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liegt die Erfüllung der Anzeigepflicht jeder mit der Behandlung
oder Pfiege des Erkrankten beschäftigten Person ob. Hat z.B.
eine allein wohnende Person bei ihrer Erkrankung nicht einen Arzt,
sondern einen Kurpfuscher zugezogen, so hat dieser die Anzeige zu
erstatten. Hat sie niemand zur Behandlung, wohl aber eine Person
zur Wartung und Pflege angenommen, so liegt dieser die Erstattung
der Anzeige ob.
Man hat an mancher Stelle bemängelt, daß die Kurpfuscher
nicht neben den Ärzten an erster Stelle genannt worden sind, und be-
fürchtet, daß diese Bestimmung manche Familie dazu verleiten könnte,
aus Furcht vor der Anzeige statt eines Arztes einen Kurpfuscher zu-
zuziehen, weil die Kurpfuscher sich vielfach durch Unterlassung der
Anzeige bei der Bevölkerung beliebt zu machen suchen. Wenn dieser
Befürchtung auch eine gewisse Berechtigung nicht abzusprechen ist,
so konnten die Anzeigepflichtigen doch nicht gut in eine andere
Reihenfolge gebracht werden, da die Kurpfuscher nicht mit den Ärzten
auf dieselbe Stufe gestellt werden durften. Da die Kurpfuscher
übrigens erfahrungsgemäß sich vor Gericht hinter ihrer angeblichen
Unkenntnis zu verstecken pflegen, während sie sich der Bevölkerung
gegenüber als den Ärzten an Erfahrung überlegen hinzustellen belieben,
so erschien es zweckmäliger, die Haushaltungsvorstände, welche ge-
wissenlos genug sind, ihren erkrankten Angehörigen ärztliche Hilfe
vorzuenthalten, in erster Linie für die Erstattung der Anzeige ver-
antwortlich zu machen.
Der oben abgedruckte Satz aus den allgemeinen Ausführungs-
bestimmungen zu $2 des preußischen Gesetzes hat den Zweck, Personen,
welche einem Kranken gelegentlich eines verwandtschaftlichen oder
freundschaftlichen Besuches einen Rat erteilen oder eine Handreichung
tun, davor zu bewahren, für die etwaige Unterlassung der Anzeige der
Erkrankung zur Rechenschaft gezogen zu werden. Dagegen soll damit
nicht gesagt werden, daß nur solche Personen anzeigepflichtig seien,
die aus der Behandlung oder Pflege ein Gewerbe machen, da gerade
z. B. Diakonissen, Gemeindeschwestern o. dgl., welche die Pflege von
Kranken auch berufsmäßig, aber nicht gegen Entgelt ausüben, be-
sonders berufen erscheinen, die Behörden bei der Durchführung der
Seuchengesetze zu unterstützen.
4. Daß demjenigen, in dessen Wohnung oder Be-
hausung der Erkrankungs- oder Todesfall sich ereignet
hat, eine Anzeigepflicht auferlegt wird, ist nicht neu; schon das
preußische Regulativ von 1835 legt den Hauswirten an zweiter
Stelle die Anzeigepflicht auf, während sie im Reichsgesetz erst an
vierter Stelle stehen. Sie können in der Liste der zur Anzeige ver-
pflichteten Personen nicht fehlen; wer sollte z. B. in einer Familie,