Full text: Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts. Erster Band. (1)

I. Abschn. Rechtsverkehr. Entwicklung nach außen. 8221. 497 
Von diesem Falle soll hier nicht weiter gehandelt werden. 
2. Ein zweiter Fall liegt dann vor, wenn jemand als 
Stellvertreter eines andern handelt und als solcher entweder 
ein Geschäft mit sich selbst als Eigenperson abschließt oder 
mit sich selbst als dem Vertreter einer andern Person, so 
z. B., wenn jemand mehrere Vormundschaften führt und von 
der einen Vormundschaft in die andere hinein wirken möchte. 
Hier fehlt es regelmäßig an der gehörigen Äußerung der 
Willenserklärung, und darum nimmt das B.G.B. in dem be- 
rühmten $181 an, daß eine derartige Rechtshandlung nichtig ist. 
Sie ist nicht deshalb nichtig, weil es an der Vertretungsmacht 
fehlt, denn bei solcher Betrachtungsweise kämen andere Folgen 
zu Tage: sie ist nichtig, weil es an der Erklärung fehlt. Die 
Erklärung an das eigene Iclı entbehrt des objektiven Charakters. 
Ein solches Rechtsgeschäft ist daher nichtig: es ist nichtig, 
weil sonst das ganze Verkehrsleben der piastischen Kraft und 
Sicherheit entbehrte. Man denke sich, daß die halbe Stadt 
einen Vertrauensmann A zu ihrem Bevollmächtigten ernannte 
und dieser alle Verkehrsgeschäfte der Stadt „in sich“ ab- 
schlösse! Es ist nichtig, solange die Gleichvertretung bleibt; 
die Aufstellung eines Substituten, um mit ihm das Geschäft 
abzuschließen, hebt das Hindernis: das Geschäft mit dem 
Substituten ist nicht nichtig, wenigstens nicht mehr aus diesem 
Grund. Vorausgesetzt ist, daß der Substitut gültig ernannt, 
daß also der Vertreter zur Ernennung des Substituten befugt 
ist. Ist er es nicht, dann ist das Geschäft zwar nicht nichtig 
aus & 181, aber es ist das Geschäft mit einem vollmachtlosen 
Vertreter und nach diesen Regeln zu behandeln.?) 
II. Die Nichtigkeit gilt hier bei allen ankunftsbedürftigen 
Geschäften, wo immer das Geschäft eine Zweiheit von Personen 
verlangt; sie gilt insbesondere auch bei den Parallelerklärungen, 
namentlich bei den Vereinsgründungen, wo die Erklärungen 
von einem Gründer an den anderen gemacht werden.?) Sie 
gilt aber insbesondere bei Verträgen; daher auch bei dem 
1) Über diesen Fall hat die Praxis Zweifel, die doch eigentlich unbe- 
gründet sind; vgl. O.1L.G. Colmar, 10. Juli 1901, Juristen-Z. VIII, S. 204. 
Vgl. L.G. Bischweiler 23. August 1901, 7. f. Els.-Lothr. XXVIU, S. 516. 
2) So bezüglich der Gründung einer Kommanditgesellschaft, Kammer- 
gericht Berlin, 18. November 1901, Entsch. freiw. Gerichtsb. III, S. 20. 
Kohler, Lehrbuch des bürgerlichen Rechts. I. 32
	        
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