Full text: Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts. Erster Band. (1)

2 Einleitung. 
Geiste zu schaffen, haben fast nur dem Geist der Kultur 
gedient, in der sie lebten und der sie ihr Denken ent- 
nahmen. 
III. Die Rechtskultur aber, aus der das Bürgerliche 
Gesetzbuch hervorging, ist seinerzeit zunächst gelegt worden 
durch die deutsche Geistesweise. Die Rechtsideen, mit welchen 
die Deutschen in die Geschichte traten, waren ganz be- 
stimmte Ideen, tiefgreifender und erfolgreicher Art. Die 
deutsche Familie hatte ihre bestimmte Ausprägung, das Erb- 
recht seine eigenen Ideen, im Vertragsrecht und in der 
Bindung des einzelnen an sein Wort und an die Ver- 
pflichtungen des Verkehrs finden wir schon eine ganz be- 
stimmte und klare Gestaltung. Das Verhältnis des einzelnen 
zum Ganzen und der einzelnen unter sich war bereits fest 
entwickelt, und bereits hatte der Prozeß, bereits hatte das 
Strafrecht seine Gesetze. Das muß betont werden, denn alles 
dieses hat nachhaltig gewirkt, und die ganze Fülle germani- 
scher Einrichtungen ist hervorgegangen aus den Grund- 
gedanken, mit denen die Deutschen sich in der Geschichte 
einführten. 
Dazu trat aber der erfolgreiche Zusammenstoß mit einer 
ungeheuren hochentwickelten Rechtskultur, wie sie die Mensch- 
heit noch nie gesehen hatte, die allerdings zur Zeit, als die 
Germanen sie kennen lernten, schon längst in das Stadium 
der letzten Nachblüte gelangt war, aber immer noch groß- 
artige Züge reifte. Das römische Recht in Italien, Spanien 
und Südfrankreich blieb bestehen und wirkte mächtig auf die 
sog. Barbaren ein, noch ehe Justinian lebte; und als Justinian 
kraft einer etwas verwunderlich byzantinischen, aber doch 
sehr kulturreichen Renaissance die vielfach vergessenen römi- 
schen Schriftsteller wieder hervorholte, bot er der Kultur 
einen Schatz des Rechts, der allerdings im Abendland erst 
zur Glossatorenzeit aufgehen sollte; und nun geschah die ge- 
waltige und fast gewaltsame Aufnahme des römischen Civil- 
rechts, ganz ebenso wie schon das Strafrecht die starke 
Einwirkung römischen Rechts erfahren hatte. 
IV. Die sog. Rezeption des römischen Rechts war eine 
Folge der Übermacht römischer Rechtskultur, aber sie war nicht
	        
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