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Ich habe gesehen, wie bitter die Eingeborenen
die den Deutschen in der Gefangenschaft angetane
Schande empfunden haben; sie gaben ihrer Ent-
rüstung und ihrem Schmerz darüber in nicht miß-
zuverstehender Weise Ausdruck. Als mein braver
Bursche, der mir in Ruanda viele Jahre tren
gedient hatte, von Tabora in seine Heimat an
den Viktoria-Nyansa zurückkehrte, wurde er in
Mwanso von den Engländern ausgegriffen und
zum Soldaten gepreßt; aber er hat sich lieber von
ihnen in Ketten legen lassen, als gegen Lohn bei
ihnen Kriegsdienste zu tun. Und er ist nur einer
von den vielen, die mit ihm das gleiche Los frei-
willig geteilt haben, ihre Treue zur deutschen
Fahne mit Gefangenschaft an der englischen Kette
zu büßen. In Frankreich habe ich von deutschen
Kriegsgefangenen, die zeitweilig in Le Havre ge-
arbeitet hatten, gehört, daß dort ausgeschiffte
Kamerunneger, die von den Franzosen an die
Front geschickt werden sollten, sich geweigert haben,
für Frankreich die Waffen gegen deutsche Heere
zu tragen, da sie selber Deutsche seien.
Als Tabora schon längst in belgischen und
englischen Händen war, hatten die Eingeborenen
die Hoffnung, daß die Deutschen wiederkämen,
nicht aufgegeben. Sie haben sie lebendig er-
halten durch allerlei Märchen, die erzählt und
fest geglaubt wurden. Mehrere große deutsche
Dampfer hätten vor der Kongomündung größere
Truppenmengen gelandet, die nun erobernd durch
den belgischen Kongo zögen, in wenigen Monaten
vor Tabora erscheinen und die belgisch-englische
Gewaltherrschaft zerschlagen würden. An der
Ostküste wären vor Daressalam türkische und
deutsche Kriegsschiffe erschienen, deren Besatzung
von dort aus die Kolonie wieder befreien werde.
Sogar von Zeppelinen wurde gefabelt. Obgleich
alle diese Gerüchte jeder tatsächlichen Unterlage
entbehrten, so zeigt doch der Eifer, mit dem sie
verbreitet, und die Hingabe, mit der sie geglaubt
wurden, wie groß die Sehnsucht der Eingeborenen
nach der Wiederkehr der Deutschen ist.
So hat die ostafrikanische Bevölkerung uns
Treuc gehalten, nicht nur in den Friedenszeiten
deutscher Macht, sondern auch in den Wechsel-
fällen des Krieges, Treue bis in den Tod und
über das Grab der deutschen Herrschaft hinaus
bis zu dieser Stunde. Darum ist Ostafrika
uns nicht verloren und kann uns nicht ver-
loren gehen, solange wir entschlossen sind, die uns
von den Eingeborenen erwiesene Treue auch ihnen
zu halten, d. h. solange wir entschlossen sind, beim
Friedensschluß die Hoffnung unserer Schutzbe-
fohlenen nicht zuschanden werden zu lassen da-
durch, daß wir das, was in Afrika deutsch ist,
auch wieder in deutschen Besitz nehmen. Ost-
afrika ist jetzt erst im Kriege von uns
wahrhaft erworben. Sein Volk ist jetzt in
dem heißen mehrjährigen Ringen gegen fast zehn-
fache ÜUbermacht mit uns durch Blut und Eisen
zu einer Einheit zusammengeschweißt worden.
Unsere moralischen Eroberungen im schwarzen
Erdteil gehen weit über die Grenzen Ostafrikas
hinaus. Als nach dem belgischen Einzug in
Tabora das Eingeborenenlazarett mit Hunderten
von belgischen Verwundeten und kranken Askaris
belegt wurde, hatte ich mehrfach Gelegenheit, mit
den Leuten zu sprechen. Wo ich versuchte, sie in
ihrem Schmerz zu trösten, haben sie von sich aus
immer wieder das Gespräch auf die Art der Krieg-
führung gebracht und haben kein Hehl aus ihrer
Bewunderung vor den Deutschen gemacht. „Eure
Weißen,“ sagten sie mir, „ja, das sind Männer!
Aber unsere? Die treiben uns vor die Maschinen-
gewehre und halten sich selber schön im Hinter-
grunde.“ Es ist dasselbe Lied, das ich früher
schon in Rubengera am Kiwusee von Askaris
der Belgier gehört hatte, die durch unsere Truppen
gefangen worden waren. „Wenn die Belgier mit
Euch Deutschen im Kriege sind, warum kämpfen
sie das nicht selbst durch? Warum müssen wir
uns von Euch für sie erschießen lassen, während
sie selbst sich hinter uns decken? Ihr seid doch
nicht unsere Feinde!“ Auch bei meinem Ab-
transport durch den Kongostaat habe ich meine
Augen und Ohren offen gehalten und immer
wieder den Eingeborenen abgefühlt, wie sehr sie
im Grunde ihres Herzens ihre Europäer, die
Belgier, verachten und welch hohen Klang der
deutsche Name durch den Krieg schon jetzt bei
ihnen gewonnen hat. Und wie wird die Hoch-
achtung vor allem, was deutsch ist, bei den Kongo-
negern steigen, wenn erst die vielen Tausende
schwarzer Soldaten, die gegen uns in Ostafrika
gefochten haben, in ihre Heimat zurückkehren und
überall den Ruhm der Deutschen und die Schande
ihrer Herren verkünden werden!
Wenn wir alle diese Tatsachen so einschätzen,
wie sie es verdienen, so können wir die englische
Meldung: „Die letzte deutsche Kolonie in unserer
Hand!“ mit stiller Beugung unter Gottes Hand
hinnehmen, ihr dann aber in fröhlicher Zuver-
sicht ein inhaltschweres „Ja — aber“ entgegen-
stellen: Ja, das Land in Ostafrika habt
Ihr Engländer zur Zeit, aber die Völker
Ostafrikas und ganz Zentralafrikas haben
wir Deutschen! Das soll unserm Lettow und
unserer tapferen Schutztruppe, den Weißen wie
den Schwarzen, unvergessen sein!
Und du, deutsches Volk, weißt du auch,
welche Zukunftsaufgabe damit dir gestellt ist?
Denkst du daran, daß du verpflichtet bist, deinen
Völkern Ostafrikas, die sehnsüchtig auf deine
Wiederkehr warten, und den Völkern Zentral-