90. Thorwaldsen im Knorrkeller. 451
als der gefeierte Gast von der hohen Warte, die das Dach krönt, erspäht war,
der Reigen der Festgeber, voran auf grünem Rasenflecke ihre jungen Frauen,
deren sie sehr schöne haben, hinter ihnen die Haufen der kunstliebenden Münchener,
die den Wundermann erschauen und sein Bild zur unvergeßlichen Erinnerung
mit nach Hause nehmen wollten. Der Wagen rollte unter Böllerkrachen vor.
Thorwaldsen, der stattliche Nordländer, mit dem Löwenkopfe und den langen
Silberhaaren, begleitet von den ersten künstlerischen Zelebritäten, die mit ihm
gekommen waren, schritt jugendlich, alle Blicke auf sich ziehend, den Anstieg
hinauf, während alle Häupter sich entblößten, alles sich verneigte und ein
donnernder Willkomm ihm entgegenscholl. Dort oben bot ihm auch der gast-
freundliche Herr des Kellers seinen Gruß, den der schöne Greis mit kraftvollem
Händeschütteln erwiderte.
Jetzt ging's mit fröhlichem Drängen hinein in die Banketthalle. Dazu
war die unermeßliche Hausflur eingerichtet worden, die das Erdgeschoß des
Kellergebäudes bildet. Sie ist eigentlich ein Vorratshaus für die tausend Fässer,
die unser Brauherr nötig hat; aber jetzt in ihrem Festschmucke konnte sie niemand
mehr dafür erkennen. Über die Gewände spannten sich jene schönen, alten
Tapeten, welche nach Peter Candids Zeichnungen gewirkt sind und die Taten
Ottos, des tapferen Wittelsbachers, darstellen, wie er für Kaiser Friedrich focht
in den italienischen Schlachten, wie er die Klause bei Verona stürmte oder wie
er die Griechen von Byzanz aus der Mark Ankona vertrieb. Die Decke ver-
schönerte eine glückliche Improvisation dekorativer Malerei; die rauhen Dielen
des Bodens verhüllte frisches Grün; in der Höhe zogen duftende Blumen=
gewinde durch den Saal. Von dem vorjährigen Dürerzug, wo die ganze Pracht
des späteren Mittelalters wieder auferstanden war, ist den Malern und Bildnern
eine große Vorliebe geblieben für den Geschmack jener gepanzerten Zeiten, so“
daß ihnen jetzt Waffenglanz und gotische Geräte als der schönste Schmuck
für ihre Trinksäle gilt. Demgemäß starrten die Pfeiler von ritterlichen Rüstungen,
Harnischen und Pickelhauben, von Turnierspeeren, Panieren und alten Flam-
bergen. Ein Dutzend Kronleuchter sandten ihr funkelndes Licht von der Decke;
unten zog sich unabsehbar die festliche Tafel hin, reich verziert mit goldglänzenden
Kandelabern, Blumensträußen und mit einer unendlichen Front von glitzernden
Gläsern. Auf der langen Zeile jener Tische, wo die „Löwen“ saßen, prangten
die vergoldeten Statuetten der Wittelsbacher Fürsten, wie sie Schwanthaler
geschaffen, auf der anderen die der großen Maler des 16. und 17. Jahrhunderts
von demselben Meister. Gigantische Humpen mittelalterlichen Ansehens standen
nachbarlich neben diesen Bildern. Zu Handen des Gefeierten war ein goldener
Pokal zu sehen von reicher, gotischer Arbeit, vor ihm ein kleines Bronzebild
der Reiterstatue Maximilians, seines eigenen Meisterwerkes, ihm gegenüber auf
der anderen Tischreihe ein verjüngter Gipsabguß des Schillerstandbildes, hinter
diesem aber und somit gerade im Angesicht des Gastes war in einem Haine von
Lorbeerbüschen und Pomeranzenbäumen die Büste unseres Königs aufgestellt.
29 *