Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVIII. Jahrgang, 1917. (28)

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bei der Ubergabe von Garna für diese Eingebo- 
renen, treun ergebene Häuptlinge, Dolmetscher, 
Schreiber usw. bei dem englischen Oberst Cunliffe 
besonders verwendet. Schonung der Leute war 
ihm zugesagt. Trotzdem wartete ihrer der Galgen, 
da französischer Rachedurst gestillt sein wollte, der 
deutsche Name in den Staub getreten werden 
mußte. Der nachstehende Auszug aus dem Be- 
richt des deutschen Führers gibt über dieses 
traurige, die französische Ehre befleckende Begeb- 
nis nähere Auskunft: 
„In Yola erfuhr ich durch unsere Hausjungens, 
daß die Franzosen in Garua folgende Eingeborene: 
die von uns eingesetzten Lamidos von Marna, 
Mendif und Kalfu, den Agia Gambo von Binder, 
meinen Dolmetscher Kofa und den Schreiber Mamadu, 
der früher in Marna war, aufgehängt bzw er- 
schossen haben. Ich hatte diesen Eingeborenen in 
Gegenwart des englischen Leutnants Strong durch 
den Dolmetscher Kofa sagen lassen, daß mir von den 
Englindern versprochen worden ist, daß den Ein- 
geborenen, die uns in dem Kriege geholf u haben, 
nichts geschähe und daß sie aus diesem Grunde 
ruhig in Garua bleiben sollten. Nachdem mir durch 
den englischen Haupimann Bike die Nachricht von 
der Hinrichtung der vorgenannten Eingeborenen be- 
stätigt worden war, bat ich um eine Unterredung 
mit dem englischen Generalstabsoffizier, dem Moajor 
Wright, die in Gegenwart des Adjutanten Wrights 
und des Residenten von ola, Webster, der als 
Dolmetscher diente, stattfand. Ich legte gegen das 
Verfahren der Franzosen, als unserer Abmachung 
widersprechend, Protest ein. Major Wright sagte 
mir darauf, daß er die Sache sehr bedaure, daß die 
Engländer aber gegen die Frangosen nichts machen 
könnten und daß er aus diesem Grunde die Ab- 
machung auch nicht schriftlich jestgelegt habe. Ich 
erwiderte darauf, daß mir von einer Ungültigkeit 
dieser Abmachung nichts mitgeteilt worden sei, und 
daß ich durch den Umstand, daß die Angelegenheit 
nicht sofort schriftlich firiert wurde, nicht auf eine 
Ungültigkeit dieser Abmachung schließen konnte. 
Major Wright gab das zu, bedauerte die Sache, 
sagte, gegen die Frangosen hätten sie nichts machen 
lönnen. Die Engländer, sagte Wright, seien mitl 
dem Vorgehen der Franzosen nicht einverstanden 
gewesen und hätten dieserhalb auch an den General= 
gonverneur von Lagos berichtet. Ich bat darauf, 
dies: Unterredung als eine offizielle betrachten zu 
wollen und teilte dem Major Wright weiter mit, 
daß ich nach Friedensschluß meiner vorgesetzten Be- 
börde von dieser Angrlegenheit Meldung machen 
würde, weil durch den Vertragsbruch der Kranzosen 
ich und Hauptmann Dühring den Eingeborenen 
gegenüber als wortbrüchig erschienen und durch diese 
Angelegenh it das Ansehen der Deutschen in Nord- 
lamerun auf das schwerste geschädigt worden sei. 
Damit endete die Unterredung. Ich hatte die lUber- 
zeugung, daß die Engländer das Vorgehen der 
Franzosen auf das schärjste mißbilligen. Nach der 
Unterredung ergählte mir Herr Webster, daß die 
Franzosen sich noch mehr räche: wollten, daß dies 
aber durch die Engländer verhindert worden sei.“ 
Die Hinrichtung der der deutschen Herrschaft 
bis zum Tode treu ergebenen Eingeborenen in 
Garua genügte dem Führer der Franzosen noch 
nicht; eine weitere Schändung des deutschen Namens 
  
hatte er geplant. Deutsche Offiziere und Unter- 
offiziere sollten unter Führung französischr Offi- 
ziere und bewacht von Spahis und Senegalschützen 
wie gebändigte Sklaven von Garna bis zum Lo- 
gone und wieder zurück durch das Land getrieben 
werden, das sie bislang als Stationschefs oder 
Postenführer verwaltet hatten! Um den Reiz des 
Schauspiels zu erhöhen, das sich an die niedrigsten 
Instinkte von Negern wandte, und gleichzeitig das 
eigene Rachebedürfnis zu befriedigen, forderten die 
Franzosen für den geplanten Triumphzug aus 
der Zahl der europäischen Kriegsgefangenen die 
Angehörigen der 12. Kompagnie. Sie sollten 
dafür nachträglich gezüchtigt werden, daß sie bei 
Lai und Golombe französischen Truppen blutige 
Niederlagen beigebracht hatten. Die Bestimmungen 
des Ubergabevertrages, die den Kriegsgefangenen 
ehrenvolle Behandlung und Sicherung ihres per- 
sönlichen Eigentums zugebilligt hatten, waren ver- 
gessen, sobald die Kriegsgefangenen französischer 
Obhut übergeben waren. Daß der Oberst Cun- 
liffe, der den Vertrag mit dem Hauptmann Frei- 
herrn v. Crailsheim abgeschlossen hatte, wußte, 
welchem Geschick die den Franzosen überlassenen 
deutschen Kriegsgefangenen entgegengingen, geht 
aus den Beileidsbezeugungen seiner Offiziere her- 
vor. Trotzdem wollte oder konnte er den Ent- 
schluß seines Unterführers nicht ändern. 
Am 12. Juni 1915 in den späten Nachmittags- 
stunden begann der Marsch der Kriegsgefangenen, 
dessen Ziel Fort Lamy war. Er erfolgte auf 
der Straße Gi#rna—Golombe —Binder —Bongor 
am Logone. Von hier sollten die Gefangenen im 
Stahlboot nach Fort Lamy gebracht werden. Vor 
dem Abmarsch aus Garua wurde das wenige Ge- 
päck, welches das Diebsgelüste weißer und farbiger 
Sieger bislang verschmäht hatie, von dem Trans- 
portführer noch einmal durchstöbert. Was irgend- 
wie noch begehrenswert erschien, verschwand noch 
jetzt. Auch die farbigen Diener, die man den 
Gefangenen noch belassen hatte, bereicherten sich 
jetzt, angesteckt durch die unverhohlene Beutegier 
französischer Offziere und Unteroffiziere, an der 
kärglichen Habe ihrer Herren. „Ich habe keine 
Bettdecke mehr von dreien“, schrieb der kürzlich 
aus französischer Kriegsgefangenschaft heimgekehrte 
Stabsarzt Dr. Bergéat in sein Tagebuch, „die ich 
noch heute besaß, kein anderes Paar Stiefel mehr, 
außer diesem, das ich trage, keinen Mantel mehr. 
Was werden wir noch unser eigen nennen, wenn 
wir in Fort Lamy sind?“ 
Nach dem Entlaufen der Mehrzahl der die- 
bischen Jungens stand den Kriegsgefangenen kaum 
noch die Bedienung zur Verfügung, die den Euro- 
päern in den Tropen unentbehrlich ist. Die ge- 
wöhnlichsten häuslichen Verrichtungen mußten sie 
nun, bald ungeschützt den sengenden Strahlen der
	        
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