Full text: Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts. Erster Band. (1)

I. B. Zwischenstaatliches Privatrecht. 8 12, 45 
nisse bei uns beurteilt werden sollte: unser Recht würde das 
englische für maßgebend erklären, das englische Recht würde auf 
das Wohnsitzrecht, also auf das Recht Frankreichs verweisen! 
Das gilt nicht: der verkehrte Satz der Weiterverweisung hat 
in diesem Fall keine Bestätigung im deutschen Gesetz gefunden, 
und eine rechtsähnliche Anwendung des A. 27, der eine Vorzugs- 
stellung des deutschen Rechts bezweckt, ist ausgeschlossen. 
11. 2. Ein viel richtigerer Grundsatz als der der Rück- 
verweisung ist der in A. 28 entwickelte zweite Gedanke, daß 
von der Vermögensgesamtheit und ihren Schicksalen gewisse 
Vermögensmassen ausgeschieden werden müssen, insbesondere 
die Grundstücksmasse, sofern sie in einem Land gelegen ist, das 
eine solche Masse nicht nach Staatsangehörigkeit- oder Wohn- 
sitzstatut, sondern nach dem Rechte der gelegenen Sache 
behandelt; so wenn z. B. gewisse Vermögensmassen als Fidei- 
kommisse einer besonderen Behandiung unterliegen, oder, wie 
nach englischem Rechte, das Grundstücksvermögen nach dem 
Rechte der gelegenen Sache behandelt wird. Sollte daher auch 
beispielsweise nach den Grundsätzen des Staatsangehörigkeits- 
rechtes eine Erbschaft etwa nach deutschem oder französischem 
Rechte beurteilt werden, so würden, wenn darunter sich Grund- 
stücke befinden, die in England liegen, diese englischen Grund- 
stücke nach englischen Grundsätzen zu vererben sein, weil 
nach englischem Rechte das real estate dem Jirbgesetze der 
gelegenen Sache unterliegt. 
Ill. 3. Was endlich die Form der Rechtshandlungen betrifft, 
so gilt folgendes: Zutreffend sollte das Gesetz, welches für das 
Geschäft gilt, auch die Form beherrschen, und jedenfalls muß 
diese Form in der Regel genügen; wenn daher ein Inländer 
im Auslande ein eigenhändiges Testament macht, so muß dieses 
bei uns unter allen Umständen als gültig erscheinen. Daneben 
aber besteht zur Erleichterung der Satz, daß die Form des Ortes, 
wo das Geschäft abgeschlossen wird, ebenfalls genügen soll, 
ein Satz, der sich durch langjähriges Gewohnheitsrecht des 
europäischen Festlandes?) entwickelt hat, weil sonst vielfach 
  
  
») In England und Amerika gilt er nicht, wenigstens nicht in diesem 
Umfang; in England ist für Testamente von Engländern allerdings eine 
Erleichterung eingeführt worden (es soll die Form des Errichtungsortes, 
des Wohnsitzes oder des domicile of origin genügen) durch die Lord 
Kingsdown Act. 24, 25 Viet. c. 114.
	        
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