Beschwerde. 321
dritte Art, nämlich eine weitere B., hinzufügt, indem er den singulären Fall
des § 352 l. c. betont. Es steht zu einerseits der Staatsanwaltschaft, die es vermöge
der ihr in dem Verfahren angewiesenen Stellung ebensowol zum Nachtheil wie zu
Gunsten des Angeklagten gebrauchen kann, dem Nebenkläger, der nach erfolgtem
Anschluß alle Rechtsmittel selbständig einlegen kann (X 441), und dem Privat-
kläger, andererseits dem Angeklagten, seinem Vertheidiger, jedoch nicht gegen seinen
ausdrücklich erklärten Willen, seinem gesetzlichen Vertreter und, wenn eine Ehefrau
angeklagt worden, auch dem Ehemanne, und zwar den beiden letzteren aus eigenem
Rechte. In dem Verfahren gegen Abwesende und in dem wegen Entziehung der
Wehrpflicht ist der Kreis der Berechtigten dahin erweitert, daß auch den Angehörigen
des Angeklagten das Recht gewährt wird (§ 322 I. c.). Es steht endlich auch
den Zeugen und Sachverständigen sowie denjenigen Personen zu, welche durch die
anzufechtende Entscheidung betroffen werden, wie z. B. denjenigen, welchen in Folge
ihres Verhaltens die Kosten der Untersuchung auferlegt werden, und zwar nicht
allein dann, wenn eine benachtheiligende Verfügung bereits ergangen, z. B. die
Straffestsetzung oder Beschlagnahme erfolgt ist, sondern auch schon dann, wenn eine
derartige Maßnahme angedroht wird.
Die Ausübung des B.rrechts ist mit Rücksicht auf den die Ermittlung der
Wahrheit anstrebenden Zweck des Strafverfahrens so wenig als möglich beengt,
und sind ihr weder in formeller, noch materieller Hinsicht Schranken gesetzt. Dem-
gemäß ist sie nur bei der sofortigen, nicht auch bei der einfachen B. an eine Präklufiv=
frist gebunden. Es kann das Rechtsmittel in jedem Falle in einem formlosen
Schriftsatze oder zu Protokoll des Gerichtsschreibers angebracht und durch An-
führung neuer Thatsachen oder Beweismittel gerechtfertigt werden. Streitig ist es,
ob auch im Falle des § 412 I. c. ein formloser Schriftsatz genügt, während doch
nach § 406 der zurückgewiesene Antrag selbst nur in einer von einem Rechtsanwalt
unterzeichneten Schrift gestellt werden kann. Die Motive, welche die letztere Vor-
schrift dahin rechtfertigen, daß der Richter nicht durch unbegründete Anträge be-
lästigt werden soll, treffen auch bei § 412 zu.
Die B. ist bei dem Gericht anzubringen, von welchem oder dessen Vorsitzenden
die angefochtene Entscheidung ausgegangen ist, und ist dieses bzw. der Vorsitzende
ohne Zuziehung des Gerichts, wenn seine Verfügung angegriffen wird, befugt, der
für begründet erachteten B. abzuhelfen, andernfalls aber verpflichtet, sie binnen
drei Tagen dem B gericht einzureichen. Es kann mit der Einreichung eine Recht-
fertigung der angefochtenen Entscheidung verbunden werden. Der Regel nach wird
dies unnöthig sein, weil nach § 34 l. c. alle durch ein Rechtsmittel anfechtbaren
Entscheidungen mit Gründen versehen sein müssen. In dringenden Fällen, in
welchen der Verzug Schaden bringen kann, ist es zulässig, dem B. gericht die B.
direkt einzureichen, welches bei Anerkennung der Dringlichkeit zur Prüfung und
Entscheidung schreitet, ohne abzuwarten, ob juder a duo selbst eine Aenderung der
angefochtenen Entscheidung herbeiführen will.
Die B., welche bis zu ihrer Entscheidung zurückgenommen werden kann, hat Sus-
pensiveffekt nur in dem einen Falle des § 81 l. c., wenn sie gegen den Beschluß ge-
richtet ist, nach welchem der Angeschuldigte behufs Untersuchung seines Geistes-
zustandes in eine öffentliche Irrenanstalt gebracht werden soll. Sie hält also den
Vollzug der angefochtenen Entscheidung nicht auf. Dagegen ist sowol juder a quo,
wie das B gericht ermächtigt, den Aufschub des Vollzugs bis nach erfolgter Erledi-
gung der Beschwerde anzuordnen. Da einestheils der Gegenstand derselben mehr
oder weniger tief das Interesse des Gegners des B führers berühren, andererseits
ihre Rechtfertigung auf neue Thatsachen und Beweise gestützt werden kann, ist das
B. gericht befugt, von dem Gegner unter abschriftlicher Mittheilung der Blcchrift
eine Gegenerklärung zu erfordern und vor der Beschlußfassung eine Erhebung des
neuen Beweises zu veranlassen. Es wird insbesondere die Auslassung des Gegners
gerade dann nothwendig werden, wenn neue und für die Sachlage erhebliche That-
v. Holtzendorff, Enc. II. Rechtslexikon I. 3. Aufl. 21