Full text: Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts. Erster Band. (1)

316 IH. Buch. A. Rechtssubjekt. 
verschiedenen Vergiftungszustände medizinisch sind, so sind 
sie juristisch nur wmebensächlich. Überall handelt es sich a) 
um die unmittelbare Wirkung des nervenzerrüttenden Mittels, 
b) um einen gerade durch dieses Mittel herbeigeführten trost- 
losen Hang zum weiteren Genuß. Da beides in allen drei 
Fällen in gleicher Weise zutrifft, so müssen sie sämtlich in 
dieselbe Ordnung gestellt werden, ebenso wie andere ähn- 
liche Vergiftungszustände, falls etwa weitere derartige furcht- 
bare Zerrüttungsmittel in der Menschheit aufkämen. Daher 
müßte das Opiumrauchen als eine bestimmte Art des Morphinis- 
mus ebenfalls hierher gezählt werden. 
II. Die Trunksucht kann unter den Begriff der Geistes- 
störung fallen, indem nicht selten der Trieb so unwiderstehlich 
wird, daß die Persönlichkeit seiner nicht Herr werden kann 
und man daher von einer den Willen unfrei machenden Geistes- 
erkraukung sprechen muß, so z. B. bei Quartalsäufern und 
ähnlichen. Auch unter dem Titel der Verschwendung könnte 
die Trunksucht betrachtet werden. Jedoch würde beides nicht 
genügen; denn einerseits kommen sehr viele Fälle der Trunk- 
sucht vor, in denen keine Geisteserkrankung zu konstatieren 
ist, sondern nur eine moralische Erniedrigung, indem der Trunk- 
süchtige zwar zu widerstehen vermöchte, aber in einen Zustand 
sittlicher Schwäche und Verschlechterung geraten ist und aus 
niederträchtiger Gesinnung dem Antrieb nachgibt; aber auch 
diese Fälle müssen von der Gesetzgebung berücksichtigt werden, 
und es wäre darum unrichtig, den Ausdruck „Trunksucht“ bloß 
von solchen Zuständen zu verstehen, wo wirkliche Geistesstörung 
vorliegt: Trunksucht schließt daher auch Trunkfälligkeit, soweit 
sie zu einem gewohnheitsmäßigen Hang geworden ist, ein.?) 
Sodann würde auch der Verschwendungsstandpunkt nicht 
genügen, weil der Trunksüchtige allerdings vielfach sich und 
seine Familie in Not setzt, aber nicht bloß dadurch, daß er für 
Zwecke seines Trinkens zu viel Aufwand macht, sondern des- 
halb, weil er infolge der ständigen Vergiftung in Müßiggang, 
Arbeitslosigkeit und damit in die Unfähigkeit gerät, irgend 
eine regelmäßige wirtschaftliche Stellung im Leben auszufüllen. 
1) Vgl. Endemann, Entmündigung wegen Trunksucht, S. 16f.; 
Reichsgericht 27. Oktober 1902, Recht VII, S. 77.
	        
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