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haltung dieses Verkehrsnetzes arbeiteten die Ein-
geborenen mit dem ganz besonderen Eifer, zu
dem sie in Kamerun frühzeitig erzogen worden
waren. Die überall gleich gut gehaltenen Wege
waren eines der bemerkenswertesten Kennzeichen
deutscher Verwaltung im tropischen Afrika.
Derselbe Geist sprach aus Anlage und Aus-
sehen der Dörfer und ihrer Farmen. Davon
konnte man sich im tagelangen Umherstreifen
durch die Siedelungen auf Schritt und Tritt
überzeugen. Da war kein Dorf, das nicht die
Stammesart seines Erbauers tren zur Schau
trug und das nicht zugleich Zeugnis ablegte von
dem anerzogenen Sinn seiner Bewohner für
Ordnung, Sauberkeit und Behaglichkeit. Das
eigentliche Siedelungsgebiet der Häuptlinge war
durch zwei tiefe Schluchten, die quer zur Hauptstraße
nach dem Meere ausliefen, in drei natürliche Ab-
schnitte geteilt. Einem jeden von ihnen hatten
die darauf angesiedelten Kamerunstämme etwas
von ihrer besonderen Eigenart mitgeteilt.
Den weitaus größten Teil, den man von San
Carlos aus zunächst erreichte, hatten die Jaunde-
stämme und einige ihrer Nachbarn inne, hier
sämtlich vereint unter dem Oberhäuptling Atangana
von Jaunde. Ein getreues Abbild der Dörfer in
dem einst von dem bekannten Major Dominik
eingerichteten Jaundebezirk boten diese Nieder-
lassungen dar, die hier in wenigen Monaten aus
dem Urwald heraus geschaffen worden waren, so
die größeren Dörfer mit ihren langen Rinden-
häusern zu beiden Seiten der breiten Dorsstrabe,
die auf dasquer te größere Ver
haus auslief, die kleineren inmitten ihrer garten-
artigen Farmen und schließlich die Einzelgehöfte
der einflußreichen Häuptlinge, deren Bau schon
etwas an Europäerhäuser erinnerte. Durchquerte
man auf der kunstvollen Buschbrücke die Schlucht
am Westausgang der Jaundesiedlung, so betrat
man die Wohnstäten der anderen Häuptlinge, so-
weit sie nicht Mohammedaner waren. Die meisten
Gehöfte unterschieden sich kaum von denen ihrer
Nachbarn, an die sie auch in Kamerun angrenzten,
bei einigen wies allerdings schon das auf hohen
Pfählen gebaute Häuptlingshaus auf besondere
Stammesbauart hin, und schließlich traf man auch
auf Häuser, deren spitze, steile Dächer, deren Holz-
bekleidung und bunte Verzierung den Einfluß der
nördlichen und östlichen Graslandbewohner ver-
rieten. Alle diese Siedelungen standen denen der
Jaundes an Ansehnlichkeit nicht nach; sie zeigten,
daß unter deutscher Verwaltung alle Eingeborenen-
stämme durchweg in gleicher Weise zu arbeit-
samen, ordnungsliebenden Menschen erzogen
worden waren, ohne bei alledem ihre angestammte
Eigenart verloren zu haben.
Davon zeugte schließlich auch nicht minder der
dritte Abschnitt der Siedelung, den die moham-
medanischen Großen des Graslandes innehatten,
die Fulbes, Haussahs, Kanuris und nördlichen
Lakas. Sie unterstanden sämtlich dem Adja
Lisida von Ngaundere. — Als letzte von allen
waren sie erst zur Ruhe gekommen, nachdem sie
monatelang getrennt von den anderen Einge-
borenen in der Nähe von Groß-Bokoko gehaust
und die gut 2 Stunden lange Wegstrecke nach
Klein-Bokoko ausgebaut hatten. Trotzdem waren
hier die Bewohner des Kameruner Graslandes
mit unermüdlichem Fleiß ans Werk gegangen,
um aus dem beengenden Busch heraus weit aus-
gedehnte offene Flächen zu schaffen, die ihnen
etwas wenigstens ihre ferne sonnenbeschienene
Heimat vorzutäuschen vermochten. Mehrere hundert
Meter lagen die einzelnen Wohnstätten der Großen
voneinander ab, eine jede von rauschenden Mais-
feldern umgeben, und an der äußersten Ecke der
ganzen Siedelung erhob sich am Strand das weite
Gehöft des Adja mit stattlichen Holzhäusern,
Frauenwohnungen und Ställen.
Leicht, wie aus dem Nichts entsprungen, stand
so das Bild der Siedelung vor dem Blick des
Beschauers da. Und doch konnte man leicht er-
kennen, welche mühselige Arbeit erst von den knapp
1500 arbeilsfähigen Leuten getan werden mußte,
ehe das Werk der Urwildnis abgerungen war.
Um so höher aber stehen die Leistungen der
deutschen Eingeborenen da, wenn man bedenkt,
mit welchen Widerwärtigkeiten sie auch auf Fer-
nando Poo die ersten Monate hatten kämpfen
müssen. Zwar einen Urwald nach heimischer Art
hatten sie hier bei ihrer Ankunft vorgefunden, aber
keine Farmen darin, um daraus die nötige
Nahrung zu holen, und keine Hütten und Dörfer,
um Schutz vor Kälte und Nässe zu finden. An-
fangs lieferte die spanische Regierung Verpflegung
genug; aber je mehr Siedler herüberkamen, um
so knapper wurden die Lieferungen; und als die
Kameruner eben ein Unterkommen gefunden
hatten, da mußte ihnen das Hinterland von der
spanischen Regierung gesperrt und der Marktver-
kehr mit den Eingeborenen verboten werden, weil
deren Farmen erschöpft waren. Wiederum wurde
der Hunger ihr ärgster Feind; und gerade in die
sechsmonatige Zeit der Entbehrungen fiel die
Hauptarbeit, das Schlagen und Roden des
Urwaldes und die erste Anlage der Farmen.
Daß die hartgeprüften Leute trotzdem nie den
Mut verloren, daß sie über alle Widerwärtig-
keiten stark und tapfer hinwegkamen, daß sie
schließlich ernten konnten wo sie gesäet hatten,
daß in ihren friedlichen Dörfern wieder Gesang,
Tanz und Spiel lebendig wurden, das wird jeden
Deutschen Kameruns mit Freude und Genugtuung
erfüllen; mit berechtigtem Stolz aber darf es den