Full text: Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts. Erster Band. (1)

16 1.Buch. I. Abschn. Stellung d. Rechtsordn. unter d. Kulturmächten. 
4. Rechtsordnung und persönliche Freiheit. 
8 6. 
I. Die Rechtsordnung als Regelung ist erforderlich um 
der menschlichen Kultur willen. Die Kultur, die geistige wie 
die materielle, kann sich nur entwickeln, wenn im sozialen 
Körper der Menschheit bestimmte Regeln aufrecht erhalten 
werden, in der Art, daß die kulturfördernden Elemente ge- 
hegt, die kulturfeindlichen möglichst gestört und verdrängt 
werden, in der Art weiter, daß, wo immer gewisse Bestrebungen 
für die Kultur unentbehrlich sind, eine öffentliche Autorität 
mit aller Macht diesen Bestrebungen Geltung verschafft.!) Die 
Art und Weise, wie diese Bestrebungen aufgefaßt werden, hat 
natürlich im Laufe der Zeit sehr gewechselt. Unsere Zeit 
geht darauf hinaus, daß in privatrechtlichen Verhältnissen ein 
gewisses Gleichgewicht zwischen Persönlichkeit und sozialen 
Bestrebungen gewahrt wird, sodaß auf der einen Seite dem 
persönlichen Tun ein großer Spielraum geboten ist, auf der 
anderen Seite das soziale Gebiet tief in das menschliche Leben 
eindringt und ihm nur sehr teilweise die Herrschaft überläßt. 
Daher ist weder eine Allmacht des Verkehrswillens des einzelnen 
in unserem Privatrecht brauchbar, noch eine solche Gestaltung. 
welche den einzelnen vollständig unterwirft und seinem Privat- 
willen keinen Kreis der Betätigung übrig läßt.”) 
II. Daher gestattet die Rechtsordnung den Menschen und 
den im Rechte auftretenden menschlichen Gebilden einen 
weitgehenden Einfluß auf das Rechtsleben. Es ist gerade 
das Große der Rechtsordnung, daß sie Freiheit und Not- 
wendigkeit mit einander verknüpft und auf der einen Seite 
soziale Ideen verkörpert, auf der anderen Seite den Mensclıen 
nicht zur Maschine herabwürdigt, sondern ihm eine tiefgreifende 
Einwirkung auf die Rechtsbildung gewährt, und zwar gerade 
in der Art, daß er reichlich mitarbeiten darf und mitarbeiten 
soll an den Fortschritten des Rechts, daß er seine Ideen 
eigenpersönlich in die Rechtsverhältnisse hineintragen Kann. 
So kommt es, daß zu den wichtigsten Bestimmungselementen 
1) Enzyklopädie I S. 55. 
2) Vgl. auch — nach anderer Richtung hin — Einführung in die 
Rechtswissenschaft S. 19.
	        
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