, eingezännte Weiden, Tränken uld Rast- 
plätze eingerichtet werden. Ferner soll allmählich Stand- 
  
wie Handelsvieh mit Bränden versehen sein, damit 
Tauschen vermieden werden und der Ursprung von 
feuchengnen leicht ermittelt werden kann. 
Zur Erkennung von Seuchen kann die Fleischbeschau 
viel beitragen, abgesehen von ihrer sanitären Aufgabe. 
Daher ist an jedem größeren Orte, an dem ein euo- 
päischer Unterbeamter dauernd seinen Wohnsitz hat, 
Fleischbeschau auszuüben. Zu diesem Zwecke wäre er vor 
einer Aussendung oder während des Urlaubes auszu- 
Ebilden und draußen durch den Tierarzt in die dort er- 
forderlichen Maßnahmen einzuweihen. Es ist bei der 
Beschau mit der äußersten Schonung vorzugehen, und 
nur im äußersten Falle Beschlagnahme ausgusprechen, 
da sonst Hintersiehungen und Meiden des Ortes durch 
die eingeborenen Schlächter unvermeidlich sind. 
Von größter Bedeutung für Mittelafrika ist die 
Beschaffung von gutem Wasser für die Herden. Nicht 
als ob Wassermangel herrscht, aber die Wasservertei- 
lung ist eine zu ungleichmäßige, außerdem ist ein Teil 
der Ströme, die das beste Tränkwasser liefern, versetzt. 
So müssen die Lerden. oft Riesenstrecken zur Tränke 
zurücklegen, an der sich dann viele drängen. adur 
sind einer Verbreitung von Seuchen die Wege geebnet. 
Durch Staubecken, die in vielen Gegenden Mittel- 
afrikas leichter und billiger anzulegen wären als in 
Südwestafrika, durch Entsetzung der Flüsse, durch 
Brunnenbohrungen müßte diesem Hemmnis einer ge- 
sunden Entwicklung der Viehwirtschaft abgeholfen 
werden. 
Welche Maßnahmen sind nun in bezug auf die 
Vucht, der Eingeborenen zu ergreifen? 
Genügen die vorhandenen Rassen den an sie 
gestellten Ansprüchen? Sind sie durch europäisches 
Vieh oder seine Kreuzungen zu ersetzen? 
Als in Deutschland infolge der durch den Auf- 
schwung der Wirtschaft verursachten besseren Lebens- 
haltung eine gesteigerte Nachfrage nach hochwertigem 
Fleisch eintrat, versuchte man. englisches Zuchtvieh zu 
uns zu verpflangen, da dieses infolge der weiter zu- 
rückreichenden Wohlhabenheit auf einer höheren Zucht- 
stufe stand. Diese Versuche schlugen fehl, und man er- 
lannte das rechtzeitig genug, um an eine Sammlung 
des bodenständigen Viehs gehen zu können und es in 
Herdbuchgesellschaften hochzuzüchten durch Zuchtwahl 
nach Leistungen, oft unter Zuhilfenahme der vor- 
sichtigen Einkrenzung, jedenfalls ohne den der Land- 
ichaft eigentümlichen Typus zu verwischen. Man präge 
das Wort: 
Jedes Tier ist ein Produkt der Scholle. 
Nun ist der Unterschied der Scholle von Deutschland 
und England sicherlich nicht so groß, wie der von 
Afrika und Deutschland, wo außerdem die vielen boden- 
ständigen Seuchen ganz besonders ein der Scholle an- 
gepaßtes Tier erfordern. Es ist nur mit der Schwierig- 
keit des sich Umstellens auf afrikanische Verhältnisse zu 
erklären, wenn von seiten junger afrikanischer Sach- 
verständiger immer wieder die Forderung nach euro- 
päischen Juchttieren dem eingehenden Studium der 
borhandenen Rassen und dem der Scholle vorausgeht. 
Günstig ist dann nur, daß die Sachverständigen in 
Afrika schnell wechseln und damit je nach der engeren 
Heimat des Betreffenden auch die Meinung über di 
minm¾ß Resse- und schließlich alles beim alten 
  
ziehen wir die weit günstigeren *## Nord- 
und #een wi als Ver beran. 1 Südafrila 
liegt die Tierzucht durchweg in der # 
telligenten, auf seinen Vorteil bedachten 
Ursprünglich züchteten dort die Buren das Afrikander- 
rind, ein veredelles Eingeborenenrind mik mittleren 
Leistungen in begug auf Arbelt, Milch und Fleisch.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.