8. Rechtsordnung und Sittlichkeitsordnung. 8 5. 15
käme man, wenn die Rechtsordnung den Satz ausspräche:
Der unsittliche Gebrauch des Rechts ist ein rechtlich ver-
botener? Die ganze Sittenordnung wäre unter den Zwang
des Rechts gestellt; denn wo immer ein Handeln und nur
ein Handeln sittlich ist, würde dem Berechtigten die be-
stimmte Rechtsübung auferlegt; wenn es die sittliche Pflicht
wäre, ein Unternehmen zu unterstützen, so könnte der
Gerichtsvollzieher kommen, und wer an seiner flotten Tafel
säbe, hätte zu gewärtigen, daß ein Verein für Menschenwohl
ihm mit vieler Liebenswürdigkeit die Speisen vom Tisch
wegnähme.
Nur dann ist es anders, wenn der Mißbrauch in die von
der Rechtsordnung geschützten Rechte oder Interessen ein-
greift; so also bei Verletzung von Rechten im eigentlichen
Sinne, so bei Verletzung von Interessen, die nur aus juristisch
technischen Gründen nicht zu Rechten werden konnten. Zu
den Rechten, die man auf solche Weise verletzen kann, gehört
auch das Lebensrecht: der Selbstmord ist nicht nur eine
Sitten- sondern auch eine Rechtswidrigkeit, auch wenn der
Selbstmordversuch in Deutschland (anders als in England) straf-
los bleibt. Darum hat auch ein Dritter die Befugnis, den Selbst-
mord zu hindern, und gegen diese Hinderung gibt es keine
Notwehr, noch weniger kann sie (als Nötigung) bestraft
werden.!) Zu den Interessen, welche auf solche Weise ge-
kränkt werden können, gehört insbesondere das Interesse der
Tiere: tierquälerische Ausübung des Eigentumsrechts wäre
nicht nur gegen die Sitten-, sondern auch gegen die Rechts-
ordnung.”)
Eines der wichtigsten verletztbaren Rechte ist das
Persönlichkeitsrecht: es ist Verletzung des Persönlichkeits-
rechts, wenn jemand sein Recht in der Art mißbraucht, daß
er den anderen beleidigt; eine Verletzung der Persönlichkeit
liegt aber vor allem in der Rechtsschikane ($ 226 B.G.B.).?)
Hiervon muß in der Lehre von der Persönlichkeit gehandelt
werden.
D Vgl. Archiv f. Strafrecht 49 S. 47.
2?) Vgl. meinen Aufsatz im Gerichtssaal B. 47 S. 32.
°) Von anderem Standpunkte in der Ennzyklop. I S. 709 behandelt,