Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVIII. Jahrgang, 1917. (28)

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so formulieren durfte: „Kolonisieren heißt Missio- 
nieren“ sich in der englischen wie in der deutschen 
Kolonialpolitik durchgesetzt hatte. Wir standen 
erst am Anfang der Reform-Entwicklung, aber 
Deutschland war seit Dernburg auf dem rechten 
Wege. Die große Probe auf unsere Eingeborenen- 
politik ist der Krieg gewesen. In allen unseren 
Kolonien sind unsere Schutzbefohlenen zu uns 
gestanden, obgleich den meisten klar war, daß 
es nur galt, einen verlorenen Posten zu ver- 
leidigen. 
Ich babe das Thema der Eingeborenen- 
behandlung oft mit Gonverneuren der englischen 
Kolonien besprochen und weiß, wie sie über die 
deutsche Eingeborenenpolitik denken. Ich will mich 
im Interesse der Herreun Gouverneure enthalten, 
ihre damaligen Aussagen wiederzugeben, denn es 
gilt im heutigen England schon fast als Hoch- 
verrat, den Feind auch nur vor dem Kriege 
einmal gerecht beurteilt zu haben. Nur so viel 
möchte ich sagen: Die Engländer wissen ganz 
genau, daß ihre Anklagen gegen unsere koloniale 
Vergangenheit auf trügerischem Boden gebaut sind, 
und sie missen auch, wie viele Zeugen zu 
unsern Gunsten in England selbst vor- 
handen sind. Zwar ist es gelungen, diese 
Zeugen durch einen ungeheueren Terrorismus 
mundtot zu machen, aber hier und da haben sie 
sich doch mit einem schüchternen Protest aus 
Tageslicht gewagt, soweit sie nicht wie Morel 
wegen Wahrheitsagens im Gefängnis sitzen. Aus 
diesem Grunde hat das englische Propaganda- 
bureau neuerdings befohlen, nicht unsere koloniale 
Vergangenheit, sondern unsere Behandlung der 
Eingeborenen während des Krieges in den Vorder- 
grund zu stellen. Hier kann sich die Phantasie 
ungestört tummeln. Wir stehen nicht in Ver- 
bindung mit unseren kämpfenden Landsleuten und 
vermögen sie nicht zu verteidigen, geschweige denn, 
daß sie es selbst könnten. Eine ideale Sitnation 
für Reuter, um ohne Furcht vor Gegenbeweisen 
an die Arbeit zu gehen! 
Sicher aber ist dieses Eine: Viele Engländer, 
die gegen unsere afrikanischen Truppen gekämpft 
haben, schämen sich, daß man sich nicht scheut, 
ihren tapferen Gegner mit Schmutz zu bewerfen. 
Oft ist es ihnen schwer genug geworden, gegen 
ihre Kameraden von gestern, gegen ihre Milt- 
  
arbeiter an einer großen Kulturaufgabe schwarze 
Armeen führen zu müssen. Ich vertraue, daß 
die Gestalt des Generals v. Lettow-Vorbeck in 
den feindlichen Annalen dieses Krieges dereinst 
eine ebenso sagenhafte Größe haben wird wie in 
den unsrigen. Wir haben das größte Interesse 
daran, nach dem Kriege die gesamten Greuel- 
behauptungen der Engländer einer internationalen 
Untersuchung und Aufklärung zuzuführen aber 
auch heute dürfen wir nicht stillhalten. Wir 
sind es unserer kämpfenden Truppe draußen 
schuldig, ihre Verleumder an den Pranger zu 
bringen. Wir haben wahrhaftig keine Neigung 
zu Greuelpropaganda, wir haben uns lange 
geung vielleicht allzu spröde geweigert, mit un- 
serem Anklagematerial herauszukommen, um nicht 
mitschuldig zu werden an der entsetzlichen Völker- 
verhetzung. Heute aber stehe ich nicht an zu er- 
klären, und ich werde für diese Erklärung den 
Beweis bringen: Sollte Englands Gesinnung und 
Praxis in den Kolonien während des Krieges 
als Kriterinm herangezogen werden für sein 
Recht, noch weiter die Vormundschaft über sar- 
bige Bölkerschaften zu führen wohlgemerkt, 
im Namen der Menschheit zu fordern, daß Eng- 
land seine sämtlichen Kolonien herausgibt und 
unter internationale Kontrolle stellt! Meine Au- 
klage ruht auf unangreifbarem Grunde. Ich führe 
nur das an, was englische Untersuchungen selbst 
festgestellt haben und was als Grundsaßz der 
neuen englischen Kolonialpolitit aus den aul 
lichen Handlungen während des Krieges solbst 
hervorgeht. 
Vor mir liegt der Bericht des Gonverneurs von 
Ceylon, aus dem der Manchester Guardian vom 
2. 11. d. Is. einen kurzen Auszug veröffentlicht 
über die Maßnahmen der englischen Lokal- 
behörden zur Unterdrückung der Unruhen in Ceylon 
im Frühling 1915. In Wahrheit aus religiösen 
Streitigkeiten zwischen Moors und Singhalesen 
entstanden, wurden diese Unruhen als Aufruhr 
gegen die britische Herrschaft umgefälscht und ein 
erbarmungsloses Strafgericht wurde ins Werk ge- 
setzt. Nachdem längst alles bernhigt war, wurden 
Singhalesen ohne irgendeine Art von Verhör er- 
schossen. In keinem der untersuchten Fälle von 
Hinrichtung konnte selbst auf Grundlage des
	        
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