89. Das Münchener Künstlerfest von 1840. 419
Brustharnisch und Hermelinmantel von Goldstoff, auf dem Barett die Krone,
umgeben von Fackelträgern mit vergittertem Gesicht, Maximilians hohe Gestalt
vorüber. Hinter ihm aber folgen waffenklirrend alle die, welche durch so viel
Länder in Nord und Süd für ihn die Waffen getragen, ein Frundsberg und
Sickingen und Mark Sittich von Ems und ungezählte andere. Gar bescheiden
nimmt sich gegen sie das Häuflein Gelehrte aus mit Wilibald Pirkheimer und
Melchior Pfinzing in der Mitte. Unmittelbar hinter ihnen rauscht der Mum-
menschanz einher und beendet in toller Lustigkeit den Zug.
Nachdem der ganze Aufzug dreimal den Raum durchschrikten, traten alle
in der Mitte des Saales zusammen, das vom Landschaftsmaler Felix v. Schiller
gedichtete und von Franz Lachner komponierte Festlied erscholl im mächtigen
Chor, dann ein gewaltiges Lebehoch auf den König. Dieser dankte sichtlich
erfreut; er wußte, daß diese Huldigung von Herzen kam.
Durch die Säle und Korridore der Residenz und durch die Arkaden des
Hofgartens zog man dann gar eilig über den regenfeuchten Platz in den großen
Odeonssaal. Dort reihte sich Tafel an Tafel. Chöre, Schwänke, Narreteien
kürzten in buntem Wechsel die Zeit; nach dem Mahle ging das Fest in einen
Tanz über; — als die Morgensonne durch die Fenster des Saales schien,
mahnten die Sprecher den Mummenschanz zu beschließen.
Der Eindruck des ganzen Festes war ein gewaltiger. Das war kein
Maskenzug, es war ein historisches Gemälde, die Verkörperung einer großen,
vorbildlichen Zeit. Die Blätter brachten begeisterte Berichte; künstlerische und
historische Betrachtungen wurden daran geknüpft; ein Feld im Außenschmuck
der Neuen Pinakothek wurde der Darstellung des Festes gewidmet, kurz, das
Schauspiel war zu einem Ereignis geworden.
Am 2. März mußte, da Bitten und Drängen darum nicht nachließ, der
Maskenzug wiederholt werden. Es war ein überwältigender Anblick, als er
in seinen leuchtenden Gewändern und schimmernden Gewaffen durch die lange
Reihe von Pechflammen und Fackeln, diesmal bei klarem Nachthimmel, aus
dem Theater ins Odeon zog, wo scherzhafte Aufführungen und Tanz die Zeit
füllten. Die Sonne stand schon hoch, als der Rest des Zuges nach dem
„Englischen Cafe= zog; — das helle Morgenlicht umstrahlte die Pracht der
Kostüme. Dann ging's zu Wagen und zu Juß nach der Menterschwaige und
auch die zweite Morgensonne traf noch nicht alle als Schlafende.
Das gütige Geschick hat aber auch dafür gesorgt, daß uns ein Nachhall
von der Festesfreude und sschönheit erhalten blieb: denn in jenen Wochen
kam ein junger Künstler nach München und warf sich mit begeistertem Herzen
in die Wogen des Künstlerlebens, um nach jahrelangem Ringen zum Entschluß
des Entsagens zu kommen, da ihm auf anderen Höhen der Lorbeer winkte.
Es war Gottfried Keller, der uns im „grünen Heinrich“ eine so ausführliche
und lebenswarme Schilderung des Festes gibt.
Kronseder, Lesebuch zur Geschichte Bayerns. 29