Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVIII. Jahrgang, 1917. (28)

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Ich habe gesehen, wie bitter die Eingeborenen 
die den Deutschen in der Gefangenschaft angetane 
Schande empfunden haben; sie gaben ihrer Ent- 
rüstung und ihrem Schmerz darüber in nicht miß- 
zuverstehender Weise Ausdruck. Als mein braver 
Bursche, der mir in Ruanda viele Jahre tren 
gedient hatte, von Tabora in seine Heimat an 
den Viktoria-Nyansa zurückkehrte, wurde er in 
Mwanso von den Engländern ausgegriffen und 
zum Soldaten gepreßt; aber er hat sich lieber von 
ihnen in Ketten legen lassen, als gegen Lohn bei 
ihnen Kriegsdienste zu tun. Und er ist nur einer 
von den vielen, die mit ihm das gleiche Los frei- 
willig geteilt haben, ihre Treue zur deutschen 
Fahne mit Gefangenschaft an der englischen Kette 
zu büßen. In Frankreich habe ich von deutschen 
Kriegsgefangenen, die zeitweilig in Le Havre ge- 
arbeitet hatten, gehört, daß dort ausgeschiffte 
Kamerunneger, die von den Franzosen an die 
Front geschickt werden sollten, sich geweigert haben, 
für Frankreich die Waffen gegen deutsche Heere 
zu tragen, da sie selber Deutsche seien. 
Als Tabora schon längst in belgischen und 
englischen Händen war, hatten die Eingeborenen 
die Hoffnung, daß die Deutschen wiederkämen, 
nicht aufgegeben. Sie haben sie lebendig er- 
halten durch allerlei Märchen, die erzählt und 
fest geglaubt wurden. Mehrere große deutsche 
Dampfer hätten vor der Kongomündung größere 
Truppenmengen gelandet, die nun erobernd durch 
den belgischen Kongo zögen, in wenigen Monaten 
vor Tabora erscheinen und die belgisch-englische 
Gewaltherrschaft zerschlagen würden. An der 
Ostküste wären vor Daressalam türkische und 
deutsche Kriegsschiffe erschienen, deren Besatzung 
von dort aus die Kolonie wieder befreien werde. 
Sogar von Zeppelinen wurde gefabelt. Obgleich 
alle diese Gerüchte jeder tatsächlichen Unterlage 
entbehrten, so zeigt doch der Eifer, mit dem sie 
verbreitet, und die Hingabe, mit der sie geglaubt 
wurden, wie groß die Sehnsucht der Eingeborenen 
nach der Wiederkehr der Deutschen ist. 
So hat die ostafrikanische Bevölkerung uns 
Treuc gehalten, nicht nur in den Friedenszeiten 
deutscher Macht, sondern auch in den Wechsel- 
fällen des Krieges, Treue bis in den Tod und 
über das Grab der deutschen Herrschaft hinaus 
bis zu dieser Stunde. Darum ist Ostafrika 
uns nicht verloren und kann uns nicht ver- 
loren gehen, solange wir entschlossen sind, die uns 
von den Eingeborenen erwiesene Treue auch ihnen 
zu halten, d. h. solange wir entschlossen sind, beim 
Friedensschluß die Hoffnung unserer Schutzbe- 
fohlenen nicht zuschanden werden zu lassen da- 
durch, daß wir das, was in Afrika deutsch ist, 
auch wieder in deutschen Besitz nehmen. Ost- 
afrika ist jetzt erst im Kriege von uns 
  
wahrhaft erworben. Sein Volk ist jetzt in 
dem heißen mehrjährigen Ringen gegen fast zehn- 
fache ÜUbermacht mit uns durch Blut und Eisen 
zu einer Einheit zusammengeschweißt worden. 
Unsere moralischen Eroberungen im schwarzen 
Erdteil gehen weit über die Grenzen Ostafrikas 
hinaus. Als nach dem belgischen Einzug in 
Tabora das Eingeborenenlazarett mit Hunderten 
von belgischen Verwundeten und kranken Askaris 
belegt wurde, hatte ich mehrfach Gelegenheit, mit 
den Leuten zu sprechen. Wo ich versuchte, sie in 
ihrem Schmerz zu trösten, haben sie von sich aus 
immer wieder das Gespräch auf die Art der Krieg- 
führung gebracht und haben kein Hehl aus ihrer 
Bewunderung vor den Deutschen gemacht. „Eure 
Weißen,“ sagten sie mir, „ja, das sind Männer! 
Aber unsere? Die treiben uns vor die Maschinen- 
gewehre und halten sich selber schön im Hinter- 
grunde.“ Es ist dasselbe Lied, das ich früher 
schon in Rubengera am Kiwusee von Askaris 
der Belgier gehört hatte, die durch unsere Truppen 
gefangen worden waren. „Wenn die Belgier mit 
Euch Deutschen im Kriege sind, warum kämpfen 
sie das nicht selbst durch? Warum müssen wir 
uns von Euch für sie erschießen lassen, während 
sie selbst sich hinter uns decken? Ihr seid doch 
nicht unsere Feinde!“ Auch bei meinem Ab- 
transport durch den Kongostaat habe ich meine 
Augen und Ohren offen gehalten und immer 
wieder den Eingeborenen abgefühlt, wie sehr sie 
im Grunde ihres Herzens ihre Europäer, die 
Belgier, verachten und welch hohen Klang der 
deutsche Name durch den Krieg schon jetzt bei 
ihnen gewonnen hat. Und wie wird die Hoch- 
achtung vor allem, was deutsch ist, bei den Kongo- 
negern steigen, wenn erst die vielen Tausende 
schwarzer Soldaten, die gegen uns in Ostafrika 
gefochten haben, in ihre Heimat zurückkehren und 
überall den Ruhm der Deutschen und die Schande 
ihrer Herren verkünden werden! 
Wenn wir alle diese Tatsachen so einschätzen, 
wie sie es verdienen, so können wir die englische 
Meldung: „Die letzte deutsche Kolonie in unserer 
Hand!“ mit stiller Beugung unter Gottes Hand 
hinnehmen, ihr dann aber in fröhlicher Zuver- 
sicht ein inhaltschweres „Ja — aber“ entgegen- 
stellen: Ja, das Land in Ostafrika habt 
Ihr Engländer zur Zeit, aber die Völker 
Ostafrikas und ganz Zentralafrikas haben 
wir Deutschen! Das soll unserm Lettow und 
unserer tapferen Schutztruppe, den Weißen wie 
den Schwarzen, unvergessen sein! 
Und du, deutsches Volk, weißt du auch, 
welche Zukunftsaufgabe damit dir gestellt ist? 
Denkst du daran, daß du verpflichtet bist, deinen 
Völkern Ostafrikas, die sehnsüchtig auf deine 
Wiederkehr warten, und den Völkern Zentral-
	        
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