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bei der Ubergabe von Garna für diese Eingebo-
renen, treun ergebene Häuptlinge, Dolmetscher,
Schreiber usw. bei dem englischen Oberst Cunliffe
besonders verwendet. Schonung der Leute war
ihm zugesagt. Trotzdem wartete ihrer der Galgen,
da französischer Rachedurst gestillt sein wollte, der
deutsche Name in den Staub getreten werden
mußte. Der nachstehende Auszug aus dem Be-
richt des deutschen Führers gibt über dieses
traurige, die französische Ehre befleckende Begeb-
nis nähere Auskunft:
„In Yola erfuhr ich durch unsere Hausjungens,
daß die Franzosen in Garua folgende Eingeborene:
die von uns eingesetzten Lamidos von Marna,
Mendif und Kalfu, den Agia Gambo von Binder,
meinen Dolmetscher Kofa und den Schreiber Mamadu,
der früher in Marna war, aufgehängt bzw er-
schossen haben. Ich hatte diesen Eingeborenen in
Gegenwart des englischen Leutnants Strong durch
den Dolmetscher Kofa sagen lassen, daß mir von den
Englindern versprochen worden ist, daß den Ein-
geborenen, die uns in dem Kriege geholf u haben,
nichts geschähe und daß sie aus diesem Grunde
ruhig in Garua bleiben sollten. Nachdem mir durch
den englischen Haupimann Bike die Nachricht von
der Hinrichtung der vorgenannten Eingeborenen be-
stätigt worden war, bat ich um eine Unterredung
mit dem englischen Generalstabsoffizier, dem Moajor
Wright, die in Gegenwart des Adjutanten Wrights
und des Residenten von ola, Webster, der als
Dolmetscher diente, stattfand. Ich legte gegen das
Verfahren der Franzosen, als unserer Abmachung
widersprechend, Protest ein. Major Wright sagte
mir darauf, daß er die Sache sehr bedaure, daß die
Engländer aber gegen die Frangosen nichts machen
könnten und daß er aus diesem Grunde die Ab-
machung auch nicht schriftlich jestgelegt habe. Ich
erwiderte darauf, daß mir von einer Ungültigkeit
dieser Abmachung nichts mitgeteilt worden sei, und
daß ich durch den Umstand, daß die Angelegenheit
nicht sofort schriftlich firiert wurde, nicht auf eine
Ungültigkeit dieser Abmachung schließen konnte.
Major Wright gab das zu, bedauerte die Sache,
sagte, gegen die Frangosen hätten sie nichts machen
lönnen. Die Engländer, sagte Wright, seien mitl
dem Vorgehen der Franzosen nicht einverstanden
gewesen und hätten dieserhalb auch an den General=
gonverneur von Lagos berichtet. Ich bat darauf,
dies: Unterredung als eine offizielle betrachten zu
wollen und teilte dem Major Wright weiter mit,
daß ich nach Friedensschluß meiner vorgesetzten Be-
börde von dieser Angrlegenheit Meldung machen
würde, weil durch den Vertragsbruch der Kranzosen
ich und Hauptmann Dühring den Eingeborenen
gegenüber als wortbrüchig erschienen und durch diese
Angelegenh it das Ansehen der Deutschen in Nord-
lamerun auf das schwerste geschädigt worden sei.
Damit endete die Unterredung. Ich hatte die lUber-
zeugung, daß die Engländer das Vorgehen der
Franzosen auf das schärjste mißbilligen. Nach der
Unterredung ergählte mir Herr Webster, daß die
Franzosen sich noch mehr räche: wollten, daß dies
aber durch die Engländer verhindert worden sei.“
Die Hinrichtung der der deutschen Herrschaft
bis zum Tode treu ergebenen Eingeborenen in
Garua genügte dem Führer der Franzosen noch
nicht; eine weitere Schändung des deutschen Namens
hatte er geplant. Deutsche Offiziere und Unter-
offiziere sollten unter Führung französischr Offi-
ziere und bewacht von Spahis und Senegalschützen
wie gebändigte Sklaven von Garna bis zum Lo-
gone und wieder zurück durch das Land getrieben
werden, das sie bislang als Stationschefs oder
Postenführer verwaltet hatten! Um den Reiz des
Schauspiels zu erhöhen, das sich an die niedrigsten
Instinkte von Negern wandte, und gleichzeitig das
eigene Rachebedürfnis zu befriedigen, forderten die
Franzosen für den geplanten Triumphzug aus
der Zahl der europäischen Kriegsgefangenen die
Angehörigen der 12. Kompagnie. Sie sollten
dafür nachträglich gezüchtigt werden, daß sie bei
Lai und Golombe französischen Truppen blutige
Niederlagen beigebracht hatten. Die Bestimmungen
des Ubergabevertrages, die den Kriegsgefangenen
ehrenvolle Behandlung und Sicherung ihres per-
sönlichen Eigentums zugebilligt hatten, waren ver-
gessen, sobald die Kriegsgefangenen französischer
Obhut übergeben waren. Daß der Oberst Cun-
liffe, der den Vertrag mit dem Hauptmann Frei-
herrn v. Crailsheim abgeschlossen hatte, wußte,
welchem Geschick die den Franzosen überlassenen
deutschen Kriegsgefangenen entgegengingen, geht
aus den Beileidsbezeugungen seiner Offiziere her-
vor. Trotzdem wollte oder konnte er den Ent-
schluß seines Unterführers nicht ändern.
Am 12. Juni 1915 in den späten Nachmittags-
stunden begann der Marsch der Kriegsgefangenen,
dessen Ziel Fort Lamy war. Er erfolgte auf
der Straße Gi#rna—Golombe —Binder —Bongor
am Logone. Von hier sollten die Gefangenen im
Stahlboot nach Fort Lamy gebracht werden. Vor
dem Abmarsch aus Garua wurde das wenige Ge-
päck, welches das Diebsgelüste weißer und farbiger
Sieger bislang verschmäht hatie, von dem Trans-
portführer noch einmal durchstöbert. Was irgend-
wie noch begehrenswert erschien, verschwand noch
jetzt. Auch die farbigen Diener, die man den
Gefangenen noch belassen hatte, bereicherten sich
jetzt, angesteckt durch die unverhohlene Beutegier
französischer Offziere und Unteroffiziere, an der
kärglichen Habe ihrer Herren. „Ich habe keine
Bettdecke mehr von dreien“, schrieb der kürzlich
aus französischer Kriegsgefangenschaft heimgekehrte
Stabsarzt Dr. Bergéat in sein Tagebuch, „die ich
noch heute besaß, kein anderes Paar Stiefel mehr,
außer diesem, das ich trage, keinen Mantel mehr.
Was werden wir noch unser eigen nennen, wenn
wir in Fort Lamy sind?“
Nach dem Entlaufen der Mehrzahl der die-
bischen Jungens stand den Kriegsgefangenen kaum
noch die Bedienung zur Verfügung, die den Euro-
päern in den Tropen unentbehrlich ist. Die ge-
wöhnlichsten häuslichen Verrichtungen mußten sie
nun, bald ungeschützt den sengenden Strahlen der