Full text: Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts. Erster Band. (1)

4 Einleitung. 
entwicklung bis zum Bürgerlichen Gesetzbuch wesentlich eine 
Tat des germanischen Geistes. 
V. Was weiter gestaltet worden ist, bis in die Zeiten der 
Naturrechtslelrer, ist nur das gedankenarme Fortbilden der 
bereits angesponnenen Ideen. Die großartigen Leistungen der 
französischen Schule des 16. Jahrhunderts in der Erkenntnis 
des römischen Rechtes waren für das praktische Recht nur 
sehr teilweise fruchtbar. Die gewaltigen Arbeiten der Hol- 
länder im zwischenstaatlichen Privatrecht haben ihnen aller- 
dings einen Ehrenplatz in der Geschichte gegeben, im Privat- 
recht selbst aber haben sie, abgesehen von einigen handelsrecht- 
lichen Einrichtungen, wenig durchschlagend Neues geschaffen. 
Die Naturrechtler des 17. und 18. Jahrhunderts hatten 
in der Geschichte die große Aufgabe zu erfüllen, wieder den 
selbständigen Geist, und zwar den Geist des aus der Theologie 
heraus befreiten und entfesselten rationellen Gedankens gegen- 
über dem ständigen Fortwuchern des angestammten Stoffes zur 
Geltung zu bringen. Allerdings haben sie auch sonstige Ver- 
dienste, ebenso wie früher die Scholastik; denn man versuchte 
die Rechtsgedanken zu klären und zu befestigen; man zog 
die Folgerungen und legte die Grundlagen des Systems. 
Mußte manches Alte ihrer Kritik weichen, so wurde anderes 
umso klarer und fester ausgestaltet. Die Verflachung des 
Naturrechts allerdings brachte es Ende des 18. Jahrhunderts 
zu einem außerordentiichen Tiefstand der Rechtskultur,?) 
so daß, als im 19. Jahrhundert die historische Schule entstand, 
es schien, als ob man eine grosse Menge von Dingen neu 
entdecken müsse, welche die Großen der Vergangenheit schon 
längst festgesetzt hatten. Der Mann aber, der die historische 
Schule beherrschte und ihr die Richtung gab, war Savigny, 
ein Geist von großer Energie, aber von ebenso großer Ein- 
seitigkeit. Er war es, der als echter Nachfolger von Cujaz 
auf das Studium des reinen römischen Rechtes drang, er war 
es auch, der über die Geschichte des römischen Rechts im 
Mittelalter teils selbst erfolgreiche Studien maclhıte, vor allem 
aber uns den geschichtlichen Stoff italienischer Forschung 
1) Über den Stand der deutschen Rechtskultur zu Goethes Zeit 
vgl. meinen Aufsatz im Goethejahrbuch 1903 8. 121f.
	        
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