III. Auslegung der Rechtsnormen. 8 39. 129
rechtlich, zu schützen. Diese Auslegung bringt auch unserer
Industriegesetzgebung eine folgerichtige Ausgestaltung, sie
bietet die Hand zu einem in sich abgeschlossenen organischen
System. Dagegen müssen alle anderen Erwägungen zurück-
treten. Insbesondere bleibt es außer Betracht, daß die Be-
strebungen, welche das Musterschutzgesetz herbeigeführt haben,
durchaus keinen so tiefen Hintergrund hatten und mehr auf den
Schutz kleiner unbedeutender Gedanken, im Gegensatz zu den
„wahren Erfindungen“ hinzielten. Noch viel weniger kann aus
Äusserungen in Vorarbeiten und Parlamentsreden hiergegen
etwas Stichhaltiges entnommen werden. Jede Auslegung, die
von derartigen unrichtigen Gesichtspunkten ausgeht, ist ver-
fehlt und erfüllt die Anforderungen nicht, welche die Industrie
an das Recht stellt.
& 39.
1. Die frühere Auslegungsmetliode bestand aus lauter Iır-
tümern.') Sie verkannte die soziale Natur der Geistesschöpfung,
sie verkannte die Unendlichkeit des in den Worten verborgenen
Inhaltes, sie verkannte die Selbständigkeit des Gedankens
gegenüber dem Denkenden und Äussernden. Indem sie den
Gedanken zun Sklaven des Willens machte, kam sie zu dem
Satze: es gilt dasjenige, was der Gesetzgeber gewollt hat;
völlig verkehrt und völlig der Geschichte des menschlichen
Denkens widersprechend. Die Folge war, daß der Gedanken-
gehalt wesentlich verkürzt wurde und nur dasjenige als
geäußerter Gedanke galt, was von den Gesetzgebungsfaktoren
wirklich erfaßt und durch ihren Willen in die Welt gesetzt
war. Diese Methode schnürte die Jurisprudenz zusammen,
und an Stelle von System und Folgerichtigkeit trat historische
Willkür und individueller Sondergeist.
II. Eine solche Methode der Auslegung ist schon verkehrt,
wenn wir uns einen absoluten Monarchen denken, dessen ein-
facher Wille Gesetz ist; allerdings steht es einem solchen,
wenn er ein (zesetz gegeben, zu, dieses durch ein zweites, er-
1) Ansätze des richtigen fanden sich bei Schaffrath und bei von
Hahn; aber Schaffraths Ausführungen wurden von der früheren
Literatur geradezu als minderwertig erklärt, von Hahn wurde durch
Goldschmidt u. a. bekämpft.
Kohler, Lehrbuch des bürgerlichen Rechts. I. 9