Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXX. Jahrgang, 1919. (30)

W# 49 20 
haltung dieses Verkehrsnetzes arbeiteten die Ein- 
geborenen mit dem ganz besonderen Eifer, zu 
dem sie in Kamerun frühzeitig erzogen worden 
waren. Die überall gleich gut gehaltenen Wege 
waren eines der bemerkenswertesten Kennzeichen 
deutscher Verwaltung im tropischen Afrika. 
Derselbe Geist sprach aus Anlage und Aus- 
sehen der Dörfer und ihrer Farmen. Davon 
konnte man sich im tagelangen Umherstreifen 
durch die Siedelungen auf Schritt und Tritt 
überzeugen. Da war kein Dorf, das nicht die 
Stammesart seines Erbauers tren zur Schau 
trug und das nicht zugleich Zeugnis ablegte von 
dem anerzogenen Sinn seiner Bewohner für 
Ordnung, Sauberkeit und Behaglichkeit. Das 
eigentliche Siedelungsgebiet der Häuptlinge war 
durch zwei tiefe Schluchten, die quer zur Hauptstraße 
nach dem Meere ausliefen, in drei natürliche Ab- 
schnitte geteilt. Einem jeden von ihnen hatten 
die darauf angesiedelten Kamerunstämme etwas 
von ihrer besonderen Eigenart mitgeteilt. 
Den weitaus größten Teil, den man von San 
Carlos aus zunächst erreichte, hatten die Jaunde- 
stämme und einige ihrer Nachbarn inne, hier 
sämtlich vereint unter dem Oberhäuptling Atangana 
von Jaunde. Ein getreues Abbild der Dörfer in 
dem einst von dem bekannten Major Dominik 
eingerichteten Jaundebezirk boten diese Nieder- 
lassungen dar, die hier in wenigen Monaten aus 
dem Urwald heraus geschaffen worden waren, so 
die größeren Dörfer mit ihren langen Rinden- 
häusern zu beiden Seiten der breiten Dorsstrabe, 
die auf dasquer te größere Ver 
haus auslief, die kleineren inmitten ihrer garten- 
artigen Farmen und schließlich die Einzelgehöfte 
der einflußreichen Häuptlinge, deren Bau schon 
etwas an Europäerhäuser erinnerte. Durchquerte 
man auf der kunstvollen Buschbrücke die Schlucht 
am Westausgang der Jaundesiedlung, so betrat 
man die Wohnstäten der anderen Häuptlinge, so- 
weit sie nicht Mohammedaner waren. Die meisten 
Gehöfte unterschieden sich kaum von denen ihrer 
Nachbarn, an die sie auch in Kamerun angrenzten, 
bei einigen wies allerdings schon das auf hohen 
Pfählen gebaute Häuptlingshaus auf besondere 
Stammesbauart hin, und schließlich traf man auch 
auf Häuser, deren spitze, steile Dächer, deren Holz- 
bekleidung und bunte Verzierung den Einfluß der 
nördlichen und östlichen Graslandbewohner ver- 
rieten. Alle diese Siedelungen standen denen der 
Jaundes an Ansehnlichkeit nicht nach; sie zeigten, 
daß unter deutscher Verwaltung alle Eingeborenen- 
stämme durchweg in gleicher Weise zu arbeit- 
samen, ordnungsliebenden Menschen erzogen 
worden waren, ohne bei alledem ihre angestammte 
Eigenart verloren zu haben. 
Davon zeugte schließlich auch nicht minder der 
  
dritte Abschnitt der Siedelung, den die moham- 
medanischen Großen des Graslandes innehatten, 
die Fulbes, Haussahs, Kanuris und nördlichen 
Lakas. Sie unterstanden sämtlich dem Adja 
Lisida von Ngaundere. — Als letzte von allen 
waren sie erst zur Ruhe gekommen, nachdem sie 
monatelang getrennt von den anderen Einge- 
borenen in der Nähe von Groß-Bokoko gehaust 
und die gut 2 Stunden lange Wegstrecke nach 
Klein-Bokoko ausgebaut hatten. Trotzdem waren 
hier die Bewohner des Kameruner Graslandes 
mit unermüdlichem Fleiß ans Werk gegangen, 
um aus dem beengenden Busch heraus weit aus- 
gedehnte offene Flächen zu schaffen, die ihnen 
etwas wenigstens ihre ferne sonnenbeschienene 
Heimat vorzutäuschen vermochten. Mehrere hundert 
Meter lagen die einzelnen Wohnstätten der Großen 
voneinander ab, eine jede von rauschenden Mais- 
feldern umgeben, und an der äußersten Ecke der 
ganzen Siedelung erhob sich am Strand das weite 
Gehöft des Adja mit stattlichen Holzhäusern, 
Frauenwohnungen und Ställen. 
Leicht, wie aus dem Nichts entsprungen, stand 
so das Bild der Siedelung vor dem Blick des 
Beschauers da. Und doch konnte man leicht er- 
kennen, welche mühselige Arbeit erst von den knapp 
1500 arbeilsfähigen Leuten getan werden mußte, 
ehe das Werk der Urwildnis abgerungen war. 
Um so höher aber stehen die Leistungen der 
deutschen Eingeborenen da, wenn man bedenkt, 
mit welchen Widerwärtigkeiten sie auch auf Fer- 
nando Poo die ersten Monate hatten kämpfen 
müssen. Zwar einen Urwald nach heimischer Art 
hatten sie hier bei ihrer Ankunft vorgefunden, aber 
keine Farmen darin, um daraus die nötige 
Nahrung zu holen, und keine Hütten und Dörfer, 
um Schutz vor Kälte und Nässe zu finden. An- 
fangs lieferte die spanische Regierung Verpflegung 
genug; aber je mehr Siedler herüberkamen, um 
so knapper wurden die Lieferungen; und als die 
Kameruner eben ein Unterkommen gefunden 
hatten, da mußte ihnen das Hinterland von der 
spanischen Regierung gesperrt und der Marktver- 
kehr mit den Eingeborenen verboten werden, weil 
deren Farmen erschöpft waren. Wiederum wurde 
der Hunger ihr ärgster Feind; und gerade in die 
sechsmonatige Zeit der Entbehrungen fiel die 
Hauptarbeit, das Schlagen und Roden des 
Urwaldes und die erste Anlage der Farmen. 
Daß die hartgeprüften Leute trotzdem nie den 
Mut verloren, daß sie über alle Widerwärtig- 
keiten stark und tapfer hinwegkamen, daß sie 
schließlich ernten konnten wo sie gesäet hatten, 
daß in ihren friedlichen Dörfern wieder Gesang, 
Tanz und Spiel lebendig wurden, das wird jeden 
Deutschen Kameruns mit Freude und Genugtuung 
erfüllen; mit berechtigtem Stolz aber darf es den
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.