1350 1. Buch. 11I. Abschn. Bildung der Rechtsordnung (Reehtsnormen).
läuterndes Gesetz zu erklären; aber diese Erklärung wirkt
dann nicht deshalb, weil sie den Gedanken des ersten Ge-
setzes kundgıibt, sondern deshalb, weil sie ein zweites Gesetz
darstellt. Wäre aber die Staatsverfassung derart, daß auch
der absolute Herrscher mindestens eine Form wahren müßte,
um seinen Willen zum Gesetz zu machen, z.B. die Form der
Veröffentlichung, so wäre es sicher, daß etwa seine Tage-
bücher und geheimen Aufzeichnungen zur Auslegung des
Gesetzes nicht herangezogen werden dürften.
III. Vollkommen unzulässig ist nun aber diese Methode in
unseren heutigen konstitutionellen Staaten, wo mehrere
Faktoren an der Gesetzgebung mitwirken: wenn hier ein
Gesetz zu stande kommt, so kommt es gewöhnlich nur zu
stande in bezug auf die Worte; denn von den Faktoren der
Gesetzgebung denkt hinter den Worten häufig jeder etwas
sanz Verschiedenes; und auch in dem einen Faktor, dem
Parlament, sind oft so viele Auffassungen, als Fraktionen
sind, und nur auf die eine Wortfassung vereinigt man sich,
weil jede Fraktion dahinter das Ihrige denkt. Wollte man
hier mit dem Gedanken des Gesetzgebers Ernst machen, so
käme man zu dem Satze, daß bei solchen inneren Wider-
sprüchen ein Gesetz gar nicht zu stande gekommen
wäre! — eine so abenteuerliche Annahme, daß sie sofort als
unzulässig erscheint, obgleich einige Fanatiker der Folge-
richtigkeit selbst vor diesem Gedanken nicht zurückgeschreckt
sind. Demgegenüber konnte man sich nur durch Fiktion und
unbegründete Unterstellung helfen. Man unterstellte ins-
besondere: wenn etwas in den Motiven der Regierung gesagt
und im Parlament nicht bekämpft wird, so gelte es als
zugestanden; man sagte ferner: wenn ein Parlamentsmitglied
etwas äußert und es nicht widersprochen wird, so habe das
ganze Parlament es genehmigt. Auf diese Weise kam man
zu einer geradzu verblüffenden Überschätzung der Vorarbeiten
des Gesetzes. Aber diese Unterstellungen sind alle verkehrt.
Daß etwas geäußert oder nicht geäußert wird, hängt mit sehr
vielen Zufälligkeiten zusammen, und der Katarrh eines Redners,
der schlechte Magen eines Oppositionsmannes, oder die Sorgen
und Gedankenablenkungen der Residenz können hier mehr
wirken, als jeder übereinstimmende Wille; und das Gesetz in